
Die alte Ordnung ist auf den Kopf gestellt, und am besten bringt Surin Pitsuwan, Generalsekretär der Vereinigung Südostasiatischer Staaten (Asean), den Paradigmenwechsel auf den Punkt.
"Bei der Asienkrise vor 13 Jahren habt ihr uns eine bittere Medizin verschrieben", sagt Surin an den Westen gerichtet, "wir mussten die Zinsen erhöhen und angeschlagene Banken untergehen lassen. So wollte es der Internationale Währungsfonds."
Heute, da der Euro-Raum von schweren Finanzturbulenzen erschüttert werde, täten die verantwortlichen Politiker in Europa das genaue Gegenteil: Die Zinsen blieben niedrig, Wackelkandidaten werde mit großzügigen Hilfspaketen aus der Patsche geholfen. Neben Surin sitzt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und blickt betreten zu Boden.
In Asien macht sich ein neues Selbstbewusstsein breit
Offen räumt Surin ein, dass es die Asiaten mit Stolz erfülle im Vergleich zum Westen so stark dazustehen wie heute.
Der Ferne Osten dürfte die einzige Region der Welt sein, die in diesem Jahr ein nennenswertes Wirtschaftswachstum verzeichnet. Belehrungen aus dem Westen verbittet man sich deshalb inzwischen – im Gegenteil: Asiens Politiker halten Ratschläge für das angeschlagene Europa bereit.
Das Unterstützungspaket der Europäischen Union und des IWF vom vergangenen Montag sei zwar "ganz ordentlich", sagt der Philippiner Roberto Romulo, Gründungsvorstand des Business Advisory Council der Apec, die Probleme löse es aber nicht. "Es muss noch viel mehr getan werden", sagt Romulo, "vor allem braucht Europa eine bessere Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik."
Etwas ratlos blickt der Philippiner in Brüderles Richtung: "Europa war immer ein Vorbild für uns, wenn es um die Integration in Asien geht." Das dürfte vorbei sein.
Jetzt diktiert Asien die Bedingungen
Die wichtigste Lehre aus der Euro-Krise, betont Surin in Singapur immer wieder sei, bei der Integration nicht zu schnell vorzugehen. "Wir gehen behutsam vor, denn wir wissen, dass die Unterschiede bei der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Asean-Staaten groß sind."
Dass die Unterschiede etwa zwischen Griechenland und Deutschland groß sind, wussten die Europäer bei der Euro-Einführung auch. Doch die Politik redete die Probleme klein.
Mit der asiatischen Bescheidenheit gegenüber dem Westen, so scheint es, dürfte es mit der jetzigen Euro-Krise ein Ende haben. "Wir sollten nicht mehr zu bescheiden sein", sagt Romulo, "denn wir haben viel erreicht."
Seit Jahren etwa kämpft Siemens um den Auftrag, für die geplante U-Bahn im vietnamesischen Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon. Doch die vietnamesischen Behörden zögern, denn auch die Japaner wollen den Auftrag. Wenn allerdings die Deutschen ihre nächste Asien-Pazifik-Konferenz in Vietnam veranstalten, heißt es nun in der vietnamesischen Regierung, gebe man Siemens den Zuschlag.
Solche Aufträge dürften für das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft in Zukunft immer wichtiger werden – und die Deutschen können hoffen. „Wir haben dank der bitteren Medizin, die ihr uns bei der Asienkrise verschrieben habt, viel erreicht“, sagt Surin. Man werde Europa nun helfen, die Krise zu überwinden.