Russlands Engagement in Afrika „In Afrika ist Putin ein furchtloser Führer“

Gute Freunde: Der russische Präsident bei einem Besuch in Senegal im Juni Quelle: imago images

Das isolierte Russland sucht neue Absatzmärkte und blickt zunehmend nach Afrika. Es sieht aus, als wolle das Land Chinas Strategie kopieren. Bisher gibt es vor allem Ankündigungen – mit einer Ausnahme. 

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Ein wichtiger Export Russlands auf den afrikanischen Kontinent hört auf einen deutschen Namen und wird von der eigenen Regierung verschwiegen: Die Söldnertruppen des Regiments Wagner sind offiziellen Stelle zufolge nicht in Russland ansässig und haben zum Kreml keinerlei Kontakt. Dass das nicht die Wahrheit ist, wurde in den vergangenen Jahren unzählige Male gezeigt.

In Mali, einem „Failed State“ in der Sahelzone von Westafrika, kämpfen die sogenannten Wagniravzi gerade an der Seite der Militärjunta gegen den Islamismus. Auch deutsche Soldaten sind dort stationiert und vernehmen Schreckliches. Berichten der westlichen Regierungen und Vereinten Nationen zufolge, sollen die 1000 Kämpfer des Wagner-Regiments in mindestens sechs Massaker involviert gewesen sein und dazu geführt haben, dass Zehntausende Menschen flüchten, berichtete der „Wall Street Journal“.

Für die russische Regierung sind die Söldner vor allem eine Geldmaschine und ein probates Mittel, um in Ländern mit schwacher Regierung Einfluss auszuüben. Für die Dienstleistung in Mali seien monatlich zehn Millionen Dollar fällig, dazu Konzessionen für wertvolle Abbaugebiete in den Minen. Seinen Wagner-Service offeriert der Kreml gerade auch in Syrien, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik, insgesamt kämpfen dort 5000 Soldaten.

Einfluss, auf den Russland kaum verzichten kann. Nach dem Einmarsch seiner Truppen in die Ukraine, sieht sich das größte Land der Welt wirtschaftlich und politisch zunehmend isoliert und sucht nach Absatzmärkten und Verbündeten – vor allem in afrikanischen Ländern wird es fündig. Kein einziges Land auf dem Kontinent hat sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Im Gegenteil: Beide Regionen nähern sich an.

Die Suche nach neuen Freunden und Märkten

Bei einer Tour durch Ägypten, Kongo, Uganda und Äthiopien machte der russische Außenminister Sergei Lawrow vor Kurzem klar, wer aus seiner Sicht Schuld am Ukrainekrieg und den hohen Getreidepreisen ist – der Westen. „Unsere afrikanischen Freunde verstehen, wie die Dinge wirklich liegen“, sagte Lawrow in Kairo.

Zunehmend versucht das Land, mit wirtschaftlichen Projekten, sich auf dem Kontinent festzusetzen. In Ägypten, dem engsten Verbündeten, planen die beiden Regierungen unter anderem eine Wirtschaftszone in der Nähe des Suezkanals, zudem baut Russland in Al-Dabaa ein Atomkraftwerk. Konkreter werden auch Pläne über Bergbauprojekte im Osten, Raffinerien in Nigeria, verschiedene Verkehrsvorhaben und Projekte zum Aufbau von Cybersicherheit. Ein Land soll russischen Medien zufolge mit Hilfe des Kremls sogar über Satellitenstarts nachdenken.

Die russische Afrikaoffensive ähnelt auf den ersten Blick damit der Strategie seines mächtigen Nachbarn China. Auch die dortige Ein-Partei-Regierung verschaffte sich in der vergangenen Dekade über Infrastrukturprojekte Zugang zum Kontinent. Wird Russland jetzt Chinas Wirtschaftspolitik kopieren?

„Der Kreml wünscht sich das, aber ihm fehlen die Ressourcen und das Konzept“, sagt Sergej Eledinov. Der Berater und Afrikanist lebt seit 15 Jahren im Senegal und beobachtet die wirtschaftlichen Aktivitäten seiner Landsleute mit Skepsis. Die meisten Vorhaben der russischen Seite seien nur Ankündigungen und Absichtserklärungen, findet er. Russische Unternehmen, die in Afrika Geld verdienen, seien in den letzten Jahren nicht mehr geworden, sondern weniger. Immer mehr Experten wären abgereist, die wenigen Business-Verbindungen würden gekappt, die Investitionen gingen zurück. Es sei wie in diesem sowjetischen Trickfilm, sagt Eledinov und zitiert eine in Russland bekannte Kinderfigur: Es fehle nicht nur an Geld, sondern einfach an Hirn.

Bislang liefert der Kreml vor allem Kriegsgüter

Auch als Einfallstor, Sanktionen zu umgehen, findet der Experte die Region problematisch. In vielen Ländern sei die Infrastruktur schlecht ausgebaut, die Logistik und das Finanzsystem größtenteils von europäischen Institutionen abhängig. Auch gibt es kaum regionale Wirtschaftshubs wie in der Türkei oder Indien, über die Geschäfte laufen könnten.

Tatsächlich sind Russlands bisherige Wirtschaftsaktivitäten in Afrika überschaubar. Geld verdient das Land vor allem mit dem Krieg. Neben den Söldnerservice ist Russland der größte Waffenexporteur der Region. 44 Prozent aller Helme, Panzer und Gewehre kommen von dort, so das Friedensinstitut in Stockholm. Die Warentransfers selbst mit dem engen Partner Ägypten überstiegen im vergangenen Jahr nicht die Grenze von fünf Milliarden Dollar, Waffenlieferungen eingepreist. Zwischen Deutschland und Ägypten betrug das Handelsvolumen im vergangenen Jahr 5,2 Milliarden.

Im neuen Rennen um Afrika scheint Russlands Position dennoch nicht die schlechteste. Im Gegensatz zu westlichen Staaten, ist Moskaus Beziehung zu den Ländern historisch unbelastet. Einen systematischen Kolonialismus wie in Europa um die Jahrhundertwende hat weder das Zarenreich noch die Sowjetunion verfolgt. Vielerorts werden noch heute russische Soldaten eher als Befreier wahrgenommen. Als solche zogen sie wie in Angola in die Unabhängigkeitskriege. Zudem durchliefen zahlreiche afrikanische Eliten die sowjetischen Universitäten, sprechen Russisch und lieben Borschtsch.

Das alles weckt auch heute Erwartungen bei den Menschen und prägt Einstellungen. „In vielen afrikanischen Ländern ist Putin ein furchtloser Führer, der sich dem Westen entgegenstellt und für Ordnung sorgt“, sagt Sergej Eledinov. Das positive Narrativ kultiviert der Kreml zusätzlich über seine Propagandasender Sputnik und RT. In Tiktok-Videos schüttelt der russische Präsident Hände mit afrikanischen Leadern.

Ob das ausreicht, um aus der Sicht des Kremls die wirtschaftlichen und politischen Interessen dauerhaft zu festigen und vielleicht sogar China Konkurrenz zu machen, ist unklar. Für Experte Eledinov scheint Russlands Chance im Moment günstig. Um die zu nutzen, müsste der Kreml allerdings mehr schicken als Waffen und Söldnertruppen.

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