Russland Putin demonstriert Stärke – nach innen

Russlands Präsident Wladimir Putin lässt die Uno-Vollversammlung zugunsten einer Truppenschau sausen. Auch in einer Waffenschmiede schaut er vorbei, denn Militär und Rüstung sind in Russland dankbare Wahlkampfthemen.

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Der russische Präsident Wladimir Putin (2.v.r.), der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu (2.v.l.) und der Generalstabschef der russischen Streitkräfte Waleri Gerassimow (r) beobachten in der Nähe von St. Petersburg das umstrittene Großmanöver „Sapad“. Quelle: dpa

Moskau Der Kremlchef war zufrieden: Wladimir Putin ließ es sich nicht nehmen, dem umstrittenen Militärmanöver „Sapad“ („West“) einen Besuch abzustatten. In Begleitung mehrerer Generäle inspizierte er die Truppe auf dem Schießplatz Luschsk nahe St. Petersburg und betrachtete das Geschehen aufmerksam durch sein Fernglas.

Laut Szenario hatten gerade verschiedene größere Sabotagetrupps nach dem Einsickern grenznahe Flughäfen angegriffen und Dutzende Flugzeuge und Drohnen gekapert, als die russische Armee zurückschlug und den Feind durch den koordinierten Einsatz von Panzern, Luftwaffe und Luftabwehr vernichtete. „Oberbefehlshaber und Verteidigungsminister haben eine hohe Bewertung abgegeben“, erklärte anschließend der Befehlshaber des russischen Wehrkreises West Generaloberst Andrej Kartapalow erleichtert.

Immerhin wurde das Manöver zuvor durch einen bösen Unfall überschattet: Ein offensichtlich unbeabsichtigter Raketenabschuss von einem Hubschrauber hatte einen Lastwagen zerstört und mehrere Soldaten verletzt. Zwar ignorierte das staatliche Fernsehen, das ansonsten ausführlich über die Übung berichtete, den Vorfall. Ein verwackeltes Video gelangte jedoch über ein regionales Internetportal schnell in den sozialen Netzwerken in Umlauf und zwang die Militärführung zu einer Stellungnahme.

Da kam das Lob von Putin gerade rechtzeitig. Doch der Kremlchef setzt sich auch selbst mithilfe des Bildes von der schlagkräftigen Truppe gekonnt in Szene. Das Image der Streitkräfte ist in Russland – gerade nach den für Moskau erfolgreichen Einsätzen in Syrien oder bei der Annexion der Krim – hoch. Sie gelten als Symbol der Stärke in einer Gesellschaft, die zunehmend auf einen äußeren Feind eingeschworen wird.

Gerade im Wahlkampf bringen Muskelspiele Pluspunkte. Putin hat dies bereits früher angewandt. Auch 2012 ging er nicht nur mit dem (letztlich nicht eingelösten) Versprechen eines Wirtschaftsbooms, sondern auch mit der Ankündigung die Streitkräfte aufzurüsten, in das Rennen, um sich Unterstützung in den konservativen Kreisen zu sichern.

Zwar ist der Wahlkampf diesmal offiziell noch gar nicht eröffnet, doch hinter den Kulissen werden schon eifrig die Dekorationen für die Kandidatur zurecht gerückt, die Medienberichten nach im November verkündet werden soll. Wohl auch deswegen ignorierte Putin in diesem Jahr die UNO-Vollversammlung und den Monolog von Donald Trump. Während dieser Nordkorea von der Tribüne in New York die „totale Zerstörung“ versprach, konzentriert sich Putin dieser Tage mit der Demonstration seiner Stärke zunehmend auf das eigene Wahlvolk.

Der Truppenbesuch war daher nur einer von mehreren Ortsterminen. Auch beim Rüstungskonzern Almas Antej schaute der Kremlchef vorbei, um den Mitarbeitern zum neu ausgerufenen „Tag des Rüstungsbauers“ zu gratulieren und von ihnen neue „perspektivreiche Waffenmodelle, die die Stärke der russischen Armee bestimmen“ zu fordern. Almas Antej ist als Ansprechpartner für Putin ein dankbares Objekt: Der Konzern gilt mit seinen S-400-Luftabwehrraketen, die seit kurzem nun sogar ins Nato-Land Türkei exportiert werden sollen, als eine der modernsten Waffenschmieden Russlands. Im Ausland mag das Image des Konzerns durch den Abschuss eines Passagierflugzeugs über dem Donbass mit einer von Almas Antej produzierten Buk-Rakete gelitten haben, in Russland gilt der Betrieb als einer der wenigen eigenen Weltmarktführer.

Und noch ein überdimensionales Symbol der militärischen Stärke schenkte Putin seinen Landsleuten zum „Tag des Rüstungsbauers“: Im Zentrum Moskaus wurde die acht Meter hohe Skulptur des Waffenkonstrukteurs Michail Kalaschnikow enthüllt. Während Liberale wie der bekannte Rockmusiker Andrej Makarewitsch das Denkmal wegen des damit verbundenen Militarismus‘ kritisierten, bezeichnete Kulturminister Wladimir Medinski bei der Denkmal-Einweihung die „Kalaschnikow als kulturelles Markenzeichen Russlands“.

Was im Ausland befremdlich erscheint, kommt beim russischen Wähler gut an: Jüngsten Umfragen zufolge würden zwei Drittel der Russen Putin auch nach 2018 gern weiter im Amt sehen. Vor sechs Jahren wollte nur ein Drittel der Wähler Putin nach seiner Rückkehr in den Kreml auch noch eine zweite Amtszeit als Präsidenten haben.

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