Schulen in den USA Schläge statt Strafarbeit

Sie haben Lehrer beleidigt oder den Klassenraum unerlaubt verlassen: Mehr als 100.000 Schüler werden jährlich an US-Schulen geschlagen – völlig legal und mit Zustimmung der Eltern.

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In vielen Bundesstaaten der USA dürfen Lehrer ihre Schüler schlagen. Noch. Quelle: Imago

New York
Zwei Schläge mit einem Holzbrett: Das war die Strafe für die elfjährige Kaley Zacher, weil sie ihre Schulaufgaben trotz mehrfacher Ermahnung nicht ordentlich erledigt hatte. Regeln sind Regeln, sagt ihre Mutter. Kaley lebt in Georgia, einem von 19 US-Staaten, in denen körperliche Züchtigung an Schulen noch erlaubt ist. Die Eltern sind in der Regel damit einverstanden.

„Wir bringen unseren Kindern bei, dass man bestraft wird, wenn man die Regeln bricht, dass man die Konsequenzen tragen muss“, sagt Kaleys Mutter Kimberly Zacher. Warum, so fragt sie, sollte das in der Schule anders sein als zu Hause?

Laut einer Statistik des US-Bildungsministeriums werden jedes Jahr mehr als 100.000 Schüler in den USA von ihren Lehrern geschlagen – schwarze doppelt so häufig wie weiße. Auch Schüler mit einer Behinderung werden überproportional häufig körperlich gezüchtigt. „Wir wissen, dass die Anwendung körperlicher Bestrafung mit anderen Faktoren zusammenhängt, etwa der ethnischen Herkunft oder dem Grad der Behinderung“, sagt die stellvertretende Staatssekretärin Tanya Clay House. Das Ministerium hat sich dafür ausgesprochen, die Prügelstrafe abzuschaffen und stattdessen mehr auf die positive Verstärkung erwünschten Verhaltens zu setzen.

Doch in einigen Teilen des Landes, insbesondere in den Südstaaten, sind Schläge als Disziplinarmaßnahme offenbar allgemein akzeptiert. „Körperliche Züchtigung ist die unmittelbare Folge eines Handelns“, sagt Camille Wright, Schulinspektorin aus Enterprise im US-Staat Alabama. „Sie ist ziemlich effektiv.“ In ihrem Bezirk gebe es nur wenige Eltern, die gegen das sogenannte Paddling seien - Schläge mit einem Holzbrett, dem Paddel.

Jedes Jahr erhalten die Eltern ein Formular, das sie ausfüllen müssen, wenn sie nicht wollen, dass ihre Kinder in der Schule körperlich gezüchtigt werden. Laut Wright macht kaum jemand davon Gebrauch. Die Schulen in Wrights Bezirk sichern sich sogar doppelt ab: Auch wenn bereits eine Blankovollmacht der Eltern vorliegt, werden diese im konkreten Fall angerufen und müssen mündlich bestätigen, dass sie mit den Schlägen einverstanden sind.


In 19 Staaten ist die Prügelstrafe noch erlaubt

Insbesondere Schwarze im ländlichen Süden der USA hießen die Prügelstrafe gut, sagt Dennis Parker von der Bürgerrechtsorganisation ACLU. Diese Einstellung spiegle sich wider in Sätzen wie: „Bei mir hat das auch funktioniert.“ Zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch untersuchte die ACLU vor einigen Jahren die Praxis der Körperstrafe an US-Schulen. „Paddling ist schmerzhaft, erniedrigend und führt in einigen Fällen zu tiefen Wunden oder anderen bleibenden physischen oder mentalen Verletzungen“, heißt es in dem 2009 veröffentlichten Bericht.

Die Debatte um die Prügelstrafe kochte vor wenigen Monaten wieder hoch. Eine Mutter aus Georgia hatte ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen war, wie ihr Sohn, ein Kindergartenkind, von Mitarbeitern der Einrichtung festgehalten und geschlagen wurde. Die Mutter erklärte, sie bedaure, ihr Einverständnis für diese Art der Disziplinierung erteilt zu haben.

Viele US-Staaten haben die Prügelstrafe inzwischen abgeschafft, in 19 Staaten ist sie jedoch noch erlaubt: in Alabama, Arizona, Arkansas, Colorado, Florida, Georgia, Idaho, Indiana, Kansas, Kentucky, Louisiana, Mississippi, Missouri, North Carolina, Oklahoma, South Carolina, Tennessee, Texas und Wyoming.

Kaley Zacher wird die Schläge nicht vergessen, die sie im vergangenen Jahr vom Konrektor ihrer Schule bekam. „Ich war traurig, verstört und habe gezittert“, sagt sie. „Und ich habe ein bisschen geweint.“ Dann habe sie sich gesagt: „Schluck es runter und mach einfach weiter.“ Aber ist sie besser in der Schule geworden? Ja, sagt ihre Mutter. „Sie hat ein paar Wochen darüber gesprochen“, erzählt Kimberly Zacher, „und sie hat gesagt, sie wolle nicht, dass so etwas nochmal passiert.“

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