Spaniens Populisten Podemos vor der Selbst-Entmachtung

Einst wollten die spanischen Linkspopulisten das System verändern, jetzt droht die Partei an internen Grabenkämpfen zu zerbrechen. Der Parteikongress am Wochenende dürfte die Entscheidung bringen.

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Der Streit zwischen Podemos-Chef Pablo Iglesias (r.) und seiner Nummer zwei, Inigo Errejon, droht die Partei zu spalten. Quelle: AFP

Madrid Die spanischen Populisten von Podemos (Wir können) sind mit hochfliegenden Plänen gestartet. Als sich die Partei vor gerade mal drei Jahren gründete, wollte sie das System verändern, der elitären Kaste in Spanien den Garaus machen und den Krisenverlieren in der Gesellschaft eine Stimme geben.

Vor allem bei jungen Wählern kam der Plan gut an – die Partei erzielte Ende 2015 aus dem Stand heraus 21 Prozent der Stimmen. Zwischenzeitlich war sogar eine Regierungsbeteiligung zum Greifen nah. Doch als daraus nichts wurde und die Enthusiasten in den Neuwahlen im Juni vergangenen Jahres sogar Stimmen verloren, legte das den Grundstein für ein internes Zerwürfnis.

Der medienaffine Parteichef Pablo Iglesias und die Nummer zwei der Partei, Íñigo Errejón, haben sich über die Zukunft ihres gemeinsamen Projektes so sehr in die Haare bekommen, dass die Partei kurz vor dem Auseinanderbrechen steht.

Zum Showdown kommt es auf dem Parteitag, der an diesem Wochenende vor den Toren Madrids stattfindet. Es ist der zweite in der kurzen Geschichte von Podemos. Die 450.000 registrierten Parteimitglieder stimmen seit dem vergangenen Samstag online darüber ab, ob der Flügel der Pablistas oder der Errejonistas die Oberhand gewinnt. Am morgigen Samstag endet die Abstimmung. Das Ergebnis will Podemos am Sonntagmittag bekannt geben.

Anfangs war die Partei noch stolz darauf, die eigenen Konflikte eben nicht wie die Etablierten zu negieren und unter Parteidisziplin einzumauern. Doch inzwischen lähmen die öffentlich ausgetragenen Attacken den gesamten Apparat. Gesprochen wird nur noch über Taktik und nicht mehr über Politik. „Wir haben den Fehler begangen, zu viel über uns selbst zu reden und ich glaube, dass die Leute uns über ihre Probleme reden hören möchte, das macht Politik aus“, räumt Iglesias in einem Interview ein.

Die Suche nach der eigenen Identität ist in jungen Parteien genau wie bei Teenagern zwar ein wichtiger Teil des Erwachsenwerdens. „Es war vorherzusehen, dass eine neue Partei, die so schnell so stark wächst, über kurz oder lang interne Auseinandersetzungen über die eigene Ausrichtung haben würde“, sagt der Politologe Francisco José Vanaclocha Bellver von der Universität Carlos III in Madrid. „Aber dass sie so heftig ausfallen würden hat niemand erwartet – zumal deshalb nicht, weil Iglesias und Errejón seit Jahren eng befreundet sind.“


Was die Partei spaltet

Dabei sind sich die beiden im Ziel weiter einig: Sie wollen die Sozialisten als stärkste linke Macht ablösen, um die Regierung von den Konservativen übernehmen. Streit gibt es aber über den richtigen Weg dahin. Der kampflustige Iglesias will die Partei klar auf der linken Seite verorten, als radikale Bewegung, die weiter Straßenproteste organisiert, auch wenn sie nun in den Institutionen vertreten ist.

Errejón, dessen jugendliches Gesicht an das von Harry Potter erinnert, legt den Fokus dagegen auf die Arbeit im Parlament.  Der 33-jährige Politikwissenschaftler schlägt moderatere Töne an und ist bereit, zur Not auch mal mit den Sozialisten zu koalieren, um die eigenen politischen Ziele durchzusetzen.

Neben den beiden Hauptrichtungen gibt es noch den deutlich kleineren Flügel der Antikapitalisten. Sie liegen nicht weit von der Linie Iglesias‘ entfernt, präsentieren sich auf dem Parteitag aber mit eigenem Programm.

Da Podemos noch so jung ist und keine Erfahrungen damit hat, welchem Flügel wie viele seiner meist online registrierten Mitglieder zuneigen, lässt sich das Abstimmungsergebnis nur schwer vorhersagen. Bei einem anderen Votum im Dezember waren die Stimmen fast gleich auf Iglesias und Errejón verteilt. Iglesias, der lange das Gesicht der Partei war, hat seinen Rücktritt als Parteichef angekündigt, falls er unterlegen sein sollte.

An seiner Person scheiden sich inzwischen die Geister. „Iglesias ist die größte Stärke und gleichzeitig die größte Schwäche von Podemos“, sagt Antonio Barroso vom Beratungsunternehmen Teneo Intelligence. Der 38-jährige Politikprofessor ist ein ausgezeichneter Kommunikator und hat mit seiner Schlagfertigkeit in allen Fernsehdebatten überzeugt. „Den Pferdeschwanz“ (la coleta) wie ihn die Spanier wegen seiner langen Haare nennen, kennt inzwischen jeder im Land.

Allerdings hat Iglesias in den Gesprächen zur Regierungsbildung auch eine sehr aggressive bis arrogante Haltung gegenüber den Sozialisten an den Tag gelegt. „Ich glaube, das hat ihn viel Zuspruch gekostet“, sagt Barroso. In den jüngsten Umfragen landet der Podemos-Chef auf dem letzten Platz in der Beliebtheit der vier großen Parteiführer. Das Schlusslicht hatte sonst stets der konservative Premierminister  Mariano Rajoy inne. Podemos als Partei landet dagegen auf dem zweiten Platz.

Dass sich die Kontrahenten nach dem Parteikongress doch noch auf eine gemeinsame Linie einigen und ihr Kriegsbeil begraben, halten die meisten Beobachter angesichts des intensiven Streits für unwahrscheinlich. Podemos hat fünf Millionen Wähler – die Partei wird nach diesem Wochenende nicht verschwinden. Aber sie wird sich womöglich eine ganz neue Form geben.

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