Silicon Valley des Mittleren Ostens Dubai setzt neue Maßstäbe – und lässt Deutschland alt aussehen

Die Straßen von Dubai bei Nacht, nebenan ragen Hochhäuser in den Himmel. Quelle: REUTERS

Dubai will bis 2021 eine digitale Revolution vollziehen. Bis dahin soll die Bürokratie komplett digital funktionieren, Papier wird verbannt. Das arabische Emirat ist seiner Zeit voraus – und was macht Deutschland?

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Rollend patroullieren die „Robocops“ auf den Straßen Dubais. Seit Mitte 2017 erhalten die menschlichen Polizisten Unterstützung von den Maschinen, um die Stadt noch sicherer zu machen. Die künstlichen Kollegen der Ordnungshüter haben die Größe einer ausgewachsenen Person und tragen weiße Masken, die all die Kabel und Drähte verstecken. Auf der Brust haben die Roboter einen Touchscreen. Bei Bedarf kann das Gegenüber auf diesem eine Straftat melden.

Die Robo-Polizisten sind nur eine von vielen Maßnahmen, die die digitale Wende in Dubai voranbringen sollen. In Europa geht der digitale Wandel hingegen nur schleppend voran. Möglicherweise könnte sich Deutschland einige Veränderungsansätze von Dubai abschauen, um die eigene Transformation in Gang zu kriegen.

Die Stadt am Persischen Golf hat viel vor. Sie will als Innovationshub zum Pilgerort für Start-up-Gründer werden, die Verwaltung komplett digitalisieren und nebenbei noch ihre Bürger glücklicher machen. Die neue Innovationsfreude hat pragmatische Gründe: Das Emirat möchte sich vom Ölsektor unabhängiger machen und zukünftig aufgrund anderer Branchen, wie zum Beispiel der Blockchain-Industrie, wachsen. Um das zu schaffen, setzt der Regierungschef von Dubai, Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktum, auf digitale Veränderung. Die einzelnen Schritte dieses Wandels sind in der „Smart Dubai“-Strategie festgehalten. Damit beschreitet die Weltstadt einen Weg, bei dem viele nominell fortschrittlichere Länder nicht mithalten können.

„Viele große Städte leiden unter den gleichen Problemen: Tägliche Staus, knapper Wohnraum und steigende Umweltbelastung. Digitale Angebote können einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten“, erklärt Gernot Strube, Seniorpartner von McKinsey in München.

Genau das will Dubai schaffen. 2014 definierte die Stabstelle der „Smart Dubai“-Strategie sechs Themenfelder, anhand derer die Drei-Millionen-Einwohnerstadt die digitale Veränderung durchführen soll. Dazu gehören unter anderem die smarte Regierung, die smarte Mobilität und die smarte Wirtschaftlichkeit der Stadt.

Bis 2021 soll die gesamte Interaktion zwischen Bürgern und Regierung digital ablaufen, ohne Papier und auch ohne Bargeld. So können Privatpersonen beispielsweise über die DubaiNow App ihren Neuwagen registrieren oder Strafzettel bezahlen. Unternehmen haben die Möglichkeit, über die Plattform einen Handelsnamen einzutragen und ihren registrierten Gewerbeschein zu verfolgen. Die Regierung hofft, so bis zu 80.000 Tonnen Papier pro Jahr zu sparen.

Statt zu festen Öffnungszeiten zu Büros zu pilgern und dort Schlange zu stehen, sollen die Bürger ihre Anliegen online lösen können, wann und wo es ihnen gefällt. Davon versprechen die Smart-Dubai-Planer nicht nur weniger Staus auf den Straßen, sondern auch weniger CO2-Emissionen. Auch eine steigende Zahl selbstfahrender Autos und Busse soll zum entspannten Verkehr der Zukunft beitragen.

