Russland und Saudi-Arabien Die neuen Waffenbrüder

Erstmals in der Geschichte ist ein saudischer König nach Moskau gereist. Die weltgrößten Ölproduzenten rücken zusammen. Trotz erheblicher Kontroversen. Und mit rasanten Folgen für den Westen. Eine Analyse.

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Neue Bündnispartner? Quelle: dpa

Berlin Es ist ein historischer Besuch ¬ und er beginnt mit einem Fehlstart: Als mit König Salman am späten Mittwochabend zum ersten Mal in der Geschichte ein saudi-arabischer Herrscher nach Moskau kommt, bleibt die mit einer Rolltreppe ausgestattete Gangway gleich erst einmal stecken: kaputt. Sie war extra aus Riad eingeflogen worden, um dem altersschwachen Monarchen den Gang von der Flugzeugtür zum Boden zu erleichtern. Auch wenn es der erste Eindruck nicht vermuten lässt: König Salmans Visite in Russland ist ein Game Changer. Saudi-Arabien baut seine Macht aus.

Ein unumgänglicher Mitspieler im geopolitischen Schach ist die umstrittene Monarchie allerdings schon länger. Schließlich war es Saudi-Arabien, das mit dem vollen Öffnen des Ölhahns – auf Bitten der USA – Ende der 1980er-Jahre das schnelle Ende der Sowjetunion herbeiführte. Danach fiel der Ölpreis auf unter zehn Dollar pro Barrel, der neue KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow musste die Importe aus Hartwährungsländern drastisch kürzen. Der von Washington damals noch verkannte Reformer aus dem Kreml konnte seinen Bergleuten nicht einmal mehr Seife geben, sie streikten die Sowjetunion in den Untergang. Die Saudis waren damals die Tankstelle der Amerikaner und ein treuer Verbündeter: Öl gegen Sicherheit, hieß das geopolitische Geschäft, das den USA eine Basis im Mittleren Osten für ihre Rolle als Weltpolizist garantierte.

Der Besuch von US-Präsident Donald Trump in Riad schien dieses historische Bündnis im Mai noch einmal zu untermauern. Die Saudis kauften für hunderte Milliarden Dollar Waffen von den Amerikanern, kündigten Milliarden-Investitionen in den USA an. Nun aber tun sie das Gleiche mit Russland: Erstmals lässt sich Riad – nach der Türkei übrigens – von Moskau mit modernsten Flugabwehrsystemen vom Typ S-400 ausrüsten. Zuvor galt die unverbrüchliche Waffenbruderschaft zwischen Saudis und Amerikanern. „Saudis und Amerikaner – Waffenbrüder für immer“, dieses Plakat prangte noch zum Trump-Besuch im Mai auf Riads Straßen. Im Oktober ist die Welt schon eine andere.

Der saudische Public Investment Fund PIF, der nach der für kommendes Jahr erwarteten Teilprivatisierung des Ölgiganten Saudi-Aramco der weltgrößte Staatsfonds werden wird, investiert mit dem russischen Strukturfonds RFPI eine Milliarde Dollar in einen gemeinsamen High-Tech-Fonds. Energiekonzerne beider Länder arbeiten künftig eng zusammen. Bisher hatten die trotz Ressourcenreichtums klammen Konzerne des Kremls vor allem bei europäischen, amerikanischen, chinesischen und bei Katars Ölkonzern, Anteilseigner mit viel Geld gefunden. Nun rücken zwei der besonderen Art zusammen: Russlands Rosneft ist der bisher größte börsennotierte Ölkonzern der Welt, Saudi-Aramco der mit Abstand größte Ölproduzent, der im kommenden Jahr ebenfalls an die Börse strebt. Außerdem führt Riad das Opec-Kartell an, während Moskau der größte davon unabhängige Ölexporteur ist.

Interessant ist die Annäherung Saudi-Arabiens und Russlands vor allem wegen ihrer eigentlich unüberwindbaren Gegensätze: In Syrien hält Moskau Diktator Bashar al-Assad an der Macht, Riad will ihn loswerden. Statt des schiitischen Despoten soll nach saudischem Willen die sunnitische Mehrheit an die Macht kommen. Und Russland kooperiert nicht nur in Syrien mit der schiitischen Großmacht Iran, dem eigentlichen Erzrivalen der sunnitischen Saudis.

Schließen beide Länder sich trotzdem zusammen, hat der Westen Grund zur Sorge. Der absolutistisch herrschende König und der mit den Vollmachten eines Zaren agierende Kremlherr, haben einen gemeinsamen Feind: Den amerikanischen Schieferöl und –Gas-Sektor. Es gibt also guten Grund, genau hinzuschauen

Wie lange die neue Annäherung währt, weiß niemand. Aber die Welt der Gewissheiten bricht gerade vor unseren Augen zusammen. Während Saudi-Arabien seine neu gewonnene Stärke nutzt, braucht Washington die Sunniten-Vormacht zum Einhegen Irans. Die sich ausbreitende Ohnmacht der USA wird immer offensichtlicher.

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