Schwellenländer-Börsen Hier ist für Anleger noch etwas zu holen

Der Absturz der türkischen Börse trifft auch andere Schwellenländer. Bild: Sonnenuntergang über Ankara Quelle: imago images

Die einstige Erfolgsstory der Schwellenländer entwickelt sich für Anleger derzeit zum Drama, so scheint es. Doch die Unterschiede sind groß. Wer gewinnbringend anlegen will, sollte sie noch nicht abschreiben.

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Der Absturz der türkischen Börse erfasste auch andere Schwellenländer. Viele von ihnen stehen vor großen Herausforderungen. Internationale Anleger ziehen Geld ab, auch weil die Zinsanhebungen in den USA Schwellenländer-Investments weniger attraktiv machen. Der starke Anstieg des Dollars wiederum setzt viele der Schwellenländer zusätzlich unter Druck, weil sie oft einen größeren Teil der Auslandsschulden in Fremdwährungen, allen voran dem Dollar, haben. Kommen dann noch lokale Faktoren, politische Instabilität etwa, hinzu, flüchten Anleger in Scharen. Als Anleger nun aber alle Schwellenländer zu meiden, könnte ein Fehler sein. Die wichtigsten Schwellenländer-Börsen mit ihren Chancen und Risiken im Überblick.

China: Das Ende des Optimismus 

Für den Absturz der chinesischen Börsen ist auf den ersten Blick der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelskrieg verantwortlich, der die Exportnation China tief trifft. Und das, obwohl die Wirtschaftsplaner in Peking schon seit Jahren versuchen, die Binnenwirtschaft zu stärken und auf ein weniger exportlastiges Wirtschaftsmodell umzuschalten.

Was langfristig aber noch viel gravierender sein könnte, ist der Stimmungswandel im Land. Der Rausch und der Optimismus der Wirtschaftswunderjahre ist verschwunden, das Vertrauen der Bürger in ihre Regierung gesunken. Viele glauben, dass die Funktionäre nur ihre eigenen Taschen füllen, statt das Land weiter voranzubringen. Der Aufbau eines digitalen Überwachungsstaats lässt zudem viele Chinesen an den Vorteilen des technischen Fortschritts zweifeln.

Nicht erst seit dem Ausbruch des Handelskriegs zeigen die wichtigsten chinesischen Marktindizes nach unten. Die Börsen Shanghai und Shenzhen sind gegenüber Jahresanfang um etwa 20 Prozent abgesackt, der Marktplatz Hongkong notiert neun Prozent im Minus –in lokaler Währung gerechnet. Auch in Euro sind die Verluste ähnlich groß. Dabei ist China gerade erst in den Schwellenländerindex des Indexlieferanten MSCI aufgenommen worden, was eigentlich für steigendes Interesse von Investoren sorgen sollte.

Bei der chinesischen Internetikone Tencent – mit 360 Milliarden Euro Börsenwert die Nummer Eins des Landes – reichte der erste Gewinnrückgang seit rund einem Jahrzehnt, um die in Hongkong gelistete Aktie auf Talfahrt zu schicken. Tencent verlor daher seinen Rang als wertvollstes asiatisches Börsenunternehmen. Die Aktie notiert 19 Prozent tiefer als vor einem halben Jahr. Was die Stimmung zusätzlich drückte, war die fehlende behördliche Genehmigung für ein neues Computerspiel des Multimediakonzerns.

Auch Chinas Elektroautohoffnung BYD verzeichnet über sechs Monate einen Kurseinbruch, 36 Prozent. Und das, obwohl das Unternehmen den Bau der weltgrößten Autobatteriefabrik im chinesischen Hinterland vorantreibt. BYD-Aktionäre hoffen nun auf eine erfolgreiche Börsenabspaltung der Batteriesparte, die zeigen soll, dass der Autokonzern aktuell zu niedrig bewertet ist. Starinvestor Warren Buffett ist schon überzeugt. Er hat in BYD investiert.

Indien: Der Hoffnungswert

Zumindest der Name des größten börsennotierten Unternehmens Indiens dürfte auch hierzulande vielen ein Begriff sein. Tata Consultancy Services, ein IT-Berater, bringt es an der Börse Mumbai auf annähernd 100 Milliarden Euro Marktwert. Das Unternehmen ist zwar börsennotiert, gehört aber nach wie vor zum Industriekonglomerat Tata. Dieser Name tauchte in den vergangenen zwei Jahren häufig in der deutschen Wirtschaftspresse auf, denn das europäischen Stahlgeschäft von Tata ist seit Juni mit der Stahlsparte von Thyssenkrupp fusioniert.

Anders als die Thyssenkrupp-Aktie war ein Investment in das Heimatland von Tata in der Vergangenheit ein lohnendes Geschäft. Der indische Aktien-Leitindex Nifty 50, der die 50 größten indischen Aktiengesellschaften nach Marktkapitalisierung zusammenfasst, hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Selbst die Turbulenzen seit Jahresanfang überstand die Börse in Mumbai gut. Auch Euro-Anlegern blieb ein kleines Plus. Das schaffte kein anderes Schwellenland. Die indische Rupie ist eine von wenigen Schwellenländer-Währungen, die sich gegenüber dem Euro relativ stabil entwickelt.

Doch dieser Gleichlauf, von dem hiesige Indien-Anleger bisher profitiert haben, könnte bald dahin sein. Denn Indien ist auf Energie-Importe angewiesen. Steigt, wie in den vergangenen Monaten, der Ölpreis, vergrößert sich das Leistungsbilanzdefizit des zweitgrößten Staats der Erde. Die Folge: Die Rupie wertet ab. Dieser Effekt lässt sich bereits seit längerer Zeit beobachten, ein Ende ist nicht absehbar. Indische Aktien sind zudem, anders als die Werte in anderen Schwellenländern, nicht günstig bewertet. Der Nifty Fifty notiert noch immer an seinem Allzeithoch, im Schnitt zahlen Investoren für indische Aktien den 20-fachen Jahresgewinn. Das ist genauso viel wie im Schnitt der vergangenen fünf Jahre.

Zum Schnäppchen taugen die Papiere daher nicht. Wohl aber als Weitblick-Investment: Denn Indien profitiert von seiner jungen Bevölkerung und einigen wirtschaftsfreundlichen Reformen. Zudem hat das Land mit dem IT-Sektor einen zukunftsträchtigen Wachstumsmotor. Für langfristig orientierte Anleger ist Indien daher weiter eins der interessantesten Schwellenländer.  

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