Es wurde fast zu voll. Nicht einer, nicht zwei, nein gleich fünf europäische Finanzminister drängelten sich auf dem Podium. Und damit nicht genug: IWF-Chefin Christine Lagarde und OECD-Boss José Angel Gurria wollten auch noch etwas sagen.
Alle sieben Mächtigen hatten ein gemeinsames Ziel an diesen Donnerstagnachmittag in Washington, sie wollten "geißeln und anklagen", wie es zuvor aus dem Bundesfinanzministerium hieß. Das heißt: Die bislang gängige Praxis der Steuerflucht anklagen, welche die Veröffentlichung der Panama Papers so in den Blickpunkt gerückt hat. Mit dieser Strategie - dem "name and shame", also der Herstellung öffentlichen Drucks - wollen die Politiker gemeinsam mehr Transparenz gegen Steuersünder herstellen und die dunkle Welt der Briefkastenfirmen besser ausleuchten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen aus Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien wollen sogenannte Transparenzregister durchsetzen, um die wahre Identität der Inhaber dieser umstrittenen Vehikel endlich öffentlich zu machen.
Ihr Ziel: eine globale Antwort auf Steuervermeidung. Die hatten die Minister schon vor der Pressekonferenz in einem Brief gefordert, in dem die Aufforderung an die Staaten enthalten ist, „so schnell wie möglich Register oder andere Mechanismen einzuführen“. Diese sollen sicherstellen, dass die wirtschaftlich Berechtigten von Briefkastenfirmen oder Trusts nicht nur „identifiziert", sondern künftig auch für Behörden „verfügbar“ sind.
Der Brief und die Forderungen der Europäer richten sich zunächst an China, derzeit mit dem Vorsitz der G20 befasst. Die Chinesen sollen die OECD beauftragen, im Tandem mit der Geldwäsche-Arbeitsgruppe FATF "einen einheitlichen globalen Standard“ für diese Form von Austausch zu entwickeln.
Der soll ähnlich voran kommen wie zwei andere Initiativen, bei denen sich Schäuble gerne eine wichtige Schrittmacherrolle attestiert – dem Informationsaustausch zu Steuerdaten zwischen mittlerweile schon 98 Ländern. Und die sogenannte BEPS-Initiative von über 60 Staaten, die Konzernen die Steueroptimierung erschweren soll.
Steuersünder bleiben im Vorteil
Doch wie viel ist die neue globale Transparenzoffensive wert? Die Register, von denen nun die Rede ist, sind in Europa schon beschlossen, in einigen Staaten wie Großbritannien gibt es sie bereits. Doch will etwa Deutschland den Einblick darin nichtstaatlichen Akteuren so gut wie vorenthalten.
Zwar sieht Schäubles Plan mittlerweile auch Zugriff für spezialisierte Nichtregierungsorganisationen oder Journalisten vor. Jedoch sollen diese im Gegenzug die Resultate ihrer Recherchen auch den Behörden zur Verfügung stellen. Dagegen wehren sich insbesondere Medienvertreter, sie wollen ihre Quellen schützen.
So sieht Schäubles 10-Punkte-Plan gegen Steueroasen aus
In Deutschland will Schäuble die Maßnahmen gegen Geldwäsche verstärken. Nach den bereits eingeführten strengeren Regeln gegen Geldwäsche im Finanzsektor zielt Schäuble nun auf den gewerblichen Bereich. Dessen Kontrolle ist hierzulande allerdings Sache der Bundesländer.
Die Verjährung von Steuerhinterzieher soll erst einsetzen, wenn ein Steuerpflichtiger seinen bestehenden und neuen Meldepflichten für Auslandsbeziehungen nachgekommen ist.
Schäuble will schärfere Verwaltungssanktionen für Unternehmen einführen. Eine wirksame strafrechtliche Verfolgung von Fehlverhalten scheitere oftmals am Nachweis persönlichen Verschuldens. Daher sollten künftig die Unternehmen selbst stärker zur Verantwortung gezogen werden können.