Das ist ganz im Sinne einer Studie, die McKinsey voriges Jahr veröffentlicht hat. Die Unternehmensberatung fand darin heraus, dass sich tägliche Pendelzeiten in Smart Cities dank intelligenter Mobilitätslösungen um durchschnittlich 20 Prozent verringern lassen.

Dubai will den Erfolg ihrer digitalen Transformation anhand der Zufriedenheit der Bürger messen. Die These lautet, je weiter verbreitet neue Technologien sind, desto glücklicher und sorgenfreier leben die Leute. Wenn die „Smart Dubai“-Strategie vollständig umgesetzt ist, müsste die Bevölkerung des Emirats demnach zu den glücklichsten der Welt gehören.

Glück objektiv zu messen ist zwar unmöglich. Der World Happiness Report versucht es dennoch. Jedes Jahr erstellen die Vereinten Nationen anhand einer standardisierten Umfrage eine Liste der glücklichsten Länder der Welt. In die Berechnungen fließen folgende Faktoren mit ein: eine Bewertung zur Zufriedenheit der persönlichen Lebenssituation, das Bruttoinlandsprodukt, die Lebenserwartung, Großzügigkeit, soziale Unterstützung, Freiheit und Korruption. Zurzeit befinden sich die Arabischen Emirate, zu denen Dubai gehört, lediglich auf Platz 21. Um nach oben aufzuschließen, hat Dubai also noch viel zu tun – und nur zwei Jahre Zeit.

Es ist ein ambitionierter Plan, den sich Dubai da gesetzt hat. Viele vermeintlich fortschrittliche Länder in Westeuropa, unter ihnen Deutschland, können da nur neidisch gen Osten blicken.

Im diesjährigen DESI-Bericht (Digital Economy and Society Index), welcher den digitalen Fortschritt der 28 EU-Mitgliedstaaten analysiert und bewertet, belegt Deutschland mit der Nutzung des E-Government Angebots den drittletzten Platz. Nur Griechenland und Italien schneiden noch schlechter ab.

Immerhin: In Sachen Mobilität haben die Deutschen zumindest in der Forschung die Nase vorne. 52 Prozent aller Patente zum automatisierten Fahren kommen aus Deutschland. Auch bei der Start-Up-Förderung ist Deutschland aktiv – allerdings mit durchwachsenem Erfolg. Die Gründerzahl bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Zudem beantragen nur zwei Drittel der Gründer überhaupt staatliche Förderung.

Einer der Gründe für Deutschlands Misere ist der Föderalismus. In den einzelnen Bundesländern unterscheiden sich die gesetzlichen Regelungen noch immer, was eine einheitliche Transformation nur schleppend vorantreibt.

„Damit deutsche Städte in den kommenden Jahren im internationalen Vergleich zu führenden Smart-Cities aufsteigen, müssen sie heute enger zusammenarbeiten und einen ganzheitlichen Ansatz finden“, empfiehlt deshalb Harald A. Summa, Geschäftsführer des Verbandes der Internetwirtschaft eco. Zudem gibt es laut Chris Boos, Mitglied des deutschen Digitalrates, ein strukturelles Problem: „Uns geht es viel zu gut. Es gibt keine großen Probleme mehr. Deswegen ist keiner motiviert, etwas rabiat zu ändern.“

Das ist in Dubai anders, wo der anhaltend niedrige Ölpreis die Regierung zum Handeln zwingt. Zudem ist es natürlich einfacher, in einem zentral regierten Stadtstaat mit gerade einmal drei Millionen Einwohnern weitreichende Reformen durchzuführen als in der föderalen Bundesrepublik mit ihren 83 Millionen Einwohnern.

Ohnehin muss auch Dubai erst beweisen, ob es seine hoch gesteckten Ziele erreichen kann. Zwei Jahre hat es nun Zeit, um zu zeigen, ob das smarte Dubai wirklich Vorbild für die Welt sein kann – oder es doch nur ein Märchen aus 1001 Nacht.

