Schuldenkrise Spaniens Regionen am Rande des Bankrotts

Spanien wird von der Schuldenkrise geschüttelt, musste um EU-Hilfen zur Bankensanierung bitten und steht auf den Anleihemärkten unter Druck. Nun muss Madrid auch noch als „Retter“ für überschuldete Regionen einspringen.

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Barcelona, der Hauptstadt der autonomen Region Kataloniens. Quelle: dpa

Madrid Die Entscheidung dürfte den Katalanen denkbar schwer gefallen sein. Ausgerechnet ihre auf Eigenständigkeit bedachte Region musste die spanische Zentralregierung um finanzielle Hilfe bitten. Der katalanische Regierungssprecher Francesc Homs konnte die Peinlichkeit des Gesuchs nur mit Mühe überspielen. „Wir bitten um etwas, das uns zusteht“, sagte er trotzig. „Wir müssen uns für die Hilfe nicht bedanken und keine Bedingungen akzeptieren.“

Katalonien ist die wirtschaftsstärkste Region in Spanien. Die Wirtschaftskraft entspricht der von Portugal, das die EU um Hilfe bitten musste. Katalonien sucht nicht in Brüssel, sondern in Madrid unter einem Rettungsschirm Zuflucht. Die Kassen der Regionalregierung in Barcelona sind leer. Im Juli konnte Katalonien einigen Bildungsinstituten und Krankenhäusern die zugesagten Subventionen nicht zahlen. Bis zum Jahresende werden mehrere Milliardenkredite fällig, und da die Banken keine weiteren Darlehen zu bezahlbaren Zinsen gewähren, bittet die Region Madrid um eine Hilfe von fünf Milliarden Euro.

Dies bringt Spanien in eine paradoxe Situation. Das Land muss als „Retter“ für seine von der Pleite bedrohten Regionen einspringen, obwohl es selbst auf Hilfen der EU angewiesen ist. Madrid erhält von den EU-Partnern bis zu 100 Milliarden Euro, weil es die Sanierung maroder Banken nicht aus eigener Kraft schultern kann, und es erwägt ein mögliches zweites Hilfegesuch.

Für seine hoch verschuldeten Regionen hat Spanien die Schaffung eines nationalen Rettungsfonds (FLA) beschlossen, der ähnlich funktionieren soll wie der Rettungsschirm der EU: Die Regionen, die Kredithilfen aus dem Fonds in Anspruch nehmen, müssen sich zu Sparprogrammen verpflichten und sich einer Überwachung des Madrider Finanzministeriums unterziehen.

Neben Katalonien kündigten auch Valencia (3,5 Milliarden Euro) und Murcia (700 Millionen Euro) an, Hilfen aus Madrid zu benötigen. Allein die Gesuche dieser drei Mittelmeerregionen zehren fast die Hälfte der 18 Milliarden Euro auf, über die der Fonds verfügen wird. „Weitere Regionen werden folgen“, schreibt die Wirtschaftszeitung „Expansión“. „Der Fonds läuft Gefahr, bis zum Jahresende ausgeschöpft zu sein. Was geschieht dann im nächsten Jahr?“ Die EU-Kommission geht davon aus, dass der Fonds ausreichend bestückt ist. „Unser Verständnis ist, dass das Budget der spanischen Regierung von 18 Milliarden Euro ausreichen dürfte“, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.

“Jetzt hängt alles von Andalusien ab”, sagt Juan Rubio- Ramirez, ein Volkswirt bei der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina. “Sollte Andalusien um Hilfe bitten, könnte der Betrag ähnlich hoch wie bei Katalonien ausfallen. Und das bedeutet dann, dass die Fondsmittel unter Umständen nicht ausreichen werden.”

Wie stark Spanien von den Regionen als „Retter“ in Anspruch genommen wird, dürfte davon abhängen, wie streng die Auflagen sein werden. Dies bringt Ministerpräsident Mariano Rajoy in eine heikle Lage. Wenn seine Regierung gegenüber Katalonien Großzügigkeit walten lässt, erweckt sie Begehrlichkeiten in anderen Regionen. Macht Madrid den Katalanen dagegen harte Auflagen und schickt Finanzinspekteure nach Barcelona, werden dort die bestehenden Antipathien gegen den spanischen Zentralstaat neuen Auftrieb erhalten.

Zum 11. September, dem „Nationalfeiertag“ der Region, haben separatistische Gruppen in Barcelona zu einer Großkundgebung für die Gründung eines unabhängigen katalanischen Staates aufgerufen. Daran wollen auch führende Politiker der Regierungspartei CiU und Minister der Regionalregierung teilnehmen.

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