Stimmen aus dem Ausland So reagiert das Ausland auf die GroKo-Pläne

Während die Spanier neidisch nach Deutschland blicken, reagieren die Amerikaner verhalten.

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Union und SPD haben die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Die Reaktionen aus dem Ausland auf die Ergebnisse fallen verschieden aus. Quelle: Reuters

Nach langen Verhandlungen haben sich Union und SPD am Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag verständigt, über den die SPD-Mitglieder ab dem 20. Februar abstimmen werden. Die Reaktionen aus dem Ausland auf eine mögliche erneute Große Koalition sind gespalten.

USA

Die großen politischen Linien von Angela Merkel werden in den USA genau beobachtet, sie landete schon als Euroretterin und Flüchtlingskanzlerin auf den Titelseiten großer Zeitungen. Merkels verhältnismäßig schlechtes Wahlergebnis bei der Bundestagswahl wurde von amerikanischen Medien ausführlich begleitet, die Zukunft der Kanzlerin in einer vierten Amtszeit überwiegend als ungewiss bewertet. „Merkel hängt in den Seilen“, titelte etwa die Website „Vox“ vergangene Woche.

Die Nachricht der Einigung zwischen SPD und CDU wird für den Moment eher verhalten aufgenommen. „Die Einigung hat das Potenzial, den monatelangen politischen Stillstand in Deutschland zu beenden“, kommentierte die Analyse-Website Axios. „Aber sollten die Sozialdemokraten das Abkommen ablehnen, könnte es das Land unter einer CDU-Minderheitsregierung in ein politisches Chaos stürzen – was möglicherweise das Ende von Merkels Karriere beschleunigen würde.“

Tom Wright, Experte beim Thinktank Brookings, äußerte sich auf Twitter pessimistisch. „Jeder hofft, dass die SPD den Koalitionsvertrag mit Merkel ratifiziert. Aber ich sehe nicht, wie diese Koalition langfristig für sie oder für Deutschland sinnvoll ist.“ Die „New York Times“ hob hervor, dass eine Große Koalition die „rechte Partei Alternative für Deutschland zum Oppositionsführer im Bundestag“ macht. NPR-Korrespondentin Soraya Sarhaddi Nelson sieht die SPD als „großen Gewinner“, weil die neue Regierung Gesundheits- und Sozialleistungen, vor allem Senioren, in den Mittelpunkt rücke. In der Flüchtlingspolitik hätten „die Ultra-Konservativen in der Koalition allerdings auch ein großes Zugeständnis abgerungen“.

EU

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich zufrieden mit dem Koalitionsvertrag. „Das Europa-Kapitel gefällt mir sehr gut“, sagte der Spitzenpolitiker der Deutschen Presse-Agentur und Fernsehsendern. Dass sich die künftige Regierung so früh auf europapolitische Themen festlege, könne er nur begrüßen. Als einen der besonders positiven Aspekte nannte Juncker die Bereitschaft von CDU, CSU und SPD, die deutschen Beiträge für den EU-Haushalt zu erhöhen. Zudem lobte er die geplanten Bemühungen, sich noch stärker für die Einhaltung der demokratischen und rechtsstaatlichen Werte in der EU einsetzen zu wollen. Zu den Ankündigungen, dass Martin Schulz, in der Koalition Außenminister werden will, sagte Juncker: „Er kann das.“ Die Befähigung für das Amt sei dem SPD-Politiker nun wirklich nicht abzusprechen.

Großbritannien

Aus Sicht der Briten ist klar, wer der Verlierer der Wahlen und des monatelangen Gezerres um die Regierungsbildung ist: die deutsche Bundeskanzlerin. Lange galt Angela Merkel als Schlüsselfigur in Europa und in den Brexit-Verhandlungen. Was sie sagt und tut, wird in Großbritannien ganz genau verfolgt. Dass sie bei den Wahlen so schlecht abschnitt, sorgte für Schadenfreude. Vor allem bei Brexit-Befürwortern kann Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik nicht punkten.

