Schiffsdaten ausgewertet Diese Karte zeigt, wo die Nord-Stream-Pipelines beschädigt sind

Eines der drei Gaslecks, aufgenommen aus einem F16-Kampfjet der dänischen Streitkräfte. Quelle: Forsvaret

Dänische und deutsche Behörden suchen fieberhaft nach der Ursache für die Lecks in den Nord-Stream-Leitungen. Derweil zeigen Schifffahrtsdaten, wo die Defekte entstanden sind – und dass sich ein schwedisches Kriegsschiff zuletzt lange in der Gegend aufhielt.

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Inzwischen gibt es vier Defekte, die in nur kurzer Zeit an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entstanden sind. Der letzte wurde am Donnerstagmorgen vom schwedischen Militär gemeldet. Am Dienstag waren bereits drei Stellen betroffen, hatte die Nord Stream AG mitgeteilt. Am Montag hatte die dänische Schifffahrtsbehörde zwei Lecks an der Gaspipeline Nord Stream 1 gemeldet, nachdem sie ein ungewöhnlich starker Druckabfall festgestellt wurde. Die Schäden an den Leitungen liegen in schwedischem und dänischem Hoheitsgebiet. Wann und ob das System ohne weiteres wieder funktionieren wird, ist noch unklar. Mehrere Länder halten Sabotage für wahrscheinlich. Europäische Sicherheitsbehörden sind derzeit fieberhaft bemüht, für Klarheit zu sorgen. 

Laut Ulrich Lissek, Sprecher von Nord Stream 2, sind die Leitungen so verlegt, dass eine gleichzeitige Beschädigung mehrerer Rohre etwa durch einen einzelnen Schiffsunfall höchst unwahrscheinlich ist. Das berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Zur Frage, ob ihm ähnliche Vorfälle im Zusammenhang mit Offshore-Pipelines bekannt seien, sagte Lissek: „Hab' ich nie gehört.“ Auch ein Experte für Unterwasserroboter verwies im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auf die extrem hohen Sicherheitsstandards und die sehr robuste Bauweise der Leitungen. Aus seiner Sicht komme nur eine bewusste Manipulation in Frage.

Hier befinden sich die Defekte

Die Lecks wurden nordöstlich sowie südöstlich der dänischen Insel Bornholm festgestellt. Dänemark hat sie inzwischen offenbar mit virtuellen Leuchtfeuern in den digitalen Seekarten markiert. Das zeigen Daten des Seefahrtüberwachungsportals MarineTraffic.


Die Markierungen, die mit den Worten „Gas“ und „isolierte Gefahr“ beschriftet sind, sollen dafür sorgen, dass Schiffe Abstand halten. Das erste virtuelle Leuchtfeuer tauchte am Montag um etwa 14 Uhr südöstlich der dänischen Insel Bornholm auf. Zwei weitere am selben Tag gegen 21 Uhr nordöstlich der Insel. Das vierte erschien dann am Donnerstagnachmittag. Bei den nordöstlichen Markierungen soll es sich Medienberichten zufolge vor allem um Lecks in Nord Stream 1 handeln, bei der südöstlichen um die Pipeline Nord Stream 2.

Videoaufnahmen der dänischen Marine zeigen, wie das Erdgas nun in großen Mengen an die Oberfläche sprudelt. Ein Nord-Stream-1-Sprecher sagte der WirtschaftsWoche auf Anfrage, man habe die Lecks den dänischen Behörden gemeldet und dass diese die Positionen in ihren Karten markiert hätten. Über eine Ursache wollte er nicht spekulieren.

Spekulationen über Sabotage

Mehrere Länder halten einen Sabotageakt für inzwischen für wahrscheinlich. Es sei schwer zu glauben, dass es sich hier um Zufälle handele, sagte Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen Anfang der Woche. Aber es sei zu früh, irgendwelche Schlüsse zu ziehen, so Frederiksen gegenüber dem Sender DR. Marcin Przydacz, ein Stellvertreter des polnischen Außenministers Zbigniew Rau, sagte wiederum zu einer möglicherweise russischen „Provokation“: „Ich kann kein Szenario ausschließen.“ Schließlich befinde man sich in einer Situation „hoher internationaler Spannungen“. Das östliche Nachbarland verfolge „leider ständig eine aggressive Politik.“ Die Europäische Kommission zeigte sich zurückhaltender. Es sei jetzt nicht der Moment für Spekulationen. Die betroffenen EU-Staaten bemühten sich um Aufklärung, die europäische Energiesicherheit sei nicht in Gefahr, so die Kommission. 

Nord-Stream-Lecks

Schifffahrtsdaten der Tage vor dem Vorfall zeigen jede Menge Schiffe, die an den Stellen, wo jetzt die Leuchtfeuer stehen und wo sich die Lecks befinden dürften, vorbeigefahren sind. Besonders nah sind den Nord-Stream-1-Lecks zwei langsam fahrende deutsche Frachtschiffe gekommen: die „Schillplate“ und die „Suntis“. Ein schwedisches Kriegsschiff kreuzte laut MarineTraffic am 22. und 23. September mehrfach und langsam fahrend in der Gegend, sendete zwischendurch keine Transpondersignale. Die Lecks in Nord Stream 1 liegen in der schwedischen Wirtschaftszone.

Der Stelle, an der jetzt die Nord-Stream-2-Pipeline leckt, näherte sich unter anderem langsam fahrend das polnische Fischerboot „Koll 211“. Ableitungen lassen sich daraus allerdings nicht ziehen.

Russland zeigt sich besorgt

Auch Russland reagierte besorgt. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte die Gaslecks „sehr alarmierend“. Eine „dringende Untersuchung“ sei notwendig. „Wir sind extrem besorgt von diesen Nachrichten“, sagte er im Gespräch mit Journalisten.

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Auf die Möglichkeit eines Sabotageakts angesprochen, erklärte er, dass keine Option ausgeschlossen werden könne. Die Entwicklung betreffe „die Energiesicherheit des gesamten Kontinents“.

Dieser Artikel erschien erstmals am 27.09.2022 wurde am 29.09.2022 aktualisiert und um die neue Karte ergänzt.

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