Professor Jorgenson, trotz der Niedrigzinspolitik der Notenbanken kommt die Weltwirtschaft nicht richtig in Schwung. Was läuft da schief?
Vor dem Ausbruch der Finanzkrise hat es in vielen Ländern Kreditexzesse gegeben. Regierungen, Unternehmen und Haushalte sind vielerorts noch immer damit beschäftigt, ihre Schulden abzubauen. Das Geld, das in den Schuldendienst fließt, fehlt für Konsum und Investitionen. Das bremst die Konjunktur.
Ist das ein genereller Befund für die großen Industriestaaten?
Nein. Jedes Land hat seine eigene Krisen-Story. Man kann die Länder nicht über einen Kamm scheren.
Zur Person
Jorgenson, 82, ist Professor an der US-Eliteuniversität Harvard. Mit seinen Untersuchungen zur Bedeutung neuer Technologien für die Produktivität gilt er als einer der weltweit führenden Wachstumsforscher.
In Japan etwa sind die Banken vergleichsweise wenig mit dem US-Finanzmarkt verbunden. Die Notenbank in Tokio reagierte daher zunächst nicht auf die Lehman-Pleite. Die Folge war, dass der Wechselkurs des Yen in die Höhe schoss und die Exporte einbrachen.
Zurzeit sorgen sich die Finanzmärkte vor allem um die Schwellenländer. Zu Recht?
Auch hier gilt: Schwellenland ist nicht gleich Schwellenland. Während es mit Indiens Wirtschaft bergauf geht, lässt die Dynamik in China nach ...
... was erhebliche Folgen für die Weltwirtschaft hat.
Ohne Zweifel. In China geht ein ökonomisches Zeitalter zu Ende. Der wirtschaftliche Aufholprozess, der dadurch geprägt war, dass viele Unternehmen aus dem Westen und aus Asien Teile ihrer Produktion nach China verlagerten, läuft aus. Die Löhne in China steigen rasant, das Land ist kein attraktiver Standort mehr für das Outsourcing von Wertschöpfungsprozessen.
Die nächsten 15 Giganten aus China
Unternehmen: Hengtong Optic-Electric
Branche: Elektronik
Umsatz 2012: 7.804 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 46,5 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: **
Strategie: ***
Quelle: Accountantcy Futures Academy: "China's 100 next global giants"
Unternehmen: Huapont-Nutrichem
Branche: Chemie
Umsatz 2012: 3.877 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 39,7 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: Zhejiang Dahua Technology
Branche: Computer und Kommunikation
Umsatz 2012: 3.531 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 44,1 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: **
Internationale Präsenz: **
Strategie: ***
Unternehmen: iSoftStone Holdings
Branche: Internet und Information
Umsatz 2012: 2.434 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 35,1 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: Hangzhou Hikvision Digital Technology
Branche: Computer und Kommunikation
Umsatz 2012: 7.214 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 37,5 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: **
Strategie: ***
Unternehmen: Hosa International
Branche: Textil und Kleidung
Umsatz 2012: 5,352 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 40,7 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: *
Strategie: ***
Unternehmen: Hongfa Technology
Branche: Elektronik
Umsatz 2012: 3,008 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 31,4 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: Zhejiang Wangfeng Auto Wheel
Branche: Automobil
Umsatz 2012: 4.091 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 31,5 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: Anhui Zhongding Sealing Parts
Branche: Gummi und Plastik
Umsatz 2012: 3.369 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 31,1 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: Beijing Zhongke Sanhuan Hi-Tech
Branche: Computer und Kommunikation
Umsatz 2012: 4.934 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 30,2 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: ***
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: Zhongli Science and Technology
Branche: Elektronik
Umsatz 2012: 6.326 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 37,3 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: **
Internationale Präsenz: **
Strategie: ***
Unternehmen: Ningxia Zhongyin Cashmere
Branche: Textil und Bekleidung
Umsatz 2012: 2.426 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 32,2 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: **
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: Shenzhen Desay Battery Technology
Branche: Elektronik
Umsatz 2012: 3.195 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 37,8 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: **
Internationale Präsenz: ***
Strategie: **
Unternehmen: Pactera Technology International
Branche: Internet und Information
Umsatz 2012: 2.266 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 31,7 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: **
Internationale Präsenz: ***
Strategie: ***
Unternehmen: China XD Plastics
Branche: Chemie
Umsatz 2012: 3.785 Millionen Yuan
Jährliches Wachstum 2008-2012: 49,2 Prozent
Dominanz auf dem Heimatmarkt: **
Internationale Präsenz: *
Strategie: **
Die zweistelligen Wachstumsraten gehören der Vergangenheit an. Derzeit wächst die Wirtschaft nur noch mit Raten um die sieben Prozent. In den nächsten Jahren werden sie auf fünf bis sechs Prozent fallen.
