Er nennt sich "Künstler und Patriot" und könnte als Cowboy aus einer Marlboro-Werbung durchgehen. Scott LoBaido fährt mit einem Geländewagen in den Farben der US-Flagge vor. Auf der Motorhaube und dem Dach sind Jagd-Trophäen befestigt. LoBaido ist ein drahtiger Mann, Anfang 50, graue Haare, Drei-Tage-Bart und eine Kippe im Mundwinkel. Er trägt Stiefel, Jeans und Holzfäller-Hemd, darüber eine mit Schafsfell gefütterte Cordjacke.
Anders als die Schauspieler in der Marlboro-Werbung reitet LoBaido aber nicht auf einem Pferd der Abendsonne entgegen. Am Montagabend, dem Tag vor der Wahl, steht er in einer Reihenhaussiedlung in New Yorks südwestlichstem Stadtteil Staten Island. In einem der gepflegten Vorgärten steht LoBaidos wohl bekanntestes Kunstwerk: Ein vier Meter hohes T für "Trump" in den amerikanischen Nationalfarben. LoBaido und ein Dutzend seiner Fans haben sich vor der Skulptur versammelt, um sich am Abend vor der Wahl ein letztes Mal Mut zu machen. "Wählt Trump!", rufen sie den vorbeifahrenden Autos mit ausgestreckter Faust zu.
Dabei ist kaum ein Bundesstaat für die Republikaner so hoffnungslos verloren wie New York. In aktuellen Umfragen liegt die Demokratin Hillary Clinton etwa 20 Prozentpunkte vor ihrem republikanischen Kandidaten Donald Trump. Der letzte Republikaner, der im Bundesstaat New York gewinnen konnte, war vor über 30 Jahren Ronald Reagan. Amtsinhaber Barack Obama holte 2008 und 2012 mehr als 60 Prozent der Stimmen. Doch im liberalen New York City ist Staten Island die Republikaner-Hochburg. Donald Trump ist bei vielen konservativen Bewohnern des Insel-Stadtteils beliebt: 80 Prozent stimmten bei den Vorwahlen der Republikaner für Trump. Und der gebürtige Staten Islander Scott LoBaido gilt in der Lokalpresse als größter Trump-Unterstützer der Stadt.
LoBaido selbst bezeichnet sich als patriotischen Künstler. Er malt seit über 25 Jahren hauptsächlich die amerikanische Flagge. Seine Interpretationen des Sternenbanners hat er auf Schulgebäuden, Feuerwehrstationen, Polizeirevieren und Gedenkstätten für Veteranen in 50 Bundesstaaten verewigt. "In der amerikanischen Kunstwelt ist die Flagge ein Tabu, ein Zeichen der Unterdrückung", sagt LoBaido. "Ich möchte dagegen ihre ganze Schönheit zeigen". Immer mehr Amerikaner seien heutzutage patriotisch eingestellt. "Und ich habe einen kleinen Teil dazu beigetragen", sagt er.
Landesweit bekannt wurde LoBaido durch das meterhohe Trump-Schild, dass er im Vorgarten seines Freundes Sam Pirozzolo in Staten Island aufgestellt hat. Als ein Unbekannter das T eines Nachts anzündete, war das dem Nachrichtensender Fox News eine Eilmeldung wert. "Als Künstler provoziere ich eben", sagt LoBaido. Das T baute er nach dem Brandanschlag wieder auf. "Ich habe es noch höher und noch breiter gemacht".
"Ich bin das schwarze Schaf"
Von der New Yorker Kunstszene wird LoBaido dagegen mit Nichtachtung gestraft. Bei einer hochkarätigen Kunst-Auktion wurden seine Bilder kürzlich abgelehnt. "Ich bin das schwarze Schaf", sagt LoBaido. Dass es etwas mit der Qualität seiner Bilder zu tun hat, kommt dem selbstbewussten Trump-Fan nicht in den Sinn. "Sie respektieren mich nicht, weil ich nicht die gleiche politische Meinung habe, wie sie", ist er überzeugt. Da gehe es ihm, wie Donald Trump: "Genau wie er ein Außenseiter in der Politik ist, bin ich ein Außenseiter in der Kunst".
Aus Sicht LoBaidos ist Trump der beste Kandidat für das Weiße Haus. "Amerika hat das politisches Establishment satt", sagt er. "Und wenn ich Amerika sage, meine ich das Amerika des Mittelstands, der Arbeiter, Feuerwehrleute, Polizisten und Veteranen." Genau so sieht das Sam Pirozzolo, in dessen Vorgarten LoBaidos T-Skulptur steht: "Trump hat das Zeug einen echten Wechsel herbeizuführen und dieser ganzen political correctness ein Ende zu machen", sagt er. Ohne LoBaidos Kunst würden viele Trump-Wähler in Staten Island nicht zur Wahl gehen, ist sich Pirozzolo sicher.
Denn der selbsternannte Künstler und Patriot verkörpert jenen Mangel an politischer Korrektheit, den seine Fans auch an Trump schätzen: Der Maler raucht, säuft und flucht ohne Unterlass. Er schimpft über Trump-Gegner und wettert gegen die New Yorker Künstlerszene.
"Viele Amerikaner sind genervt vom Wahlkampf"
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Posted by WirtschaftsWoche on Montag, 7. November 2016
Und so hat er sich LoBaido einen politisch eher unkorrekten Plan für den Wahlabend vorgenommen, der bei seinen Anhängern um so besser ankommt: Trinken bis zum Delirium, egal ob zur Feier des Trump-Triumphs oder zum Frust-Saufen über Clintons Sieg. LoBaido sagt: "Ich werde am Mittwochmorgen sturzbetrunken in einer Pfütze meiner eigenen Kotze aufwachen".