Anbieter von Steuersparmodellen sollen verpflichtet werden, diese den Steuerbehörden offen zu legen.
Diese nationalen Transparenz-Register sollen nach Schäubles Willen weltweit systematisch vernetzt werden. Steuerverwaltungen sollen Zugriff auf Geldwäscheregister bekommen, wie dies in Deutschland bereits geplant ist.
Die Register sollen auch Nichtregierungsorganisationen und Fachjournalisten offenstehen können. Umgekehrt erwartet Schäuble aber, "dass diese Nichtregierungsorganisationen und Journalisten die Ergebnisse ihrer Recherchen auch den zuständigen Behörden zur Verfügung stellen".
Schäuble setzt sich weltweit für Register der wirtschaftlich Berechtigten von Firmen ein, um die Hintermänner von Unternehmenskonstruktionen transparenter zu machen. Mit der vierten Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU ist ein solches Register für die EU-Staaten bereit vereinbart worden. Die EU-Staaten müssen die Richtlinie bis 2017 national umsetzen.
Der automatische Informationsaustausch soll einen Überwachungsmechanismus bekommen. Die Aufgabe soll das Global Forum der OECD übernehmen, die außerdem Sanktionen für nachlässige oder nicht kooperierende Staaten entwickeln soll.
Schäuble will erreichen, dass weltweit möglichst alle Staaten und Gebiete den neuen Standard für den automatischen Informationsaustausch umsetzen, der 2017 beginnen soll. Bisher haben sich der von Schäuble maßgeblich mit angestoßenen Initiative fast 100 Staaten angeschlossen.
Die verschiedenen nationalen und internationalen "schwarzen Listen" mit Steueroasen sollen vereinheitlicht werden. Die Federführung soll einer internationalen Organisation wie der Industrieländerorganisation OECD übertragen werden.
Schäuble drängt Panama, dem internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen beitreten und dafür zu sorgen, dass inaktive und substanzlose Gesellschaften und deren Gesellschafter identifiziert werden können. Wenn Panama nicht rasch kooperiert, will Schäuble dafür eintreten, bestimmte in Panama getätigte Finanzgeschäfte international zu ächten.
Schäuble glaubt jedoch, dass durch mehr Transparenz die Register weniger effektiv würden - und er steht unter seinen europäischen Kollegen mit seiner Skepsis keineswegs alleine da. Auch Frankreichs Finanzminister Michel Sapin, ein enger Schäuble-Vertrauter, stemmt sich dagegen.
Und in Großbritannien ist Finanzminister George Osborne nach den auch für seinen Premier peinlichen Panama-Enthüllungen zwar sehr bemüht, Engagement gegen Steuersünder zu zeigen. Aber seine Regierung weiß zugleich, dass in Überseegebieten des ehemaligen Weltreiches viele jener Trust-Konstruktionen verbreitet sind, die nach den Veröffentlichungen ins Zentrum der Kritik gerückt sind.
Das müssen Sie zu den Panama Leaks wissen
Der "Süddeutschen Zeitung" sind nach eigenen Angaben umfassende Daten über Briefkastenfirmen zahlreicher Politiker zugespielt worden. Insgesamt gehe es um 11,5 Millionen Dokumente zu 214.000 Briefkastenfirmen, die von einer Kanzlei aus Panama gegründet worden seien. Die Dokumente würden ein detailliertes Bild darüber abgeben, wie diese Firma "Tag für Tag Sanktionsbrüche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Kauf nimmt". Es gebe Unterlagen über mutmaßliche Offshore-Firmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs sowie Spuren zu Dutzenden weiteren Spitzenpolitikern, ihren Familien, engsten Beratern und Freunden. Zudem fänden sich fast 130 weitere Politiker aus aller Welt unter den Kunden der Kanzlei, darunter viele Minister. Zur Überblicksseite: www.panamapapers.de
Quelle: dpa/reuters
Die Unterlagen sollen E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente zu rund 214.000 Gesellschaften umfassen, vor allem in Panama und den Britischen Jungferninseln. Der Datensatz wurde der „Süddeutschen Zeitung“ von einer anonymen Quelle zugespielt. Die „Süddeutsche Zeitung“ teilte die Daten mit dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) und Partnern auf der ganzen Welt. Etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern haben im Zuge der Recherchen den Datenschatz aus rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“.
