Stephen Bannon geht „Trump musste sich zwischen zwei schlechten Lösungen entscheiden“

Der progressive Flügel im Weißen Haus hat sich durchgesetzt: Stephen Bannon verlässt die US-Regierung. Psychologe Bart Rossi erklärt, warum Trump Bannon gegen seinen Willen entließ – und was die Folgen sind.

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Diese Mitarbeiter hat Trump schon vergrault
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Michael FlynnBereits im Februar gab Trumps Nationaler Sicherheitsberater, Michael Flynn, nach nicht einmal einem Monat sein Amt auf. Der Grund: Er hatte falsche Angaben zu seinen Russland-Kontakten gemacht. Er tritt auf Aufforderung des US-Präsidenten zurück, der Flynn jedoch als Opfer einer Medienkampagne sieht. Quelle: AP

Stephen Bannon wusste, dass er nicht lange im Weißen Haus tätig sein wird. In Washington kursierten schon lange die Gerüchte, dass Bannon, der rechtspopulistische Chef-Stratege, glaubte, höchstens ein Jahr im Amt zu überleben. Am Ende war es gerade einmal die Hälfte. Am Freitag erklärte der 63-Jährige seinen Rücktritt. Er habe mit Stabschef John Kelly einvernehmlich vereinbart, dass dies sein letzter Tag im Amt sei, erklärte Trumps Sprecherin Sarah Sanders. Freiwillig war der Rückzug wohl nicht: Donald Trump dürfte seinen früheren Lieblings-Berater zu diesem Schritt gedrängt haben.

Bannon lieferte sich immer wieder Gefechte mit gemäßigten Vertretern im Regierungsapparat. Er befürwortet in der Wirtschaftspolitik einen nationalistischen Kurs und war eine der treibenden Kräfte hinter dem Einreisestopp für Bürger aus muslimischen Staaten.

Trump hatte bisher Bannon, den ehemaligen Leiter der rechtspopulistischen Nachrichtenseite Breitbart, stets in Schutz genommen. Doch der Druck auf Trump nahm zuletzt immer mehr zu. Nach den Ausschreitungen am Rande eines Neonazi-Aufmarsches in Charlottesville in Virginia, bei denen eine Gegendemonstrantin getötet wurde, machte Trump beide Seiten für die Gewalt verantwortlich. Ein Aufschrei ging durch Amerika. Insbesondere der progressive Flügel im Weißen Haus wird Trump gedrängt haben, Bannon zu entlassen und das Ruder herumzureißen.

Bart Rossi glaubt nicht, dass das gelingt. Rossi ist Psychologe und analysiert für die US-Medien regelmäßig das Verhalten und die Entscheidungen von Politikern. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche erläutert der 73-Jährige, warum Trump in der Falle steckte – und die Entlassung wohl nicht die erwünschte Trendwende bringt.

WirtschaftsWoche: Stephen Bannon – das Feindbild der Trump-Kritiker – verlässt das Weiße Haus. Ist das der lang ersehnte Befreiungsschlag für Donald Trump?

Dr. Bart Rossi: Die große Mehrheit der US-Amerikaner wird Stephen Bannon im Weißen Haus nicht vermissen und die Entscheidung gutheißen. Doch ich sehe nicht, wie Trump von dem Rückzug profitieren kann. Er hat zu viel Schaden angerichtet, als das der US-Präsident mit nur einer Aktion Vertrauen bei der Mehrheit der Bevölkerung zurückgewinnen kann. Trump hat längst verpasst, die Mitte der Gesellschaft auf seine Seite zu holen.

Warum hat Trump dann Bannon entlassen?

Donald Trump kann die Entlassung von Stephen Bannon nicht gewollt haben. Der Populist ist in der rechten Szene äußerst beliebt. Und Trump abhängig von den Stimmen dieser Bevölkerungsgruppe. Er droht nun weiter an Rückhalt zu verlieren – und endgültig an der großen Mehrheit der Bevölkerung vorbeizuregieren. Das Problem: Trump war im Weißen Haus mit seiner positiven Meinung gegenüber Bannon weitestgehend isoliert. Insbesondere der neue Stabschef John Kelly – aber auch Wirtschaftsberater Gary Cohn oder Schwiegersohn Jared Kushner – wollten schlicht nicht mit Bannon arbeiten.

