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Saif al-Islam Gaddafis prominentester Sohn gefasst

Der Sohn des früheren libyschen Machthabers Muammar Gaddafi, Saif al-Islam, ist offiziellen Angaben zufolge im Süden des Landes gefasst und festgenommen worden. Er galt einst als Reformer und Hoffnung des Westens.

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Der Gaddafi-Sohn Saif Al-Islam wurde gefasst. Quelle: Reuters

Tripolis/Kairo Nach monatelanger Flucht ist der Gaddafi-Sohn Seif al Islam im Süden des Landes festgenommen worden. Der libysche Kommandeur Baschir al Tlajeb von den Sintan-Brigaden sagte am Samstag bei einer Pressekonferenz, dass der Sohn des getöteten libyschen Ex-Machthabers Muammar al Gaddafi zusammen mit zwei Helfern in Gewahrsam genommen worden sei. Er sei auf dem Weg in den Niger gewesen.

Der amtierende libysche Justizminister Mohammed al Alagi bestätigte die Festnahme, erklärte jedoch, das Ziel des Konvois sei nicht klar. Derzeit werde Seif al Islam in der Ortschaft Sintan festgehalten und demnächst nach Tripolis überstellt. Das libysche Fernsehen veröffentlichte ein Foto, das Seif al Islam in Haft zeigen soll.

In den Straßen von Tripolis feierten viele Menschen die Festnahme mit Freudenschüssen. „Dies ist ein Tag des Sieges, dies ist der Tag der Befreiung, endlich ist der Sohn des Tyrannen gefasst“, sagte der Ingenieur Mohammed Ali auf dem Märtyrer-Platz der Hauptstadt. „Jetzt sind wir frei.“

Ocampo reist nach Libyen

Gegen Seif al Islam liegt ein internationaler Haftbefehl vor. Ein Sprecher des Internationalen Strafgerichtshofs erklärte, derzeit warte das Gericht noch auf einen Beweis, dass Seif al Islam tatsächlich festgenommen worden sei. Er betonte jedoch, Libyen habe nach internationalem Recht die Pflicht, mit dem Strafgerichtshof zu kooperieren.

„Seif muss vor Gericht gestellt werden“, sagte der Chefankläger des Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo. „Ob in Libyen oder in Den Haag, er sollte vor Gericht gestellt werden. Wir müssen das mit den libyschen Behörden koordinieren.“ Ocampo wollte nach Libyen reisen, um das weitere Vorgehen mit der Regierung dort zu besprechen.

Internationale Menschenrechtsgruppen forderten die Libyer auf, im Umfang mit Seif al Islam die Menschenrechte zu respektieren. Marek Marczynski von Amnesty International erklärte, der Gaddafi-Sohn solle so schnell wie möglich dem Strafgerichtshof in Den Haag übergeben werden. Die Opfer hätten ein Recht auf wahre Gerechtigkeit. Sie müssten die Wahrheit erfahren, sagte er.

Informationsminister gegen Auslieferung

Der libysche Informationsminister Mahmud Schammam erklärte, der Übergangsrat habe keine offizielle Position zum Umfang mit Seif al Islam bezogen. Seine persönliche Ansicht sei, dass der Festgenommene in Libyen vor Gericht gestellt werden sollte.


Das „liberale Gesicht“ des Despotenclans

Seif al Islam wurde 1972 geboren und ist das älteste Kind von Muammar und Safija Gaddafi. Saif al-Islam hatte lange Zeit als das liberale Gesicht des Despotenclans gegolten - smart, eloquent, weltmännisch. Nach dem Umsturz in Libyen trat er aber als Scharfmacher ins Rampenlicht. Seine letzten großen Auftritt hatte er Ende August, als er kurz nach der Eroberung von Tripolis durch die Rebellen mitten in der Nacht vor einem internationalen Hotel auftauchte und vor Journalisten den Sieg des Gaddafi-Regimes verkündete. Mit kahl rasiertem Schädel und gestutztem Vollbart wetterte er damals gegen die Oppositionskräfte und die Luftangriffe der Nato.

Die Festnahme des vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten Gaddafi-Sohnes wurde bereits mehrfach verkündet und gefeiert. Die Berichte wurden wenig später jeweils dementiert. Zuletzt war
berichtet worden, dass Seif al Islam mit Tuareg-Nomaden an der Grenze zu Mali unterwegs sei.

Der an der London School of Economics ausgebildete Saif al-Islam galt vor der Revolution gegen seinen Vater als potenzieller Nachfolger. Für viele Regierungschefs war Saif al-Islam - auch wegen seines Einsatzes für Reformen und Pressefreiheit - das akzeptable, dem Westen aufgeschlossene Gesicht Libyens. Der 39-jährige Saif al-Islam krönte seine Ausbildung in London mit einem Doktortitel. Die „New York Times“ beschrieb ihn als „das pro-westliche Gesicht Libyens und Symbol der Hoffnungen auf Reformen und Offenheit“.

Allerdings wurde seine Bemühungen durch die herrschende Elite behindert. Der Aufstand gegen seinen Vater änderte aber seine Einstellung. Saif al-Islam (Schwert des Islam) wolle keinen Reformflügel mehr anführen, sondern habe sich den Hardlinern angeschlossen, schrieb damals eine britische Denkfabrik, die Stiftung Quilliam.
Saif al-Islam war an jahrelangen Verhandlungen mit den USA und Europa beteiligt, an deren Ende Libyen seinen Verzicht auf Atomwaffen erklärte. Im Gegenzug beendete der Westen seinen
Wirtschaftsboykott gegen das ölreiche Land. Dies machte den Weg frei für milliardenschwere Investitionen des Auslands in den libyschen Energiesektor.


Amnesty fordert Prozess ohne Todesstrafe

Saif al-Islam war der letzte der sieben Söhne Gaddafis, dessen genauer Verbleib unklar war. Zwei Söhne flohen nach Algerien, einer ist in Niger. Zwei weitere Söhne starben während
der Kämpfe zwischen Anhängern Gaddafis und Soldaten der Übergangsregierung.

Hassiba Hadj Sahraoui, stellvertretende Direktorin des Nahost- und Nordafrikaprogrammes der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, sagte, Saif al-Islam al-Gaddafi „muss dem Strafgerichtshof ausgehändigt werden“. Zudem müsse seine Sicherheit garantiert werden, damit er „sich für seine mutmaßlichen Verbrechen vor einem fairen Gericht ohne Todesstrafe verantwortenkann“.

Verantwortlich für seine Sicherheit sei die libysche Übergangsregierung, sagte sie und erinnerte an Tod des früheren libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi und seines Sohnes Mutassim
unter ungeklärten Umständen.

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