Der Streit um die Anhebung des amerikanischen Kreditlimits ist mittlerweile zu einem erwartbaren Ritual in Washington geworden. Wann immer im Weißen Haus ein Demokrat regiert und die Republikaner zumindest eine Kammer des Kongresses halten, flirten die USA mit dem Staatsbankrott. Bislang konnten beide Seiten das Desaster noch immer abwenden, doch die Anhebung der Schuldengrenze, eigentlich eine Routineaufgabe der amerikanischen Regierung, wird so in regelmäßigen Abständen zum Nervenkrieg – mit echten Konsequenzen für die Wirtschaft. 2011 etwa, als das Kreditlimit nur wenige Stunden vor dem Zahlungsausfall angehoben wurde, senkte die Ratingagentur S&P die Bonität der Vereinigten Staaten herab.
Dass die Wirtschaftsleistung in den Vereinigten Staaten auf dem Höhepunkt des damaligen Konflikts leicht zurückging, verbinden Ökonomen auch mit der Verunsicherung von Anlegern und Unternehmern.
Angesichts solcher Horrorepisoden wird oftmals aus den Augen verloren, dass das Anheben des Kreditlimits über Jahrzehnte – mit wenigen Ausnahmen – kaum mehr als eine Formalie war. Eingeführt wurde die Schuldengrenze 1917, im Zuge des Ersten Weltkriegs. Auf dem Papier ähneln die amerikanischen Institutionen von damals den heutigen, doch das Land war sehr anders aufgestellt.
Zu dieser Zeit hatte der Kongress einen deutlich größeren Einfluss auf den Regierungsalltag. Wollte die Administration Geld für ein Projekt ausgeben, musste sie im Kapitol für eine zweckgebundene Anleihe werben. Doch in Kriegszeiten war das nicht mehr praktikabel. Also führten die USA den Schuldendeckel ein, also den Betrag bis zu dem die Administration ohne zusätzliche Genehmigung Schulden aufnehmen durfte.
Damals war dieser Schritt eine Erleichterung. Dass er einmal zu einem Hindernis werden würde, war vor mehr als 100 Jahren nicht abzusehen. Es sprach ja auch nicht viel dafür. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Kongress die Schuldengrenze mehr als 100-mal erhöht, zeitweise war sie – sinnvoller Weise – an den Haushalt gekoppelt. Beschloss der Kongress Mehrausgaben, dann erhöhte er damit auch gleichzeitig das Kreditlimit. Doch diese Regel gibt es nicht mehr.
Das heißt nicht, dass die Erhöhung der Schuldengrenze nie für politische Zwecke genutzt wurde. 1953 forderte Präsident Dwight D. Eisenhower die erste Anhebung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Repräsentantenhaus stimmte zu, doch unter den Parteifreunden des Präsidenten wurde gegrummelt. Im Senat stimmte der Finanzausschuss gar zunächst dafür, die Erhöhung zu verschieben. Es war das erste Anzeichen dafür, dass der Kreditdeckel für politische Zwecke genutzt werden könnte.
14 Jahre später wurde es Ernst. 1967 näherten sich die USA erneut der Schuldengrenze an. Doch am 7. Juni stimmte das Repräsentantenhaus mit 217 zu 196 Stimmen gegen eine Anhebung. Mit dieser überraschenden Entscheidung lehnte das Repräsentantenhaus zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte eine Erhöhung der Schuldengrenze ab. Die Republikaner waren geschlossen dagegen und wurden von 34 Demokraten unterstützt – in erster Linie von Segregationisten, die aus der Partei austraten, aber auch von einigen Gegnern des Vietnamkriegs.
Die Rebellion war nur von kurzer Dauer. Zwei Wochen nach der Niederlage verabschiedete das Repräsentantenhaus knapp einen kleinen Kompromiss, der das Limit niedriger als von der Administration von Präsident Lyndon B. Johnson gefordert anhob.
Auch Gerald Ford, Jimmy Carter und Ronald Reagan mussten sich mit Streit um die Schuldengrenze herumschlagen. Doch ernsthaft in Frage wurde ihre Erhöhung nicht gestellt. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die USA 1979 kurzzeitig einen Mini-Kreditausfall erlebten.