Schwellenländer Konsumhungrige Mittelschicht treibt das Wachstum an

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Asien wächst

All dies wird die internationalen Kräfteverhältnisse massiv verschieben; die Welt wird multipolarer werden. Bereits heute haben die G20 die G7 als zentrales Gremium internationaler Kooperation abgelöst. Weitere Machtverschiebungen zugunsten der BRIC-Staaten – etwa im UN-Sicherheitsrat oder beim Internationalen Währungsfonds – werden folgen.

Für Europa und die USA klingt dies zunächst bedrohlich. Doch ökonomisch wie stabilitäts- und entwicklungspolitisch eröffnen sich große Chancen: Der Wohlstand der Erdbevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten rapide wachsen und sich immer gleichmäßiger über den Globus verteilen. In Asien, Lateinamerika und Teilen Afrikas wächst in großem Tempo eine neue Mittelschicht heran, die eine gewaltige Dynamik entfalten wird.

Neues Bürgertum

Ökonomen schätzen, dass diese Mittelschicht (mit einem Jahreseinkommen zwischen 6000 und 30 000 Dollar) bis 2030 um zwei Milliarden Menschen wachsen wird. In 20 Jahren werden ihr damit rund 50 Prozent der Weltbevölkerung angehören – eine massive Ausweitung gegenüber dem jetzigen Mittelschichtanteil von 29 Prozent. Das Welteinkommen wird in den kommenden Jahrzehnten somit deutlich gleichmäßiger verteilt sein. Kennzeichnend für den neuen Mittelstand ist der Drang nach materiellem Wohlstand. „Generation A“ nennen die Volkswirte der Macquarie Investment Bank die neue Klasse – A steht für Aspiration, das Aufstreben von Milliarden, die mit ihrer Nachfrage die Weltproduktion massiv beeinflussen werden: In Indien etwa wird die Zahl der Kraftfahrzeuge nach Schätzungen von Goldman Sachs von derzeit 17 auf 489 Autos pro 1000 Einwohnern im Jahr 2050 steigen. Ähnlich rasante Entwicklungen sind in China und Brasilien zu erwarten (siehe Grafik). Die europäische Autoindustrie wird massiv profitieren. Vergleichbare Szenarien sind in vielen anderen Sektoren zu erwarten. Asiens Aufstieg muss daher ökonomisch nicht zu-lasten der Industrieländer gehen. Der Kuchen wächst, und alle bekommen mehr, nur bedienen sich die bislang benachteiligten Teilnehmer der Tischrunde künftig kräftiger.

Anlass zur Sorge gibt hingegen der steigende Energiehunger. Im Jahr 2050 werden in den vier BRIC-Staaten 1,5 Milliarden Autos unterwegs sein – rund zehnmal mehr als heute. Indien wird seinen Ölkonsum in den nächsten 40 Jahren verachtfachen, China mehr als verdoppeln.

Daher wird der weltweite Zuwachs an Wohlstand die Konkurrenz um die natürlichen Ressourcen verschärfen. Doch dürfte der technische Fortschritt zugleich die Effizienz der Produktion erhöhen – und so dabei helfen, die Probleme in den Griff zu bekommen. Nicht die Konkurrenz der Schwellenländer mit dem Westen wird daher die entscheidende Frage des 21. Jahrhunderts sein, sondern ob beide Seiten den Zuwachs beim Wohlstand nachhaltig gestalten.

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