Saudi-Arabien wirbt in Hamburg Der saudische Wirtschaftsfrühling

Saudi-Arabien präsentiert dem deutschen Mittelstand: In Hamburg wirbt das Land für sich als Top-Standort für die Modernisierung. Ex-Bundespräsident Christian Wulff will zwischen den Kulturen vermitteln.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Kingdom Centre Tower in Riad steht für das moderne Saudi-Arabien. Quelle: Reuters

Hamburg Lina AlMaeenas Geschichte könnte so oder so ähnlich fast überall auf der Welt ablaufen: Die Uni-Absolventin findet nach der Geburt ihrer ersten Tochter keinen Kitaplatz. Also entscheidet sie sich, von zu Hause aus ein Unternehmen zu gründen: einen Sportclub für Frauen. Zehn Jahre später hat sie über 500 Freizeitsportlerinnen in der Kartei, verkauft eine eigene kleine Sportmode-Kollektion und macht über eine halbe Million Dollar Umsatz. Was die Geschichte überraschend macht: Die Unternehmerin trägt ein locker über die Haare geworfenes Kopftuch, denn sie kommt aus Saudi-Arabien – ein Land, in dem sich Frauen noch vor wenigen Jahren kaum sportlich betätigen durften.

Das Erdöl-Land wirbt am heutigen Donnerstag in Hamburg auf einem Wirtschaftsforum für seinen neuen Kurs – gemeinsam mit dem Euro-Mediterran-Arabischen Länderverein (EMA). Schließlich hat sich das Land eine „Vision 2030“ verordnet. Damit will es seine Wirtschaft unabhängiger vom Erdöl machen, den Mittelstand und Frauen stärken – und Investoren auch aus Deutschland locken.

Die Geschichte von AlMaeena passt gut ins Bild. „Eine Vision ohne einen Aktionsplan ist ein Tagtraum. Aber ein Aktionsplan ohne eine Vision ist ein Alptraum“, sagte sie bei dem Wirtschaftsforum im noblen Vier-Jahreszeiten-Hotel. Ihre Botschaft: Nicht nur die eigene unternehmerische Vision geht auf, sondern auch diejenige des Landes. Als Mittelständlerin könne sie gut etwa mit dem Gesundheitsministerium zusammenarbeiten, Bürokratie hemme die Wirtschaft kaum noch. Ihr hilft, dass sogar die Förderung des Breitensportprogramms Teil der Vision 2030 ist.

Hinter dem Hamburger Wirtschaftsforum steht auch Christian Wulff. Der ehemalige Bundespräsident ist seit 2014 Präsident des Hamburger Vereins EMA. „Ich glaube, dass man durch zwischenmenschliche Kontakte Konflikte aufbrechen kann“, sagte er dem Handelsblatt. So könne ein Austausch Wandel in der arabischen Welt befördern – und Verständnis in Deutschland erzeugen.

Wulff sieht sich dabei auch als Türöffner für den Mittelstand – etwa bei Delegationsreisen. „Die großen Konzerne wissen sich dagegen in der Region selbst zu helfen“, sagte er. Wulff, der in Hamburg eine Anwaltskanzlei hat, reist inzwischen etwa dreimal im Jahr in die Region. „Mein Steckenpferd ist Tunesien“, sagte er. Er hoffe, dass sich die junge Demokratie zu einem Vorbild für andere Staaten in der Region entwickeln könne. Zugleich mache auch Saudi-Arabien Hoffnung – schließlich reformiere die Regierung die Bildung und bereite so Mittelstand und Frauen neue Chancen.


„Wir haben auch die Todesstrafe in den USA“

Tatsächlich wächst die saudische Wirtschaft. 2015 stieg das Bruttoinlandsprodukt, eine Maßzahl für die Wirtschaftskraft, um 3,4 Prozent auf 632 Milliarden Dollar. Doch schon 2016 soll sich das Wachstum halbieren – auch wegen des niedrigen Ölpreises. Trotz eines guten Ausbildungsstands ist über ein Drittel der jungen Leute arbeitslos. Unter Uni-Absolventinnen findet sogar nur jede fünfte in kurzer Zeit eine Beschäftigung. Das will die Regierung mit ihrem Aktionsprogramm ändern. „Deutschland hat viel anzubieten bei der Diversifizierung der Wirtschaft“, warb Oliver Delms von der Auslandshandelskammer. Gerade bei Logistik und im Gesundheitswesen habe Deutschland Know-how anzubieten.

Dass Deutschland gefragt ist, zeigt auch die Person des neuen Botschafters in Berlin. Awwad S. Alawwad ist ein ausgewiesener Wirtschaftsexperte: Nach einem Studium in den USA war er Vize-Chef der saudischen Investment-Behörde und rief dabei das Ziel aus, das Land unter die zehn attraktivsten Investment-Standorte zu bringen.

Der eloquente Diplomat gilt als guter Werber für sein Land. „Sie haben mit einem Auftritt im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit des Bundetags das Bild von Ihrem Land zurechtgerückt. Das war eine wirklich gute Performance“, lobte ihn der CDU/CSU-Obmann im Ausschuss, Jürgen Klimke, in seinem Grußwort. Saudi-Arabien sei ein Stabilitätsanker in der Region. Zwar gebe es unterschiedliche Auffassungen bei Themen wie dem islamischen Scharia-Recht und der Todesstrafe. Klimke relativierte jedoch: „Aber wir haben auch die Todesstrafe in den USA. Das muss man auch immer wieder sagen.“

Einigkeit gab es jedenfalls bei der Einschätzung, dass sich die Investment-Bedingungen tatsächlich deutlich gebessert hätten. Arthur D. Little-Berater Jaap Kalkman machte das besonders plastisch: Noch vor wenigen Jahren sei in den Ministerien in Riad zwischen 14 und 15 Uhr Feierabend gewesen. „Heute arbeiten wir häufiger bis nach Mitternacht mit den Beamten – und den meisten macht das Spaß, weil sie endlich etwas bewegen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%