Dutzende Menschen stehen vor den Ämtern der Halbinsel Krim, um ihre ukrainische Staatsbürgerschaft gegen die russische zu tauschen. Am Wochenende hatte die Bevölkerung mehrheitlich für einen Anschluss der Krim an Russland gestimmt. Nicht nur ethnische Russen, sondern auch viele ukrainischstämmige Bürger befürworteten die Angliederung. Nach dem Votum hatte Russland seine Militärpräsenz auf der Halbinsel verstärkt. Am Mittwoch übernahmen russische Truppen zwei ukrainische Militärbasen und verschärften damit die Krise.
Für viele Krim-Bewohner ist die Lage klar: "Es ist vorbei. Sie haben das Land zerrissen. Wir müssen darüber nicht mehr nachdenken", sagt Irina, eine Bewohnerin des kleinen Orts Perewalnoje. "Kiew hat uns bereits im Stich gelassen, es gibt keinen Platz für uns in der Ukraine." Dieses Gefühl teilen viele Menschen in Perewalnoje. Die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen, erscheint ihnen alternativlos. Für 200 Rubel (vier Euro) erhalten sie die neuen Ausweise, die garantieren sollen, auf der Krim bleiben zu können. Nach der Antragstellung dauert es den zuständigen Behörden zufolge vier bis sechs Wochen, bis die Pässe abgeholt werden können. Zuerst erhalten Militärangehörige, Polizisten und andere Staatsbedienstete die russische Staatsbürgerschaft.
Experten aus Kiew schätzen, dass zwischen 8000 und 10.000 ukrainische Soldaten auf der Krim im Einsatz sind. Einige wollen sich der russischen Herrschaft unterstellen. Sergej etwa dient seit mehr als 20 Jahren in der ukrainischen Armee. Jetzt will er zu den russischen Truppen wechseln: "Die Ukraine sagt uns nur, dass wir durchhalten sollen. Mehr nicht. Ich habe in der letzten Zeit öfter mit russischen Offizieren gesprochen als mit meinen eigenen Befehlshabern." Gegner der Annexion wollen ihre ukrainische Staatsbürgerschaft hingegen behalten. Während einige planen, trotzdem auf der Krim zu bleiben, sehen viele die Flucht aus der Heimat als einzige Möglichkeit. "Ich verschwinde von hier, sobald das Auto bereit ist", sagt ein Soldat in Perewalnoje. "Ich gehe in die Ukraine. Ich werde nicht darauf warten, dass die Russen meine Familie vertreiben."
Angesichts verschärfter Sanktionen des Westens gegen Russland hat sich Öl am Freitag verteuert. Der Brentpreis kletterte um 0,5 Prozent auf 107,10 Dollar je Fass. Öl der US-Sorte WTI wurde mit 99,29 Dollar je Barrel 0,4 Prozent höher gehandelt. Anleger fürchteten, dass sich die Sanktionen des Westens früher oder später auch gezielt gegen den Energiesektor richten könnten - Russland ist der weltweit zweitgrößte Öl-Exporteur.
Erste Auswirkungen der Sanktionen
US-Präsident Barack Obama hatte am Donnerstag den Weg frei gemacht für Sanktionen gegen Kernbereiche der russischen Wirtschaft und kündigte weitere Visasperren gegen prominente Russen an. Ins Visier nahmen die USA 20 der engsten Verbündeten von Präsident Wladimir Putin aus Politik und Wirtschaft. Darunter befand sich auch der Milliardär Gennadi Timtschenko, der deswegen seinen fast 50-prozentigen Anteil an dem von ihm mitgegründeten Ölhandels-Konzern Gunvor verkaufte. "Die Unsicherheit ist definitiv zurück", sagte Abhishek Deshpande von Natixis. "Die USA hat deutlich gemacht, dass sie gewillt ist, die Sanktionen gegen Putins inneren Zirkel zu verstärken." Damit könnten auch dem Energiesektor Sanktionen drohen.
Die Bundesregierung setzte alle für diesen und den kommenden Monat geplanten gemeinsamen militärischen Kooperationen mit Russland aus. Alle weiteren geplanten gemeinsamen militärischen Vorhaben stehen nach Angaben des Verteidigungsministeriums unter Vorbehalt. Das Wirtschaftsministerium kündigte an, es würden derzeit keine Rüstungs-Exporte nach Russland genehmigt.
Russlands Finanzminister Anton Siluanow erklärte, die westlichen Sanktionen könnten die Kosten für Anleihen in die Höhe treiben. Er stellte in Aussicht, dass Russland die in diesem Jahr im Ausland geplante Kreditaufnahme stoppt und die Kreditaufnahme im Inland reduziert. Am Freitagmorgen hatte die von den USA mit Sanktionen belegte russische Bank Rossija erklärt, dass sie ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzt. Allen Verpflichtungen gegenüber Kunden und Partnern werde nachgekommen. Visa und Mastercard stellten ihre Zahlungstransaktionen für Kunden der Bank kurz darauf ein. Ein Sprecher Putins kündigte an, auf die US-Sanktionen werde ebenbürtig reagiert werden. Putin ließ sein Gehalt demonstrativ auf die Bank Rossija einzahlen. Er werde gleich am Montag bei dem Institut ein Konto eröffnen, kündigte Putin am Freitag in Moskau an.
Die USA sehen in dem Geldhaus, das engen Freunden des Präsidenten gehören soll, die persönliche Bank ranghoher Beamter. Präsidialamtschef Sergej Iwanow schloss sich dem Vorhaben an. Putin ordnete zudem an, die Zentralbank solle Rossija unterstützen.
Mit Stolz reagierten Mitglieder der Schwarzen Liste auf die Zwangsmaßnahmen der USA wie Einreiseverbote und Kontensperrungen. Er sei wegen seiner „ehrlichen Position“ auf die Sanktionsliste geraten, beteuerte der Chef der Staatsbahn RZD, Wladimir Jakunin. Es sei bedauerlich, dass sein Standpunkt Anlass sei für ein Einreiseverbot in ein Land, „das sich demokratisch nennt“.
Der Korruptionsjäger Alexej Nawalny wirft Jakunin vor, dank der Nähe zu Putin hervorragende Geschäfte zu machen. Das gelte auch für die Milliardäre Gennadi Timtschenko und Arkadi Rotenberg. Diese rühmten sich mit den angekündigten Strafmaßnahmen. Die Unternehmer sähen darin „eine Anerkennung ihrer Verdienste um den russischen Staat“, berichteten Moskauer Medien.