Trump hatte keine andere Wahl, als Bannon zu entlassen?

Er musste eine Entscheidung treffen mit wem er zusammenarbeiten will. Hätte er sich für Bannon entschieden, wären möglicherweise Kelly, Cohn & Co. zurückgetreten. Und zu zweit kann man schlecht die Vereinigten Staaten von Amerika führen.

Trump musste sich zwischen zwei schlechten Lösungen entscheiden: Bannon feuern, was er nicht wollte – oder die Zusammenarbeit mit Kelly gefährden. Das wäre noch ein viel größeres Chaos geworden. Trump hat also sinnvoll reagiert.

Kann der Ex-General Donald Trump zähmen?

Kelly hat Trump zum zweiten Mal die Pistole auf die Brust gesetzt. Zunächst verlangte der Stabschef die Entlassung von Sprecher Anthony Scaramucci, und nun das Ende der Zusammenarbeit mit Stephen Bannon. Damit hat er seine Macht aber zunächst ausgereizt. Trump wird an diesem Wochenende schlecht gelaunt im Oval Office sitzen. Er wollte beide Personalentscheidungen so nicht, musste sie aber schlucken. Mehr Entgegenkommen von Trump in den kommenden Wochen gegenüber Kelly kann ich mir nicht vorstellen.

Oder aber Donald Trump hat sich tatsächlich geändert und ist bereit, sein Ego hintenanzustellen.

Da überschätzen sie Trump. Er hat in meinen Augen eine Persönlichkeitsstörung. Ich bin per se vorsichtig mit Ferndiagnosen. Normalerweise kann man solch ein Urteil nur nach Gesprächen in der Praxis führen. Aber wer Donald Trump bei seinen Auftritten aufmerksam beobachtet, erkennt sehr viele Verhaltensmuster, die mich zum Schluss kommen lassen, dass bestimmte Merkmale der Persönlichkeitsstruktur in besonderer Weise ausgeprägt sind.

Der US-Präsident kündigt den Atom-Deal mit Iran nicht auf, untergräbt ihn aber durch Sanktionen. Das ist brandgefährlich, für die Region – und die Welt.
von Gregor Peter Schmitz

Zum Beispiel?

Er sagt Dinge, und verlangt, dass seine Mitbürger diese Aussagen als Wahrheit akzeptieren – auch dann, wenn die Aussagen nachweislich falsch sind. Trump ist ein Narzisst und hält sich – weit über das normale Maß hinaus – für überlegen. Das hat nichts mehr mit Selbstbewusstsein zu tun. Trump ist ein Narzisst mit Persönlichkeitsstörung. Es ist sehr bedenklich, wenn ein Mensch mit solchen Merkmalen im Weißen Haus sitzt.

Stellen Sie sich vor, Donald Trump ruft Sie an und bittet um Hilfe. Was würden Sie ihm raten: Wie kann er eine signifikante Zahl von US-Bürgern auf seine Seite bekommen?

Zunächst einmal wird Donald Trump nie anrufen. Es ist eben ein Merkmal seiner Persönlichkeit, dass er nicht um Rat bittet. Er will, dass andere seinem Weg folgen. Trump selbst aber glaubt, keine Hilfe zu brauchen. Er hat nicht die Fähigkeiten, sich zu ändern. Zu glauben, man kann Trump zu einem seriösen Politiker umerziehen, ist illusorisch. Eher machen sie aus einem Anti-Sportler, der einen Golfball keine 50 Meter weit schlagen kann, einen Profi.

Wenn auch die Bannon-Entlassung keine positive Wendung bringt: Ist es vorstellbar, dass Trump irgendwann die Nerven verliert und hinschmeißt?

Narzissten suchen manchmal nach einem Ausweg. Sie geben dann dem Umfeld die Schuld, warum sie gescheitert sind. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Trump einen Rücktritt in Erwägung zieht. Er wird dann wild um sich schlagen: behaupten, er hätte alles versucht, aber die Medien, die Öffentlichkeit hätten ihm keine Chance gelassen. Trump wird dann behaupten: „Ich gehe erhobenen Hauptes.“ Es ist sehr gut vorstellbar, dass seine Präsidentschaft so endet – und zwar zeitnah.

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