Russland Das Trauma sitzt tief

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Traum vom Wandel durch Handel ist geplatzt

Werden Gas und Benzin knapp?
Warum sind die Deutschen vom Konflikt zwischen Moskau und Kiew im schlimmsten Fall direkt betroffen?Deutschland importiert große Mengen Rohöl und Gas aus Russland; es ist das bei weitem wichtigste Lieferland. Die Ölimporte aus Russland lagen 2013 bei mehr als 31,4 Millionen Tonnen, das sind 34,8 Prozent der gesamten Einfuhren. Bei den Gasimporten sind es sogar 38,7 Prozent. Bislang gibt es nach Angaben der Bundesregierung aber keine Anzeichen für drohende Lieferengpässe. Quelle: dapd

Der alte Ost-West-Konflikt nimmt wieder kräftig Fahrt auf - und dies ist nicht nur ein politisches Fiasko, sondern auch ein ökonomisches. Denn die Krise kann auch die Wirtschaft mit voller Wucht treffen. Die Duma, das russische Parlament, berät über ein Gesetz, das die Enteignung ausländischer Unternehmen regelt. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft warnt vor einer "dauerhaft abschreckenden Wirkung", die das Gesetz auf Investoren hätte. Der Traum vom "Wandel durch Handel" auf den sich die Wirtschaft gern bezog, ist geplatzt - und eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft "massiv ins Stocken geraten", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder: "Dennoch müssen wir mit Russland kooperieren, denn es ist unser Nachbar und Europa kulturell eng verbunden." 

Ist das so mit der Verbundenheit? In diesen Tagen ist hinter den Kulissen von Politik und Wirtschaft ein Kulturkampf um die Frage entbrannt: Müssen wir Europäer unsere Werte in Russland durchsetzen - und können wir das überhaupt?  Oder sollten wir pragmatisch Geschäfte mit dem Rohstoffgiganten machen - wie mit dem demokratiefernen China auch? Die Position der Wirtschaft ist letztere und steht unabhängig vom Ausgang der Krim-Krise: Russland ist als Öl- und Gaslieferant, Absatzmarkt und Standort für Investitionen zu bedeutend, als dass man es sich mit Putin verscherzen kann. 

Eckhard Cordes, der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, warnt eindringlich vor weiteren Sanktionen: "Unsere Volkswirtschaften sind so voneinander abhängig, dass wir uns mit solch unsinnigen Strafmaßnahmen gegenseitig enorm schaden würden." Die Schockfrostung der Beziehungen zu Russland will auch Volker Treier verhindern, Vize-Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. "Enormen Flurschaden" habe die Krise schon angerichtet: "Kapitalabfluss und Rubel-Verfall bremsen die Konjunktur in Russland." 

Russland zählt trotz virulenter Bürokratie und Korruption zu den wichtigsten Wachstumsmärkten deutscher Unternehmen, bald nach China und weit vor Brasilien.  Rund 7000 Unternehmen sind in Russland registriert, viele betreiben eigene Fabriken in dem Land mit seinen 143 Millionen Einwohnern. Fast 40 Prozent des deutschen Gasaufkommens stammen aus russischen Fördergebieten, das Land ist momentan größter Öllieferant der Bundesrepublik. All das ist plötzlich in Gefahr. Zwar liefen die Geschäfte schon im vergangenen Jahr nicht blendend: Das russische Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,4 Prozent bedeutet für ein Land, das einen hohen Investitionsbedarf aufweist, nahezu Stagnation. Sobald nun Investoren aus Furcht vor einem Wirtschaftskrieg ihr Kapital "on hold" setzen, könnte dies Russland in die Rezession treiben. 

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