Schärfere Kontrollen Amerikas Waffenproblem könnte Chance für Trump sein

Der voraussichtliche Präsidentschaftskandidat Donald Trump will die NRA zu schärferen Waffenkontrollen überreden. Im Senat bringen Demokraten einen Entwurf dazu ein. Nach Orlando ist nichts mehr, wie es war.

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„Ich werde mit der NSA reden“, sagte Trump via den Kurznachrichtendienst Twitter. Ist die Verbindung der Waffenlobby zu Trump eine Chance für schärfere Waffengesetze in den USA? Quelle: Reuters

Ted Cruz setzte das besorgteste Gesicht auf, zu dem er wahrscheinlich fähig ist. Das sei nicht mehr als eine „politische Show“ gewesen, erklärte er gegenüber Journalisten und versuchte so am Donnerstag, eine großangelegte Kampagne der demokratischen Senatoren in Washington lächerlich zu machen.

Senator Chris Murphy hatte über 14 Stunden mit Dauerreden den Senat blockiert und so Abstimmungen zu Allerweltsgesetzen verhindert. „Filibuster“ wird das in den USA genannt. Das Ziel: Eine Abstimmung über verschärfte Waffengesetze erzwingen.

„Wir können so nicht mehr weitermachen“, sagt Senator Murphy. Man könne den Menschen nicht in die Augen schauen und sagen, seit Sandy Hook haben wir nichts getan. 2012 tötete ein 20-jähriger Amokläufer in einer Grundschule 20 Kinder und sechs Erwachsene.

Und das Unglaubliche geschah. Die republikanische Senatsmehrheit stimmte unter dem ungeheuren Druck der Ereignisse von Florida zu, zumindest eine Abstimmung nicht mehr zu verhindern, so wie seit Jahrzehnten. In Orlando hatte ein Amokläufer am Wochenende 49 Menschen getötet und 53 Menschen teilweise schwer verletzt.

Ted Cruz, der im Vorwahlkampf gegen Donald Trump hoffnungslos untergegangen war, versuchte den Vorgang noch einmal mit der bewährten Terrorkarte abzuwürgen: Orlando sei ein „Terrorproblem, kein Waffenproblem“, wandte er ein. Das sei nicht die „Zeit, um gesetzestreuen Bürgern die Waffen aus der Hand zu reißen“. Doch da war er wieder einmal längst von Donald Trump ausgebremst worden.

„Ich werde mit der NSA reden“, hatte der getwittert. Er wolle mit der mächtigen Waffenlobby über bestimmte Verschärfung verhandeln. Und es gab, zur Verwunderung von Cruz und Senator Marco Rubio aus Florida, der ebenfalls kompromisslos die Seite der Waffenlobby ergriffen hatte, keinen Aufschrei der Parteibasis auf den sozialen Netzwerken.

Sogar Ladd Everett von der liberalen Koalition für Waffenkontrollen war fassungslos. „Der Tweet von Trump ist nicht weniger als absolut bemerkenswert“, zeigte er sich auf dem Sender MSNBC beeindruckt.

Hat Trump mal wieder als einziger Republikaner erkannt, wie die Basis wirklich denkt? Das Massaker von Orlando war eine gigantische Zäsur in der US-Innenpolitik. Immer mehr unglaubliche Fakten kommen ans Licht. Der Täter war mehrfach wegen Terrorverdachts überprüft worden und konnte trotzdem ungehindert schwere Waffen wie das halbautomatische Schnellfeuergewehr AR-15 kaufen.

Es ist die Lieblingswaffe amerikanischer Massenmörder. Nur mit seiner Feuergeschwindigkeit sind viele Tote in kürzester Zeit möglich. Rund acht Millionen dieser Kriegswaffen sind in Privathänden in Umlauf. Die Zahl der Vorbestellungen ist seit dem Massaker stark angestiegen. Die Angst geht um – die Angst, der Verkauf könnte eingeschränkt werden.

Die demokratischen Senatoren wissen aber, dass sie den Bogen jetzt nicht überspannen dürfen. Ein Verbot von Kriegswaffen steht nicht auf dem Plan. Zwei Kernpunkte sollen in der Abstimmung kommenden Montag zur Sprache kommen. „No fly, no buy“ ist der eine: Eine Initiative der Senatorin Diane Feinstein will erreichen, dass niemand, der wegen Terrorverdachts in den USA kein Flugzeug besteigen darf, weiterhin Waffen kaufen kann. Das Problem: Jedermann kann ohne Gerichtsverfahren auf diese umstrittene Liste gesetzt werden. Auch Demokraten sehen das kritisch.

Daneben soll ein Schlupfloch geschlossen werden, das die Waffenlobby bislang mit Zähnen und Klauen verteidigte: Bei privaten Waffenverkäufen und Online-Geschäften ist in vielen Staaten keine Hintergrundprüfung des Käufers nötig, so wie sie in Waffengeschäften zwingend vorgeschrieben ist. Wer psychische Probleme oder Vorstrafen wegen Gewaltverbrechen hat, versucht bevorzugt so an eine Waffe zu kommen.


Worte ohne Taten?

Doch politische Beobachter rechnen mit einer Pattsituation, wenn am Montag abgestimmt wird. Den demokratischen Vorlagen werden zwei der republikanischen Seite gegenüberstehen und jede Seite werde, wie so oft, die der Gegenseite ablehnen, wird befürchtet.

Trumps scheinbarer Bruch mit der republikanischen Parteilinie und der Alleingang in Sachen Waffenlobby ruft entsprechend bei Politikern der Gegenseite bislang nur ungläubiges Staunen hervor. „Trump“, so der demokratische Senator Chuck Schumer am Donnerstag, „so wie alle Republikaner, redet viel, wenn der Tag lang ist. Aber dann folgen nie Taten.“

Doch der 69-Jährige Immobilienmilliardär könnte diesmal ernst machen, weil es ihm den entscheidenden Vorteil gegenüber der Parteielite in Washington liefern könnte. Die Fronten zwischen der Partei und dem Wahlkampfteam Trumps verhärten sich immer mehr. Am Mittwoch hatte Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung die Parteispitze wie kleine Kinder aussehen lassen und gesagt, sie sollten am besten „einfach still sein“ und ihn machen lassen.

Schafft er jetzt eigenhändig den Durchbruch bei den Gesprächen mit der NRA, die ihn offiziell unterstützt, ist er der Held und Cruz, Rubio und andere Parteigrößen wie Paul Ryan stehen bedröppelt im Regen. Eine von der NRA getragene Lösung hätte Chancen, schnell realisiert zu werden und würde Trump für Mittelstandswähler attraktiver machen.

Derweil hat der Sender MSNBC die Familie des 1997 verstorbenen Waffendesigners Eugene Morrison Stoner, Vater des AR 15, ausfindig gemacht und zu den Ereignissen befragt. Er würde sich „im Grabe herumdrehen“, so die Angehörigen, wenn er wüsste, wozu die Waffe missbraucht werde. Es sei „niemals für Privatleute vorgesehen gewesen“.

Das Gewehr war für das Militär geschaffen worden, um der russischen AK 47 etwas entgegenzusetzen. Als M16 wurde es in der US-Armee eingeführt. Stoner selbst, so die Angehörigen gegenüber dem Sender, habe auch niemals ein AR 15 gekauft oder besessen.

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