Schulz-Vorschlag Wie die Elektroauto-Quote aussehen könnte

Martin Schulz bringt eine Elektroauto-Quote für Deutschland ins Spiel. Doch wie könnte diese überhaupt aussehen? Vorbild ist China, das seit Monaten über die Quote diskutiert. Ein Blick in das Land, das sie erfunden hat.

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Die Elektro-Schocker
Nio EP9 von Next EV Quelle: Hersteller
Nio EP9 hat 1360 PS Quelle: Hersteller
2017 erzielte der Nio mit 6 Minuten 45,9 Sekunden einen neuen Nordschleifenrekord Quelle: Hersteller
Techrules Ren schafft maximal 320 km/h Quelle: Hersteller
Techrules Ren bietet einen Reichweitenverlängerer in Form einer mit Diesel getriebenen Microturbine Quelle: Hersteller
Rimac Hypercar Concept One Quelle: Hersteller
Rimac Concept One Quelle: Hersteller

Schlussmachen mit der Hochnäsigkeit, fordert Kanzlerkandidat Martin Schulz von den Autobauern und will sie mittels einer Elektroauto-Quote zur grünen Revolution zwingen. Wie die aussehen soll, lässt er weitgehend offen. Kündigt aber an, der Autoindustrie mehr Druck machen zu wollen. Die deutsche Autoindustrie, sie müsste „besser“ werden.

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sich Schulz ab September wirklich ein Konzept hinter der Quote ausdenken muss, lohnt sich ein Blick nach China. Das Kopieren wirft man ja sonst den Chinesen vor. Dieses Mal ist es andersherum, Schulz hat die Idee aus China abgekupfert. Auf dem größten Automarkt der Welt plant Peking ab kommendem Jahr eine Quote für den Verkauf von E-Autos. Diese könnte langfristig auch in Deutschland Schule machen.

Ab Januar sollen die Hersteller in der Volksrepublik acht Prozent ihrer Verkäufe mit E-Autos und Hybridmodellen machen. Das entspricht mehr als zwei Millionen Fahrzeuge. Im vergangenen Jahr wurden bereits 507.000 E-Autos und Hybride in China verkauft, über die Hälfte mehr als im Jahr zuvor. Zum Vergleich: In Deutschland waren es lediglich 11.000 Elektrofahrzeuge und 48.000 Autos mit Hybridantrieb.

Elektroautos im Kostenvergleich

In den Folgejahren bis 2020 sollen die Verkaufszahlen der E-Autos dann mindestens noch einmal um jeweils zwei Prozentpunkte pro Jahr gesteigert werden. Verkauft ein Unternehmen zu wenig saubere Fahrzeuge, kann es Kredite bei anderen Autobauern kaufen, die bereits ihre Vorgaben erreichen. Tesla könnte somit beispielsweise nicht nur mit seinen Fahrzeugen Geld verdienen, sondern auch seine Kredite an Nachzügler verkaufen – ein lohnendes Zusatzgeschäft. Tesla hat 2016 bereits mehr als eine Milliarde Dollar in China an Umsatz gemacht, mehr als dreimal so viel wie 2015.

Dass die Quote kommt, scheint außer Frage

Nachdem die deutschen Autobauer anfangs über die Quote geschimpft haben, ist es zuletzt erstaunlich ruhig um sie geworden. Auch, weil sie zwar wahrscheinlich ein wenig verspätet mit ausreichend E-Autos auf dem Markt starten, dann aber relativ schnell aufholen und in den profitablen Kredithandel einsteigen könnten, so Experten. Wie genau die Emissionskredite später gehandelt werden sollen, ist bisher nicht bekannt. Autobauer könnten aber möglicherweise nicht nur untereinander Kredite handeln, sondern auch mit der chinesischen Regierung. Das hatten zuletzt die vier internationalen Autoverbände in einem Brief an die chinesische Regierung gefordert, der der WirtschaftsWoche vorliegt.

Offen ist aber noch, wie die Quote genau ausgestaltet wird. Seit vergangenem Jahr sind die Pläne Pekings bekannt. Ob das Gesetz in dieser Form Anfang kommenden Jahres kommt, wie es im aktuellen Gesetzesentwurf skizziert wird, ist noch unklar. Zuletzt hatte die Deutsche Botschaft in Chinas Hauptstadt gegenüber der WirtschaftsWoche bestätigt, dass Peking weiterhin mit der Bundesregierung über die genauen Rahmenbedingungen der Kreditquote verhandelt, und man sich auch auf erste Änderungen hätte einigen können. Dass die Quote aber kommt, scheint inzwischen außer Frage.

