Smog-Alarm in Indien Gefährliche Luft

Indiens Hauptstadt im Ausnahmezustand: Wegen des Smog-Alarms haben Schulen in Neu Delhi geschlossen, Bauarbeiten sind verboten. Nun will Indien im Kampf gegen die Umweltverschmutzung gigantische Summen investieren.

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Der graue Schleier über der Stadt steht für die dramatischen Folgen von Indiens rasant steigendem Emissionsausstoß. Quelle: dpa

Bangkok Die extreme Luftverschmutzung bringt Indiens Hauptstadt in den Ausnahmezustand. Mehrere Tausend Schulen in Neu Delhi haben auf Anordnung der Behörden geschlossen. Bauarbeiten sind vorübergehend verboten. Ein Kohlekraftwerk musste seinen Betrieb einstellen. Diesel-Generatoren dürfen bis Freitag nicht mehr in Betrieb genommen werden. Auslöser für die Notmaßnahmen ist der rekordverdächtige Smog, der die Metropole seit Tagen in einen dichten, gesundheitsgefährdenden Nebel hüllt. „Die Menschen sollten nach Möglichkeit zuhause bleiben“, forderte Delhis Regierungschef Arvind Kejriwal am Wochenende.

Der graue Schleier über seiner Stadt steht für die dramatischen Folgen von Indiens rasant steigendem Emissionsausstoß: Kraftwerke, Autos und unkontrollierte Müllverbrennung verpesten nicht nur die Luft, sondern machen Indien auch zum drittgrößten Verursacher des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid. Doch die Regierung von Premierminister Narendra Modi will mit einem Kraftakt die Umweltkatastrophe in dem 1,3 Milliarden Einwohner großen Land stoppen. Anbietern von Umwelttechnologie könnte sich damit ein gigantischer Absatzmarkt eröffnen.

Im Oktober ratifizierte Indien das im vergangenen Jahr in Paris ausgehandelte Klimaschutzabkommen. Modi legte einen ambitionierten Plan vor, um seinem Land den Ruf des Klimasünders zu nehmen: Bis 2030 sollen 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren oder anderen emissionsarmen Quellen stammen. Die Kapazität von Solar- und Windkraftwerken wird, wenn es nach Plan geht, bereits bis 2022 von zuletzt rund 43 Gigawatt auf 175 Gigawatt ansteigen. Zudem verspricht Modi, die Emissionsintensität in den kommenden anderthalb Jahrzehnten im Vergleich zu 2005 um mehr als ein Drittel abzubauen. Pro erwirtschafteter Rupie soll von Indien aus künftig demnach bis zu 35 Prozent weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen werden als noch vor zehn Jahren.

Um die Ziele zu erreichen, sind enorme Investitionen nötig. Indiens Regierung beziffert die volkswirtschaftlichen Kosten für die kommenden anderthalb Jahrzehnte auf 2,5 Billionen US-Dollar. Auf der noch bis kommende Woche laufenden Klimakonferenz in Marokko setzt sich Indien für internationale Unterstützung für das Mammutprojekt ein.


„Für deutsche Anbieter langfristig gute Geschäftschancen“

Das Land fordert von reichen Industrienationen Technologietransfers und Hilfe bei der Finanzierung der Klimaprojekte. Die Weltbank hat bereits für das kommende Jahr einen Milliardenkredit zugesagt, um den Ausbau der Solarenergie auf dem Subkontinent anzuschieben. Auch die deutsche Entwicklungsbank KfW finanziert Umweltprojekte in dem Schwellenland.

Thomas Hundt, Indienexperte der deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaftsförderung GTAI, zeigt sich optimistisch, dass die heimische Wirtschaft den indischen Klimaschutz unterstützen kann: „Eine starke Zunahme der Investitionen in Umwelttechnik ist in Indien dringend erforderlich“, schreibt er in einer Marktanalyse. Die Nachfrage nach Umwelttechnik und Umweltberatung wachse. „Für deutsche Anbieter bestehen langfristig gute Geschäftschancen“, meint Hundt. Er verweist unter anderem auf die Hersteller von Messgeräten, Filtern, sowie von Anlagen für die Abwasser- und Abfallbehandlung. Auch Beratungs- und Ingenieurdienstleistungen seien gefragt.

Für die Bevölkerung in Delhi ist der dringende Handlungsbedarf unverkennbar. Die Feinstaubwerte sprengten in den vergangenen Tagen die Skala der Messgeräte, mit denen viele Familien in der Großstadt die Luftqualität in ihrem Zuhause messen. Die Displays zeigten nur noch 999 – rund 15 Mal mehr als der als sicher angesehene Grenzwert. Ärzte warnen vor Entwicklungsstörungen von Kindern in Folge der Luftverschmutzung. Einer im Juni veröffentlichten Studie zufolge verlieren Delhis Einwohner mehr als sechs Jahre an Lebenserwartung aufgrund der Feinstaubbelastung. Angesichts der besorgniserregenden Entwicklung stoßen die staatlichen Pläne zum Umweltschutz zunehmend auf Zuspruch. „Hört auf, allein die Regierung verantwortlich zu machen“, forderte die Schauspielerin Diya Mirza von ihren Fans auf Twitter. „Seid selbst Teil der Lösung.“

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