Anlässlich des EU-Ukraine-Gipfels in Kiew hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein zehntes Paket mit Strafmaßnahmen gegen Russland angekündigt. Spätestens zum 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Angriffs, sollen sie kommen. Ein paar weitere Handelsbeschränkungen sowie Einreise- und Vermögenssperren für Verantwortliche in Russland werden allerdings in Moskau nicht imponieren, wenn nicht endlich auch Sanktionen gegen die russische Atomenergie-Industrie ergriffen werden.
Die Staatsholding Rosatom mit ihren krakenhaften rund 300 Armen kann auch in Europa nach wie vor ungehindert arbeiten und mit dem verdienten Geld die russische Kriegsmaschinerie schmieren. Nicht nur, weil die ungarische Regierung unter Premier Viktor Orban auf den Ausbau des Atomkraftwerks PAKS an der Donau südlich von Budapest mit Hilfe eines umgerechnet 10 Milliarden Euro teuren russischen Kredits und unter der Federführung von Rosatom pocht.
Die Verantwortlichen des deutschen Konzerns Siemens Energy werden sich auf der Hauptversammlung nächste Woche fragen lassen müssen, wie sie es mit der Lieferung der Steuerungssysteme für Meiler made by Rosatom halten. Sie gehören zu den zentralen Sicherheits- und Überwachungseinrichtungen in Atomkraftwerken. Bei PAKS steht die Genehmigung des deutschen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zum großen Ärger der ungarischen Regierung noch aus. Zu anderen möglichen Projekten hält man sich bedeckt. Allerdings betont Siemens Energy selbst, man verfüge als weltweit einziger Anbieter über Referenzen, die eine Qualifizierung nach europäischen Standards erlaubten. Siemens Energy leiste somit mit seiner Leittechnik einen wichtigen Betrag zur Sicherheit von zivilen nuklearen Anlagen.
Der Erlanger Konzern arbeitet mit der französischen Framatome zusammen. Frankreichs Nuklear-Industrie kauft darüber hinaus Brennmaterial bei Rosatom. Offiziell betont man in Paris gern die Bedeutungslosigkeit von russischen Rohuran-Lieferungen. Bedeutender ist der Austausch von abgebrannten Brennstäben aus französischen Kernkraftwerken nach Russland gegen die Rückerstattung angereicherten Urans. Im vergangenen August landete erneut eine Lieferung aus Sankt Petersburg in Dunkerque. Und wer meint, Atomkraftwerke hätten auch in Deutschland wieder eine Zukunft, weil Uran ja auch aus Kasachstan oder Usbekistan bezogen werden könne, der möge einen Blick auf die Verflechtungen von Rosatom in diese Länder werfen – und auf die Transportwege. An Russland und seinen Kriegstreibern führt kaum ein Weg vorbei. Deshalb müssen diese Wege gesperrt werden.
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