Staatspräsident Aleksandar Vucic Wie Serbiens Staatspräsident den Kosovo-Konflikt lösen will

Jahrzehntelang bewegte sich im Kosovo-Konflikt nichts. Serbiens Präsident Vucic will eine Lösung. Doch es fehlt die Unterstützung seiner Bürger.

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Der serbische Staatspräsident will den Dauerkonflikt beenden. Quelle: AP

Belgrad Es kommt nicht oft vor, dass Serbiens starker Mann Aleksandar Vucic Prügel von allen Seiten bezieht – von der Opposition sowieso, von der mächtigen orthodoxen Kirche und wohl auch von der schweigenden Mehrheit in seiner eigenen Regierungspartei.

Doch der Staatspräsident will jetzt den Dauerkonflikt um das fast nur noch von Albanern bewohnte und vor zehn Jahren abgefallene Kosovo lösen. Er hatte das ja auch seit Jahren Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochen. Im Gegenzug hatten Berlin und Brüssel weggeschaut, was Vucic zu Hause machte – mit den Medien oder der Justiz zum Beispiel. Hauptsache, Vucic schafft den Kompromiss im Kosovo. Und jetzt muss er liefern.

In der letzten Woche redete er erstmals Klartext. Es müsse eine „Abgrenzung“ zwischen beiden Völkern geben. Denn sonst würden sich die Albaner wegen ihrer hohen Geburtenzahlen tief ins serbische Kernland ausbreiten. Sollte es keine Lösung geben, werde sich die schon heute beklagte Massenabwanderung resignierter Landsleute aus Serbien dramatisch verschärfen. Die Bevölkerungszahl könnte dann von heute sieben auf vier Millionen fallen. Außerdem schwinde die ohnehin kleine serbische Minderheit im Kosovo drastisch.

Unter „Abgrenzung“ verstehen die Medien die Zuschlagung des mehrheitlich von Serben bewohnten Nord-Kosovos zu Serbien. Im Gegenzug könnte die Region rund um die südserbische Stadt Presevo mit einer lokalen albanischen Mehrheit dem Kosovo angegliedert werden. „Eine Teilung bedeutet für mich Krieg“, reagierte Kosovo-Regierungschef Ramush Haradinaj darauf. Staatschef Hashim Thaci will sich dagegen verstärkt um die Landsleute im Presevo-Tal kümmern und schwört die Bürger auf „schmerzhafte Kompromisse“ ein.

Deutschland ist klar gegen jede neue Grenzziehung. Berlin fürchtet, dass dann auch in Bosnien-Herzegowina, Montenegro oder Mazedonien dieses Beispiel Schule machen könnte. Der gesamte Balkan könnte wie bei den Bürgerkriegen in den 90er Jahren wieder in Flammen aufgehen. Doch erst muss Serbiens Vucic mal seine Bürger hinter sich bringen. Das verlangt noch Schwerstarbeit.

Denn in der neuesten Umfrage wollen über 71 Prozent auf einen EU-Beitritt verzichten, sollte dafür die völkerrechtliche Anerkennung des Kosovos die Vorbedingung sein. 43 Prozent setzen sich für das Einfrieren des Konflikts ein, um auf bessere Zeiten zu warten – und damit mehr als für jede andere Option.

Vucic kann ein eventuelles Umdenken der Bürger nur schaffen, wenn er eine Verbindung der Kosovo-Frage mit seiner politischen Zukunft herstellt. Denn immerhin findet er selbst in aktuellen Umfragen bei deutlich mehr als der absoluten Mehrheit Unterstützung.

Rund 150 Jahre stand das Kosovo wegen seiner mittelalterlichen Klöster und Schlachtfelder im Zentrum der serbischen Nationswerdung. Als „Herz Serbiens“ wurde es bezeichnet oder auch als „serbisches Jerusalem“. Mit dem „Totschlagen durch Mythen, dem Verkauf von Luft, der Konstruktion von Phrasen und dem sich und andere Belügen“ müssen jetzt Schluss sein, verlangt jetzt die Zeitung „Express“.

Und der eigentlich nationalkonservative Parlamentarier Aleksandar Cotric macht sich über die Betonköpfe in den eigenen Reihen lustig: „Die Bereitschaft zur Befreiung des Kosovos ist riesig. Die Leute wollen Krieg“, schreibt er in der Zeitung „Danas“: „Hört unsere patriotischen Analytiker! Amerika steht vor dem Kollaps, die EU zerfällt, Russland und China übernehmen die Herrschaft über den Planeten. Der antiserbische Westen haucht seine Seele aus“.

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