Statt Embargo Eine Preisobergrenze für russisches Öl!

Öltanker im Hafen von St. Petersburg: Ein scharfes Ölembargo gegen Russland birgt das Risiko einer Rezession. Quelle: imago images

Die EU stellt Ende des Jahres ein Ölembargo gegen Russland scharf. Das klingt entschlossen, birgt aber das Risiko einer Rezession. Besser wären Preisfestsetzungen, Zölle – und ein Versicherungsverbot für Exporteure. Ein Gastbeitrag von Michael R. Strain, Direktor für Wirtschaftspolitische Studien am American Enterprise Institute.

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Obwohl die Ölpreise in den vergangenen Wochen zurückgegangen sind, sind sie immer noch sehr hoch. Das wirkt sich auf die Benzinpreise aus und verursacht in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Europa wirtschaftliche und politische Probleme. Ein höheres Angebot aus Russland könnte die Preise senken. Aber die Einnahmen aus diesen zusätzlichen Verkäufen würden in Präsident Wladimir Putins Kriegsmaschinerie fließen.

Das jüngste Sanktionspaket der EU, das Ende des Jahres in Kraft treten soll und 90 Prozent aller Ölimporte aus Russland blockieren wird, verschärft womöglich das Problem: Die Sanktionen könnten die Preise noch höher treiben – und vielleicht eine globale Rezession auslösen.

US-Finanzministerin Janet Yellen hat eine Lösung vorgeschlagen. Ihr Plan sieht vor, Russland zu erlauben, weiter Öl zu exportieren, aber eine Obergrenze für dessen Preis festzulegen. Dies würde dazu beitragen, die Ölpreise zu deckeln. Und gleichzeitig gewährleisten, dass die USA und ihre Verbündeten Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht finanzieren.

Yellen hat versucht, Staatschefs auf der ganzen Welt für den Plan zu gewinnen, und in ihrer Abschlusserklärung von Ende Juni erklärten sich die G7-Staatschefs offen dafür. Die Details sind immer noch weitgehend unklar. Aber letztlich geht es darum, die russischen Exporte über die Weltmeere zu beenden, indem Exporteuren die Versicherungen für ihre Tankschiffe verweigert werden – es sei denn, Russland erklärt sich bereit, sein Öl unterhalb der Preisgrenze zu verkaufen. Ohne Versicherung könnten Schiffe mit russischen Ölexporten wichtige internationale Wasserstraßen nicht befahren.

Großbritannien und Europa sind in der Lage, erheblichen Druck auszuüben. Laut dem Centre for Research on Energy and Clean Air fielen 68 Prozent der Lieferungen russischen Rohöls in diesem Frühjahr auf Schiffe aus der EU, Großbritannien und Norwegen. Fast alle Tanker waren in Großbritannien, Norwegen oder Schweden versichert.

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Wenn alles nach Plan läuft, könnte Russland das Öl immer noch verkaufen, da die Preisgrenze etwas oberhalb der Grenzkosten für die Förderung liegen würde. Zu diesem Preis würde es für Russland wirtschaftlich Sinn ergeben, weiter zu fördern, aber es wären nicht genug Gewinne zur Finanzierung des Kriegs übrig. Und das zusätzliche Öl, das Russland exportieren würde, könnte zu sinkenden Weltmarktpreisen beitragen.



Natürlich wären auch Probleme denkbar. Russland könnte sich zum Beispiel rächen, indem es seine Öl- oder Erdgasexporte beendet, was vielen US-Verbündeten und den Weltmärkten erheblich schaden würde. Russland könnte auch darauf setzen, dass seine (unterdrückte) Bevölkerung wirtschaftliche Schwierigkeiten länger erduldet als sich selbst regierende Bürger in Ländern, die auf ihre Energieexporte angewiesen sind. Oder Russland könnte die Preisgrenze umgehen, indem es ihm freundlich gesinnten Ländern anbietet, Öl oberhalb der Preisgrenze, aber unterhalb des Weltmarktpreises zu verkaufen. Bereits jetzt geschieht etwas Ähnliches unter den bestehenden Sanktionen: China und Indien kaufen Öl aus Russland zu einem Rabatt von etwa 30 Dollar pro Fass. Auch hätten die Regierungen westlicher Staaten wohl Sorge dafür zu tragen, dass die Einsparungen durch eine Obergrenze nicht etwa den Raffinerien zugutekommen, sondern den Haushalten.

Trotzdem sollte die Obergrenze eingeführt werden. Könnte Russland kein Öl mehr fördern, würde es damit seinen Ölquellen langfristig schaden, das wird das Land verhindern wollen: Man kann die Ölförderung nicht ein- und ausschalten wie eine Lampe. Außerdem würde Russland sein Erdgas, anstatt es zu verkaufen, nur ungern vor Ort verbrennen. Russland könnte Rache üben, klar. Aber mehr Kontrolle über Russlands Energieerlöse gibt westlichen Ländern nicht weniger Munition für einen Gegenschlag an die Hand, sondern mehr. Geld für den Frieden.

Selbst wenn die Obergrenze die Benzinpreise kaum senken oder von einigen Ländern – wie China oder Indien – übergangen würde, würde sie immer noch einen Abwärtsdruck auf die Ölpreise ausüben und das Risiko verringern, dass die nächste Runde der europäischen Sanktionen einen Energiepreisschock auslöst, der die Weltwirtschaft in den Rückwärtsgang zwingt.

Würden Russland die nötigen Versicherungen verweigert, wären außerdem positive Nebeneffekte wahrscheinlich: Die USA, Großbritannien und die EU könnten von Ländern, die russisches Öl kaufen wollen – im Gegenzug für die Erlaubnis, ihre Tankschiffe zu versichern – weitere Zugeständnisse fordern. Ähnliche Bedingungen könnten auch für die Finanzierungen gelten, die für die russischen Ölexporte erforderlich sind.

Eine mögliche Idee könnte sein, Länder, wenn sie russisches Öl unterhalb der Preisgrenze kaufen, dazu zu verpflichten, Zölle einzuführen. Ein Teil dieser Einkünfte könnte dann in den Wiederaufbau der Ukraine fließen.

In den USA müsste der Kongress dafür sein Verbot von Ölimporten aus Russland rückgängig machen. Für Präsident Joe Bidens Regierung wäre das eine enorme politische Herausforderung. Und auch für andere Regierungen wäre es schwierig.

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Aber so könnten durch die Preisobergrenze nicht nur zwei Ziele erreicht werden, sondern drei. Erstens: Russisches Öl fließt weiter, um einen Ölschock durch die bevorstehenden EU-Sanktionen zu verhindern. Zweitens: Die Erlöse aus diesem Öl würden den Krieg in der Ukraine nicht mehr finanzieren. Und drittens: Relativ günstiges russisches Öl würde dazu verwendet, die Schäden in der Ukraine durch Putins brutalen Krieg zu beheben.

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Copyright: Project Syndicate

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