Gegen 13:30 Uhr brandet Jubel im Collect Pond Park auf. Es ist der Moment, in dem auf den Smartphones der Demonstranten die Meldung einläuft, auf die viele von ihnen teils Jahre gewartet haben: Donald Trump wurde verhaftet. Zu sehen gab es von dem abgesperrten Areal gegenüber dem Gerichtsgebäude in Lower Manhattan zwar nichts – der Ex-Präsident hatte sich am Hintereingang den Behörden gestellt, geschützt vor den Blicken der hunderten Schaulustigen und Journalisten, die sich vor dem Gericht versammelt hatten – doch allein das Wissen, dass Trump sich in Haft befindet, reichte aus, um Freudenschreie unter den Gegnern des abgewählten Staatsoberhaupts auszulösen. Die rund 150 Trump-Anhänger, die sich ebenfalls in dem Park versammelt hatten, konnten dem für den Moment nichts entgegensetzen.
In New York waren die Trump-Gegner in der Mehrheit. Und auch der Großteil der US-Bevölkerung hält es Umfragen zufolge für gerechtfertigt, dass der Ex-Präsident nun formal als Angeklagter geführt wird. Doch trotzdem weiß Trump seine Verhaftung für sich zu nutzen.
Seit in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass der Bezirksstaatsanwalt von New York ein Strafverfahren gegen den Ex-Präsidenten eröffnen würde, ist der Rückhalt für ihn an der Basis anscheinend gewachsen. Und das nicht nur in Form moralischer Unterstützung.
Trump hatte die Meldung über seine Anklage früh genutzt, um Spenden zu sammeln. Den ersten Aufruf verschickte sein Wahlkampfteam nur wenige Minuten, nachdem es die offizielle Stellungnahme des Kandidaten über die Eröffnung des Verfahrens verbreitet hatte. Mit Erfolg. Am Wochenende teilte die Kampagne mit, man habe in den ersten 24 Stunden rund vier Millionen Dollar an Zuwendungen eingesammelt. Das Geld sei aus allen 50 Staaten geflossen, 25 Prozent kam von Erstspendern.
Ob diese Behauptungen zutreffen, lässt sich derzeit noch nicht prüfen. Am 15. April jedoch muss Trumps Wahlkampfteam bei der Wahlaufsichtsbehörde FEC den jedes Quartal vorgeschriebenen Bericht über die Finanzen seiner Kampagne offenlegen. Angeblich fließt das Geld weiter. Kurz nachdem Trump am Dienstag dem Richter vorgeführt wurde, verkündete sein Wahlkampfteam, es habe mittlerweile zehn Millionen Dollar an Zuwendungen eingesammelt.
Die drei Schweigegeldfälle in der Trump-Anklage
Dino S. behauptete der am Dienstag verlesenen Auflistung des Bezirksstaatsanwalts in Manhattan, Alvin Bragg, zufolge, Informationen über ein aus einer außerehelichen Affäre stammendes Kind von Trump zu haben. Demnach soll er mit 30.000 Dollar dazu bewegt worden sein, die Geschichte für sich zu behalten.
Gezahlt haben soll das Geld die Muttergesellschaft der Illustrierten „National Enquirer“, American Media, um sich damit die Rechte an dem Gerücht, Trump habe mit einer Angestellten im Trump Tower ein Kind gezeugt, zu sichern. Der Trump Tower ist ein Hochhaus im Besitz des Angeklagten in der Nähe des Hauptquartiers der Vereinten Nationen in New York.
Der Vertrag mit S. soll eine Strafe von einer Million Dollar für den Fall vorgesehen haben, dass dieser die Geschichte verbreitet. Die Frau, um die es geht, hatte in einem Interview der Nachrichtenagentur AP im Jahr 2017 bestritten, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben.
Bragg berief sich auch auf den Fall des früheren Playboy-Models, das 150.000 Dollar von American Media erhalten haben soll. McDougal hatte behauptet, Mitte der 2000er Jahre über zehn Monate eine Affäre mit Trump gehabt zu haben. Das Geld diente dem Zweck, sich die Rechte an der Geschichte zu sichern, sie jedoch nie zu bringen – eine dubiose journalistische Praxis, die als „catch-and-kill“ bezeichnet wird, was etwa mit „einfangen und töten“ übersetzt werden kann. American Media hat explizit anerkannt, dass die Zahlung geleistet worden sei, um Trumps Präsidentschaftswahlkampf zu unterstützen.
Bragg sagte, Trump habe seinen damaligen Anwalt Michael Cohen, der zu dem Zeitpunkt für die Trump Organization arbeitete, „explizit“ angewiesen, American Media mit Bargeld zu entschädigen. Dann soll Cohen Trump gegenüber angedeutet haben, dass es besser wäre, die Zahlung über eine Strohfirma abzuwickeln. Die angebliche Beziehung zwischen McDougal und Trump blieb unter Verschluss, bis wenige Tage vor dem Wahltag 2016 das „Wall Street Journal“ darüber berichtete. Trump hat die Affäre bestritten.
