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Schuldenkrise IWF kritisiert Athens langsames Reformtempo

Der Internationale Währungsfonds ist unzufrieden mit Griechenlands Kampf gegen die horrenden Staatsschulden. Das bisherige Reformtempo der Regierung reiche nicht aus, heißt es in einem Bericht der Behörde.

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Die Behörde von Christine Lagarde sieht die Zukunft Griechenlands kritisch. Quelle: dapd

Washington Griechenland stemmt sich weiter mit Macht gegen die drohende Staatspleite. Während in Athen um den freiwilligen Schuldenschnitt der größten Gläubiger gerungen wird, sehen internationale Experten bei den bisherigen Reformfortschritte schwarz.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert das langsame Reformtempo in Griechenland. Zwar habe das Land im Kampf gegen die Schulden erste Erfolge erzielt, doch angesichts schlechter Wachstumsprognosen gebe es nach wie vor erhebliche Risiken. Der IWF begrüßte die Bildung der neuen Regierung in Athen. Doch zugleich warnte er: Das Reformprogramm „ist klar in eine schwierige Phase eingetreten.“ Die Wachstumsaussichten hätten sich verschlechtert und erschwerten Reformen, meinte die Europaabteilung des IWF in ihrer neuen Einschätzung. Neusten Schätzungen zufolge schrumpfe die griechische Wirtschaft dieses Jahr um 5,5 bis sechs Prozent sowie zwischen 2,75 und drei Prozent im nächsten Jahr.

„Das Wachstum dürfte für einen längeren Zeitraum unter dem Durchschnitt der Zeit vor der Krise verharren“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Der IWF, neben den Euro-Partnern bislang der wichtigste internationale Geldgeber des pleitebedrohten Landes, stößt damit ins gleiche Horn, wie die Industriestaaten-Organisation OECD.

Die hatte in der vorigen Woche ein vernichtendes Urteil über die Reformfähigkeit des griechischen Staatsapparates abgegeben. Die OECD hatte alle 14 Ministerien
untersucht. In einer Studie rügte sie dann, es gebe weder eine Vision über das Reformziel noch eine Kontrolle für die Umsetzung, kaum Kommunikation innerhalb der Behörden und ein kompliziertes administratives Beziehungsgeflecht ohne jegliche Koordination.

Mit deutlicher Skepsis beurteilt der IWF das Tempo der Reformen. Die Umsetzung der Reformen habe sich über den Sommer deutlich verlangsamt. Nicht zuletzt beim entscheidenden Kampf gegen Steuerhinterziehung gehe es weiterhin nur schleppend voran.

Zwar würden auch externe Probleme das Reformprogramm belasten, wie etwa die Zurückhaltung von Investoren nicht zuletzt angesichts der Krise auch in anderen Euro-Staaten. „Aber der entscheidende Faktor war das langsame Tempo der strukturellen Reformen in diesem Jahr.“ Zwar gebe es bereits Fortschritte, räumte der IWF ein, der ebenfalls im Kampf gegen die Euro-Krise beteiligt ist. So sei das Haushaltsdefizit trotz des Wachstumsrückgang um fünf Prozent gesenkt worden. Doch wenn es auf diesem Wege weitergehen soll, „wird ein stärkeres Management der weitreichenden und komplexen Reformen benötigt“.

Ausdrücklich betont der IWF die Notwendigkeit, dass Athen den Kampf gegen die grassierende Steuerhinterziehung entschlossen aufnimmt. Andernfalls werde es keine finanzielle Konsolidierung geben. Scharfe Einschnitte seien auch im staatlichen Sektor notwendig. Dazu gehöre die Schließung unproduktiver Staatsbetriebe, Verringerung der großen Zahl öffentlich Bediensteter sowie Anpassung großzügiger Staatsbezüge und staatlicher Renten.

Auch nach dem jüngsten EU-Gipfel zur Euro-Rettung halten die großen Banken und Versicherer derweil einem Handelsblatt-Bericht zufolge an dem freiwilligen 50-prozentigen Schuldenschnitt fest. Die Zeitung beruft sich auf eine Umfrage. Der Weltbankenverband IIF befinde sich derzeit in letzten Gesprächen, um die Details festzulegen, hieß es unter Berufung auf Finanzkreise weiter. Das solle bis Freitag dieser Woche geschehen. Beide Seiten haben sich aber noch nicht endgültig einigen können, wie es aus Kreisen des Finanzministeriums hieß.


10,5 Milliarden Euro der EU für Infrastruktur

Knackpunkt sei die Frage, zu welchem Satz die nach dem 50-prozentigen Verzicht verbleibenden Schulden verzinst werden sollen. Athen habe 4,5 Prozent vorgeschlagen, die Banken hätten zunächst 8 Prozent gefordert und seien danach auf 6 Prozent zurückgegangen. Die Gespräche wurden vertagt. Es wird davon ausgegangen, dass eine endgültige Einigung erst Ende Januar zu erwarten sei.

Das Schuldenschnittprogramm gilt kurzfristig als der Grundstein für die Rettung des Landes vorm Staatsbankrott. Um die marode Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, setzt Athen auch auf Hilfe der EU. Der zuständige EU-Kommissar für Regionalpolitik, Johannes Hahn, und der Chef der EU-Task-Force für Griechenland, Horst Reichenbach, erörterten in Athen entsprechende Möglichkeiten. „Das Erste, was gemacht werden muss, ist, diese Sparmaßnahmen mit den EU-Bemühungen zu kombinieren, um die griechische Wirtschaft zu stützen“, sagte der Finanzminister Venizelos nach dem Treffen im griechischen Fernsehen.

Die EU-Vertreter haben nach griechischen Medienberichten ein Investitionsprogramm für 125 000 Arbeitsplätze ausgearbeitet. Es gehe um 10,5 Milliarden Euro aus EU-Geldern, die für den Ausbau der Infrastruktur ausgegeben werden sollen. Das Programm soll ständig von EU-Mitarbeitern verfolgt und geprüft werden. Task-Force-Chef Reichenbach stellte jedoch einige Verspätungen bei geplanten Privatisierungen im Lande fest.

Hilfe für die griechische Wirtschaft soll auch aus Deutschland kommen: Bei dem Aufbau einer Förderbank wollen die Staatsbank KfW und die Europäische Investitionsbank (EIB) dem Euro-Sorgenkind unter die Arme greifen. Ziel sei es, der Wirtschaft wieder Investitionen zu ermöglichen, solange das Land nicht am Finanzmarkt tätig sein könne, erklärte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nach einem Treffen mit seinem griechischen Amtskollegen Michalis
Chrysochoidis in Berlin. Gespräche mit den Instituten über einen Zeitplan zum Aufbau der Förderbank seien am 21. Dezember geplant, sagte Chrysochoidis.

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