Das sind Deutschlands digitalste Städte
Platz 10: DresdenDie sächsische Hauptstadt belegt Platz 10. Die organisatorische Basis ist geschaffen: Bei Smart Mobility erreicht die Stadt 25 Prozent. Handlungsbedarf besteht noch in den Bereichen Digitale Infrastruktur und Smart Energy & Environment. Smart Energy & Environment: 24 % Smart Mobility: 25 % Smart Building & Security: 0 % Smart Health: 14 % Smart Education: 6 % Smart Government: 16 % Digitale Infrastruktur: 10 %Gesamt: 24 %Die große Smart-City-Analyse der WirtschaftsWoche finden Sie hier. Wie Ihre Stadt im Ranking abschneidet, zeigt Ihnen unsere interaktive Infografik. Quelle: imago images
Platz 9: DortmundDortmund erreichte das Ranking der Top-10 mit der Basis für eine Smart City von 80 Prozent und einem Wert von 29 Prozent bei Smart Mobility. Die Digitale Infrastruktur liegt dagegen erst bei drei Prozent. Smart Energy & Environment: 13 % Smart Mobility: 29 % Smart Building & Security: 22 % Smart Health: 16 % Smart Education: 6 % Smart Government: 17 % Digitale Infrastruktur: 3 %Gesamt: 26 % Quelle: imago images
Platz 8: DüsseldorfDie Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen liegt neben Köln auf dem zweiten Rang im Bereich Smart Mobilty. Die digitale Infrastruktur dagegen steht hier erst zu zwei Prozent. Smart Energy & Environment: 23 % Smart Mobility: 33 % Smart Building & Security: 0 % Smart Health: 15 % Smart Education: 6 % Smart Government: 12 % Digitale Infrastruktur: 2 %Gesamt: 27 % Quelle: imago images
Platz 7: WolfsburgDie Stadt ist mit einem Ausschöpfungsgrad von 34 Prozent bundesweit Spitzenreiter in der Smart Mobility. Nachholbedarf besteht im Bereich Digitale Infrastruktur, hier liegt der Wert erst bei sieben Prozent. Smart Energy & Environment: 29 % Smart Mobility: 34 % Smart Building & Security: 0 % Smart Health: 0 % Smart Education: 7 % Smart Government: 16 % Digitale Infrastruktur: 7 %Gesamt: 27 % Quelle: imago images
Platz 6: BerlinWie bei allen Städten der Spitzengruppe sind die organisatorischen Voraussetzungen vorhanden. Smart Mobility liegt bei 30 Prozent. Aber in Sachen Digitale Infrastruktur und Smart Energy & Environment sollte die Hauptstadt kräftig zulegen. Smart Energy & Environment: 14 % Smart Mobility: 30 % Smart Building & Security: 10 % Smart Health: 14 % Smart Education: 12 % Smart Government: 16 % Digitale Infrastruktur: 1 %Gesamt: 27 % Quelle: dpa
Platz 5: DarmstadtDarmstadt hat eine agile Organisation mit guten Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung geschaffen. Bei Smart Energy nutzt die Stadt mit 36 Prozent ihr Potenzial am besten aus. Aber auch hier ist Digitale Infrastruktur noch nicht weit entwickelt. Smart Energy & Environment: 36 % Smart Mobility: 13 % Smart Building & Security: 7 % Smart Health: 17 % Smart Education: 6 % Smart Government: 16 % Digitale Infrastruktur: 1 %Gesamt: 28 % Quelle: imago images
Platz 4: BonnDie ehemalige Bundeshauptstadt behauptet sich auf Rang vier aufgrund einer guten Organisation und der vorderen Platzierung bei Smart Energy & Environment. Die Digitale Infrastruktur ist allerdings erst zu sechs Prozent vorhanden. Smart Energy & Environment: 31 % Smart Mobility: 24 % Smart Building & Security: 17 % Smart Health: 15 % Smart Education: 6 % Smart Government: 16 % Digitale Infrastruktur: 6 %Gesamt: 28 % Quelle: imago images
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