Spannungen um Taiwan „Dann müssten die Deutschen niederknien und betteln“

Der taiwanesische Germanist Jhy-Wey Shieh ist derzeit der diplomatische Vertreter Taiwans in der Bundesrepublik Deutschland. Quelle: dpa

Der Repräsentant Taiwans in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, über die bedrohliche Situation für sein Land durch den Besuch von US-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi – und mögliche wirtschaftliche Folgen für Deutschland.

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WirtschaftsWoche: Herr Repräsentant, was macht die Situation für Taiwan zurzeit bedrohlicher als sie vorher bereits war?

Jhy-Wey Shieh: Frau Pelosi ist amerikanische Parlamentspräsidentin, sie ist formell dritthöchste Person in den USA. Wenn sie nun Taiwan besucht, ist sie aber nicht an die amerikanische Administration, an die Regierung, gebunden. Bei den Chinesen herrscht allerdings eine Diktatur, sie kennen diese Gewaltenteilung nicht. Sie kennen nur Gewaltanwendung. US-Präsident Biden hat aber Frau Pelosi nicht zu sagen, ob sie einen Besuch macht oder nicht. Da prallen nun zwei Wertesysteme aufeinander.

Aber warum ist das so bedrohlich?
China ist militärisch stark und eine Diktatur. Und wie Russland in der Ukraine sieht China in Taiwan einen Teil des eigenen Territoriums. Das ist aber „Fake News“, weil die Volksrepublik China Taiwan ja keinen einzigen Tag regiert hat seit der Gründung 1949.

Welche Folgen hat das, die bis nach Europa und Deutschland reichen?
Spätestens seit dem Invasionskrieg von Russland in der Ukraine muss man in Europa und Deutschland gelernt haben, dass jedes unnötige Zugeständnis an eine Diktatur diese nur in ihrem Tun bestärkt. Spätestens seit dem 24. Februar müssen Demokratien immer zeigen, dass Freiheit nicht verhandelbar ist und Imperialismus keinen Platz haben darf.

Was erwarten Sie von der deutschen Regierung genau?
Ich muss der Regierung nicht sagen, dass Zeitenwende auch heißt, dass man das Blatt wenden muss. Das Schicksal, unter dem viele Ukrainer heute leiden, hätte man ihnen ersparen können. Dafür hätte man frühzeitig die strategischen Fehler und die eigenen Denkfehler einsehen müssen gegenüber Putin und Russland. Man muss sofort reagieren, wenn die Freiheit einer Demokratie verletzt wird.

Deutschland hat enge Beziehungen nach Taiwan, insbesondere wirtschaftliche. Was würde eine chinesische Invasion auch für deutsche Unternehmen bedeuten?
Es geht nicht nur um Industriechips, um Halbleiter, die zum großen Teil aus Taiwan kommen. Kein deutsches Auto, kein Volkswagen, BMW oder Daimler Benz, auch kein Handy, funktioniert ohne Chips oder andere Komponenten aus Taiwan. Die Halbleiterindustrie ist auch wichtig fürs Funktionieren militärischer und strategischer Ausrüstung. Die Europäer können es sich nicht leisten, dass Taiwan mit der gesamten Halbleiterindustrie und den Lieferketten unter die Kontrolle von China gerät. Die Chinesen würden daraus Erpressungspotenzial entwickeln. Dann müssten die Deutschen und andere niederknien und betteln, um an die Komponenten von China zu kommen.

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Was raten Sie Unternehmerinnen und Unternehmern, die mit Taiwan verbunden sind?
In China sind rund 5000 deutsche Unternehmen tätig, ganz große und kleine….

Worum geht es bei dem Streit um Taiwan?

…  ich hatte nach Taiwan gefragt und Sie antworten mit China ….
Ja. Sie alle sollten sich klar machen, dass die Chinesen mindestens so abhängig sind von deutschen Unternehmen wie umgekehrt. Die Chinesen haben Deutschland und die Unternehmen immer wieder erfolgreich unter Druck gesetzt. Leider. Auch chinesische Unternehmen sind aber abhängig von der deutschen Industrie.

Wo sehen Sie den Einfluss?
Alles was Maschinenbau angeht, bei Werkzeugmaschinen oder in der Autoindustrie, auch in der Chemie, da ist Deutschland stark. Da werden gute Geschäfte gemacht. Die Deutschen sollten beherzigen, nicht alle Eier in einem Korb zu tragen. Und wenn die Lieferketten vielfältiger werden, kann Taiwan auch eine entscheidende Rolle spielen. Bei uns sind die Leute gut ausgebildet und fleißig. Man muss uns die Möglichkeit zur Zusammenarbeit geben.

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Da steht doch die Maßgabe aus Peking entgegen, dass es nur ein China geben darf und Taiwan international nicht vollständig anerkannt ist, oder? 
Bis heute liefert Taiwan 40 Prozent seiner Ausfuhren nach China, durch Hongkong hindurch. China macht dann daraus seine Produkte und verdient gut daran. Würden sie diese Verbindung kappen, schnitten sie sich ins eigene Fleisch. Wir haben aber immer gesagt, wir stehen für Freiheit und unsere Demokratie geben wir nicht her. Seit dem 24. Februar müssten alle wachgerüttelt sein, dass Frieden, Sicherheit und Stabilität verteidigt werden müssen. Der Westen würde seinen Fehler wiederholen, wenn er nun Taiwan im Stich lässt.

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