Die Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama bietet die Gründung und Verwaltung von Offshorefirmen an. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen über 500 Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Die Kanzlei ist demnach in Belize, den Niederlanden, Costa Rica, Großbritannien, Malta, Hong Kong, Zypern, den Britischen Jungfern-Inseln, Bahamas, Panama, Anguilla, Seychellen, Samoa und den US-Bundesstaaten Nevada und Wyoming tätig.
Mossack Fonseca bietet zudem Rechtsberatung unter anderem in den Bereichen Finanzen, geistiges Eigentum und öffentliche Ausschreibungen an. Außerdem setzt die Kanzlei Treuhandfonds und private Stiftungen auf und verwaltet sie.
Gegründet wurde die Kanzlei 1977 von dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. 1986 tat er sich mit dem Panamaer Ramón Fonseca Mora zusammen. Der Anwalt, Schriftsteller und Politiker war bis vor kurzem Berater von Staatschef Juan Carlos Varela. Wegen Ermittlungen gegen Mossack Fonseca in Brasilien lässt er seine Beratertätigkeit derzeit ruhen.
Panama ist einer der wichtigsten Finanzplätze in Lateinamerika. Ein äußerst liberales Bankengesetz lockte zahlreiche Kreditinstitute nach Mittelamerika. Die Finanzkrise ging an Panama weitgehend vorbei und brachte dem Finanzplatz sogar zusätzliche Investitionen.
Nachdem sich die Schweiz zuletzt von ihrem Bankgeheimnis verabschiedet hatte, galt Panama vielen als neue Steueroase. Immer wieder gibt es Berichte über illegale Transaktionen. In den Achtzigerjahren war das Land das Bankenzentrum der kolumbianischen Drogenkartelle. Zuletzt bemühte sich Panama allerdings darum, dieses Image loswerden und sich als seriöser Finanzplatz zu positionieren.
So erließ die Regierung eine Reihe neuer Richtlinien für Banken, Versicherungen, Immobilienfirmen sowie Wertpapier- und Edelsteinbörsen. Im Februar strich der OECD-Arbeitskreis für Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung (Gafi) Panama von der grauen Liste, auf der Staaten geführt werden, die beim internationalen Austausch von Finanz- und Steuerinformationen noch hinterherhinken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobt in seinem jüngsten Bericht die Stabilität des Bankensektors.
Und: Verpflichtend kann die Teilnahme an den Registern nicht gemacht werden. Gegenüber dem kleinen Panama mag Druck vielleicht ausreichen. Aber gilt das etwa auch für die USA, wo der kleine Bundesstaat Delaware –nur zwei Autostunden von Washington entfernt – mehr Firmen als Einwohner aufweist und rund jeden vierten Dollar seines Haushaltes durch das Geschäft mit Firmengründungen verdient?
Schäuble-Beamte berichten seufzend, wie lange sie mit den Amerikanern schon über dieses Thema gesprochen haben, mit sehr wenig Erfolg. Denn die Bundesstaaten sind in dieser Frage sehr unabhängig, außerdem denken die Amerikaner, dass der Informationsaustausch bei ihnen schon gelingt. „Es ist, wie es ist, jedes Land ist verschieden“, heißt es aus Schäubles Umfeld. Und weil Steuersünder alle gleich sind und das gleiche Ziel verfolgen, bleiben sie im Vorteil.