Grund für Pekings strenge Klimapolitik: Die schlechten Luftwerte lassen die Bürger auf die Barrikaden gehen. Diese sehen ihre Gesundheit und die ihrer Kinder aufs Spiel gesetzt. Eine Rechnung, die am Ende auch der Staat durch explodierende Kosten im Gesundheitssystem zahlen muss. Die Bürger Chinas können ihren Präsidenten zwar nicht abwählen, aber sie scheinen ihren Politikern mehr Angst zu machen als die Stuttgarter Wutbürger, die mit ihren Luftwerten den chinesischen Großstädten inzwischen Konkurrenz machen.

Autobauer übertreffen sich mit Versprechungen

Dazu kommt, dass die chinesischen Autobauer der ausländischen Konkurrenz beim Thema Verbrennungsmotor Lichtjahre hinterher sind. Mit Hilfe Pekinger Geldtöpfe jagen sie nun den ausländischen Autobauern bei den E-Autos den Rang ab und investieren nebenbei in neue Batterietechnologie für die neuen Fahrzeuge, die sie schon bald nicht mehr von der südkoreanischen Konkurrenz kaufen wollen. Größter E-Hersteller in China ist schon heute das chinesische Unternehmen BYD, das zwar hässliche, aber saubere Autos baut. Und davon mehr als 100.000 Stück im vergangenen Jahr.

Die Fahrzeuge sind nicht nur sauber. Wer dort zugreift, kann mit staatlichen Prämien im vierstelligen Eurobereich rechnen und bekommt zudem sofort eine Zulassung. Um den Verkehr zu kontrollieren, vergeben viele Städten in China Zulassungen nur noch durch eine Lotterie oder Versteigerungen. In Shanghai muss man teilweise Jahre warten und über 10.000 Euro zahlen, will man ein neues Auto mit einem Verbrennungsmotor durch die Stadt schaukeln. Wer auf ein Elektroauto umsteigt, kann sich Warterei und Zulassungskosten sparen, und die blaue gegen eine grüne Plakette tauschen. Die gibt’s direkt zum Mitnehmen.

VW träumt von 1,5 Millionen E-Autos

Während die deutschen Autobauer sich in Deutschland durch die halbe Bundesrepublik klüngeln, um den Diesel zu retten, haben sie in China innerhalb weniger Wochen die Kehrtwende eingelegt. Nun übertreffen sie sich mit Versprechen gegenüber Peking. Volkswagen hat vor kurzem ein neues Joint Venture mit dem Hersteller JAC gegründet, um mit dem chinesischen Partner bald 100.000 E-Autos pro Jahr herzustellen. Ab 2020 sollen die Verkaufszahlen im Bereich der E-Fahrzeuge für VW bereits bei 400.000 pro Jahr liegen. 2025 träumt das Unternehmen von 1,5 Millionen E-Autos Verkäufen pro Jahr.

von Stefan Hajek, Martin Seiwert, Lea Deuber, Martin Fritz

In Deutschland, der Heimat der chinesischen E-Schleimer, werden aktuell nur wenige zehntausend Fahrzeuge mit sauberem Antrieb verkauft. Das Ziel der Regierungskoalition, 2020 eine Million Elektroautos im Jahr zu verkaufen, verpasst Deutschland krachend. In Sachen E-Auto ist das Land nicht einmal in Westeuropa „Mittelmaß“, urteilt Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte der Universität Duisburg-Essen. Die bisherige deutsche Strategie bei der Elektromobilität: gescheitert.

Der Autoexperte sieht deshalb auch Vorteile in einer Quote für Deutschland. „Weder die CO2-Vorgaben aus Brüssel, die Elektromobilitätsprämie, noch die gewaltigen Kundenenttäuschungen durch den Diesel haben bisher dazu beigetragen, schneller als Industrieland in die Mobilität der Zukunft einzusteigen“, sagt er. Eine Kompromisslosigkeit, wie Peking sie zeigt, scheint ihm ein letzter Ausweg. Denn in Deutschland sei vor allem das fehlende Zutrauen der Autobauer, der Energie- und Infrastrukturanbieter sowie der Autokäufer ein Problem für die Expansion der sauberen Autos. „Wer nicht an die Zukunft einer Technologie glaubt, wird auch nicht investieren“, sagt er.

Während die Autobauer in Deutschland jammernd in der Politik und bei Angela Merkel höchstpersönlich um den Diesel kämpfen, üben sie in China den Koutou. Die harte Hand Pekings, in diesem Fall könnte sie eine Kopie wert sein.

Dieselskandal und E-Auto-Hype bestimmen die Schlagzeilen. Ganz Deutschland schaut auf die Autobranche. Aber wie gut kennen Sie sich beim Thema aus?

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