Das erinnert an die Entwicklung in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg ...
... mit dem Unterschied, dass die Phase des hohen Wachstums in Japan nur rund 13 Jahre dauerte. In China währte sie doppelt so lang. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Aufholprozess in China von einem deutlich niedrigeren Niveau startete als in Japan.
"China hat Indien abgehängt"
Kann Indien die Rolle Chinas als globaler Konjunkturmotor übernehmen?
Anfang der Neunzigerjahre lagen China und Indien in etwa auf dem gleichen Entwicklungsniveau. Dann fiel Indien zurück. Jetzt holt die Wirtschaft des Subkontinents wieder auf.
In der nächsten Dekade dürften die Wachstumsraten zwischen sechs und sieben Prozent und damit höher als in China liegen. Ich glaube, Indien hat sein Wachstumspotenzial noch nicht ausgeschöpft. Gleichwohl kann das Land nicht die Rolle der globalen Konjunkturlokomotive von China übernehmen.
So benehmen Sie sich in China richtig
Der Händedruck sollte nicht zu kräftig, sondern locker bis weich sein. Nicht die Dame wird zuerst begrüßt, sondern der Ranghöchste.
Wenn Sie Leute vorstellen: Niemals mit dem Zeigefinger auf jemanden zeigen – das gilt als extrem unhöflich! Besser ist es, die ganze Handfläche zu benutzen.
Reis wird immer zuletzt gereicht. Zum Essen wird die Schale dicht an den Mund geführt, der Reis mit Stäbchen geschaufelt. Nie mit den Essstäbchen gegen die Schale tippen – dies wird mit dem in Ostasien traditionellen Zeichen der Bettler assoziiert. Absolut tabu ist es auch, die Stäbchen in den Reis zu stecken. Dies findet nur bei Trauerzeremonien statt.
Nudeln werden ebenfalls mit Stäbchen zum Mund geführt und schlürfend eingesaugt. Schlürfgeräusche sind durchaus erwünscht, als Zeichen dafür, dass es einem schmeckt.
Chinesen werden bei einer Einladung aus Höflichkeit zurückhaltend essen. Sie wollen wiederholt zum Essen aufgefordert werden.
Meist werden Schnaps, Bier oder Wein zum Essen gereicht und die Gläser randvoll gegossen. Das Personal schenkt immer neu nach – ansonsten der Mann der Frau und der Ranghöhere dem Rangniederen.
Bei der Aufforderung „Ganbei“ („Das Glas trocknen“) trinken alle ihr Glas in einem Zug aus. Dazu erhebt sich die Runde.
Gastgeschenke werden erwartet. Diese sollten generell qualitativ hochwertig sein und dürfen auch einen Bezug zum Herkunftsland haben, etwa hochwertige Bildbände, Bierkrüge, Porzellanteller. Auch lokale Alkoholspezialitäten sind gerne gesehen, zudem Obstkörbe (beliebt sind etwa Orangen und Äpfel, die für Glück und Sicherheit stehen)
Es gibt allerdings auch einige Dinge, auf die als Geschenk unbedingt verzichtet werden sollte. Dazu gehören etwa Uhren (symbolisieren die ablaufende Lebenszeit), Taschentücher (Symbol für einen endgültigen Abschied), Schnittblumen (typisches Mitbringsel zur Beerdigung, insbesondere, wenn weiße Blüten eingebunden sind) oder Regenschirme (das chinesische Wort für „Regenschirm“ (伞 sǎn) klingt wie das Wort für „Aufbrechen“ (散 sàn)).
Sie sollten auf Geschäftsreise möglichst nicht in einem Hotel mittlerer Kategorie absteigen. Status und Prestige sind in China extrem wichtig. Chinesen fragen beim ersten Meeting gerne, in welchem Hotel man wohnt.