Der dritte und wohl bekannteste Fall betrifft die Pornodarstellerin Stormy Daniels, bürgerlicher Name Stephanie Clifford. Ihr wurden 130.000 Dollar gezahlt, um ihr Schweigen über eine sexuelle Begegnung mit Trump in Lake Tahoe, Nevada, im Jahr 2006 zu erkaufen. Auch in diesem Fall hat Trump abgestritten, dass es die Verbindung überhaupt gab.
Bragg hat erklärt, Cohen habe dem Anwalt von Clifford zwölf Tage vor der Wahl am 8. November 2016 das Geld überwiesen. Dafür habe er eine mittels eines Bankhauses in Manhattan gegründete Strohfirma genutzt. Geschehen sei dies, nachdem Clifford angedeutet hatte, dass sie bereit sei, entweder mit dem „National Enquirer“ oder dem Fernsehen über die Begegnung zu sprechen.
Gegenüber Reportern insistierte Trump im April 2018 im Regierungsflieger Air Force One, er wisse nichts von der Zahlung. Bragg sagte dagegen am Dienstag, Trump habe Cohen nach seinem Wahlsieg 2016 mit Geld aus zwei Quellen entschädigt: einem Treuhandfonds, der Vermögenswerte der Trump Organization verwaltete – und mittels seines eigenen Bankkontos.
Vor diesem Hintergrund müsste Trump dem New Yorker Staatsanwalt eigentlich dankbar sein. Denn die Finanzen seiner Kampagne hatten einen Schub deutlich nötig. Nachdem Trump im November 2022 seine erneute Kandidatur fürs Weiße Haus erklärt hatte, tat er sich ungewöhnlich schwer, von seinen Anhängern Geld einzusammeln. Bis zum Jahresende kamen lediglich 9,5 Millionen Dollar zusammen – ein Bruchteil von dem, was andere Favoriten in der Vergangenheit nach ihrem Wahlkampfauftakt an Spenden mobilisieren konnten. Trumps Gesamtsumme entsprach einem Tagesdurchschnitt von 201.000 Dollar. Zum Vergleich: Jeb Bush kam 2015, nachdem er seine Präsidentschaftskandidatur erklärt hatte, auf im Schnitt 762.000 Dollar an Zuwendungen. Hillary Clinton auf 594.400 Dollar. Mitt Romney, 2012 der Nominierte der Republikaner, kam zu Beginn seiner Kampagne auf einen Tagesschnitt von 633.900 Dollar.
Allerdings startete Trump seinen Wahlkampf auch zu einer ungewöhnlich schwierigen Zeit. Nur wenige Tage nach den Zwischenwahlen dürften zahlreiche Spender schlicht nicht in Geberlaune gewesen sein. Das ganze Jahr waren sie von Kongresskandidaten um Zuwendungen gebeten worden. Auch Trump hatte fleißig um Geld geworben, sammelte etwa 80 Millionen Dollar für politische Aktivitäten ein, die er rechtlich allerdings nicht für seinen Wahlkampf nutzen darf.
Dass die Republikaner bei den Midterms dann auch noch enttäuschend abgeschnitten hatten, dürfte die Großzügigkeit der potenziellen Geber weiter gebremst haben. Fällt Trumps nächster Quartalsbericht ebenfalls enttäuschend aus, kann das für ihn zum Problem werden: Der Favoritenstatus hängt in der US-Politik nicht nur von den Umfragewerten ab, sondern auch von der Kriegskasse. Ob ihn die Anklage in New York vor diesem Schicksal bewahrt hat, erfährt die Öffentlichkeit in der kommenden Woche.
Sollte dies der Fall sein, könnte sich das Verfahren für Trump sogar lohnen. Beobachter zeigten sich am Dienstag skeptisch, ob dem Ex-Präsidenten angesichts der in der Anklageschrift aufgeführten Vorwürfe tatsächlich eine Verurteilung droht. Schlussendlich wird darüber das Gericht entscheiden. Klar ist allerdings jetzt schon, dass sich das Verfahren ziehen wird. Der nächste Gerichtstermin steht erst am 4. Dezember an – zwei Monate, bevor der Vorwahlprozess der Republikaner um die Präsidentschaftsnominierung offiziell beginnt. Viel Zeit für den Ex-Präsidenten, sich als Opfer einer politischen Verfolgung zu inszenieren.
Begonnen hat er damit bereits. Nachdem er im Anschluss an seine Verhaftung wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, verließ er seine alte Heimat New York und flog zurück nach Mar-a-Lago, seinen Wohnsitz in Palm Beach, Florida. Dort trat er am Abend noch einmal vor die Kameras, hielt eine etwa 25-minütige Rede, in der er seine Anklage nur am Rande erwähnte. Der Bezirksstaatsanwalt sei voreingenommen und auch der Richters sei voreingenommen, klagte der Ex-Präsident. Genug Gründe also für seine Anhänger, ihm weiter Geld zu schicken.
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