Formale Kleidung – dunkler Anzug und Krawatte – sind im Geschäftsalltag ein Muss. Wer Jeans und Krawatte trägt, wird nicht ernst genommen. Ebenso sind schrille Farben tabu. Für Frauen gelten in China inzwischen westliche Konventionen: Standard ist der dunkle Hosenanzug.
Direkte und offene Kritik ist in China tabu. Jemand unverhohlen zu korrigieren, ihm gar deutlich zu widersprechen, ist eine Beleidigung und führt zum Gesichtsverlust, die die Geschäftsbeziehung nachhaltig belasten, sogar zerstören kann.
Beim Kennenlernen sind persönliche Fragen nach Familienstand, Kindern, sogar nach Höhe des Gehalts üblich. Nicht ausweichend antworten! Wer zudem über die Bundesliga Bescheid weiß, genießt hohes Ansehen: Europäischer Fußball ist bei Chinesen beliebt. Tabu sind die Themenbereiche Politik, Missstände, Umweltverschmutzung und Menschenrechte.
Am Beginn steht ein ausgedehntes Essen, während dem Gespräche über Geschäftliches tabu sind. Das entscheidende Thema kommt zum Schluss. Sollte es mal haken, auf keinen Fall aus der Haut fahren! Das bedeutet Gesichtsverlust. Besser freundlich bleiben und beteuern, dass man am Abschluss interessiert sei. Oft kommt dann nach wenigen Tagen ein Anruf, der Entgegenkommen zeigt.
Ähnlich wie bei uns in Deutschland die Zahl 13, gibt es auch in China Zahlen, die den Ruf genießen Unglück zu bringen. So kann die Zahl 4 auf Chinesisch auch „Tod“ bedeuten.
So sollte man bei offiziellen Veranstaltungen unbedingt darauf achten, dass in der Anzahl der Gäste keine 4 vorkommt. Ebenso gilt, an wichtigen Tagen (etwa einer Vertragsunterschrift) darauf zu achten, dass das Datum keine 4 aufweist.
Immer viele mitnehmen, stets parat haben und stehend mit beiden Händen überreichen und genauso annehmen. Karte noch einen Moment respektvoll betrachten und dann in ein hochwertiges Etui stecken. Auf gar keinen Fall sollten Visitenkarten beiläufig angenommen und in die Hosentasche gesteckt werden, dies gilt als respektlos.
Gerne gesehen sind zweisprachige Visitenkarten, die auf einer Seite auf Chinesisch, auf der anderen Seite auf Englisch bedruckt sind.
Warum nicht?
China ist ein exportorientiertes Land, das in den vergangenen Jahrzehnten viele Direktinvestitionen angelockt hat. Indiens Wirtschaft hingegen lebt von der Binnennachfrage, große Teile der Wertschöpfung und der Beschäftigung entfallen auf den Agrarsektor. Dazu kommt, dass China schon vor 20 Jahren erkannt hat, dass die Bildung der Menschen wichtig für das Wachstum ist.
Seither genießt Bildung einen hohen Stellenwert im Zielkatalog der Regierung in Peking. Indien hat hingegen erst 2009 begonnen, die Bildungspolitik zu verbessern. Vergleicht man den Bildungsstand gleicher Jahrgänge, zeigt sich, dass China Indien abgehängt hat.
Was bedeutet das steigende Humankapital für die Wirtschaft? Wird China den Westen technologisch bald einholen?
China hat es bisher nicht geschafft, sich in die innovationsgetriebenen globalen Wertschöpfungsketten einzuklinken, anders als etwa Taiwan und Südkorea. Viele Geschäftsleute in Taiwan, die heute in ihrem Land zur Speerspitze bei Innovationen zählen, haben ihre Ausbildung in den USA erhalten und anschließend mehrere Jahre im Silicon Valley gearbeitet. Wenn sie nach Taiwan zurückkehren, nutzen sie ihre Kontakte und Netzwerke, um eigene Unternehmen zu gründen. Auf diese Weise hat sich Taiwan in globale Wertschöpfungsketten integriert.
Und China?
In China ist dieser Prozess nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 für eine Dekade zum Erliegen gekommen. Bis das Land dem Westen bei der Innovationskraft das Wasser reichen kann, wird es noch mindestens eine Generation dauern.