In der britischen Presse stellt man die nun vereinbarte Große Koalition und die Verteilung der Ministerposten als Schwäche von Merkel dar – und verweist allerorten darauf, dass die AfD nun stärkste Oppositionspartei ist. „Der vier Monate lang dauernde Stillstand in der Politik hat die Stimme Deutschlands in Europa geschwächt” zieht das EU-skeptische Blatt „Daily Mail“ genüsslich Fazit.

Dennoch hält sich die (Schaden-)Freude auf der Insel in Grenzen. Aus gutem Grund. Dass SPD-Mann Martin Schulz – der wohl zukünftige Außenminister Deutschlands - ein ausgesprochener EU-Fan ist, ist den Briten nicht verborgen geblieben. Und darüber hinaus sagen die – voraussichtlichen – Koalitionspartner in ihrem Vertrag explizit zu, sich für eine „starke Europäische Union“ einzusetzen, für eine „Europäische Union, die nach Innen erfolgreich ist und zugleich in der globalisierten Welt unsere Interessen wahrt und mit unseren Werten überzeugt“. Und versprechen, dass sie „angesichts des bevorstehenden Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU … den Standort Deutschland für Finanzinstitute attraktiver gestalten“ wollen.

Für Großbritannien sind das keine guten Nachrichten. Für sie steht in den kommenden Wochen viel auf dem Spiel: Die Verhandlungen mit Brüssel gehen weiter, und gerade diskutiert die britische Premierministerin Theresa May mit ihrem Kabinett darüber, welche Richtung man in den Gesprächen mit Brüssel einschlagen will. Das ist nicht einfach, denn die britische Regierung gilt – wie das Volk – als tief gespalten. Brexit-Befürworter und -Gegner liefern sich erbitterte Wortgefechte und seit Monaten wird darüber spekuliert, wie lange sich die britische Regierungschefin noch auf ihrem Posten halten kann. Die deutsche Politik spielte da eine eher untergeordnete Rolle: Das Verhältnis zwischen May und Merkel galt als eher unterkühlt. Angesichts dessen haben die Briten derzeit vor allem ihre eigenen politischen Debatten im Blick – und bedauern es allenfalls ein wenig, dass sich für sie durch das Stühlerücken in Berlin nicht viel ändern wird.

Österreich

In Österreich wurde der Abschluss der Koalitionsverhandlungen in den Medien positiv bewertet. „Dieses Bündnis hat eine Chance verdient, schlicht auch aus dem Grund, weil es ohnehin nichts Besseres gibt“, kommentiert die linksliberale Wiener Zeitung „Standard“.

Das Verhältnis zwischen Merkel und ihrem Amtskollegen Sebastian Kurz ist jedoch angespannt und von Misstrauen geprägt. Bei seinem Antrittsbesuch machte Merkel deutlich, dass sie die konservativ-rechtspopulistische Regierung nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten in Sachen Europa messen will. Ein Außenminister Martin Schulz kommt der österreichischen Regierung ungelegen. Denn der SPD-Chef ist ein scharfer Kritiker des Rechtspopulismus und damit auch der FPÖ. In Wien trifft er auf die rechtspopulistische Außenministerin Karin Kneissl, die weniger statt mehr Europa möchte. Dass sich beide angesichts der höchst unterschiedlichen politischen Ausrichtung gut verstehen, gilt als unwahrscheinlich-

Spanien

Die Spanier blicken grundsätzlich neidisch auf die Große Koalition in Deutschland. In Madrid stehen sich die beiden großen Volksparteien, Konservative und Sozialisten, in so tiefer Feindschaft gegenüber, dass eine ähnliche Konstellation undenkbar ist. Stattdessen müht der konservative Premier Mariano Rajoy sich mit 33 Prozent der Stimmen in einer Minderheitsregierung ab, die kaum ein Gesetz durchbringt.

Die „Einigung mit schmerzhaften Zugeständnissen“ wird deshalb als in Spanien als Akt politischer Reife gewertet und als Beweis, dass die deutschen Parteien die Interessen des Landes und nicht ihre eigenen an die erste Stelle setzen. „Die Parteien wissen, dass sie bei den nächsten Wahlen die Rechnung für diese neue Koexistenz von vier Jahren präsentiert bekommen könnten, aber sie haben sich dennoch entschieden, das Beste für ihr Land zu tun“, lobt die linksliberale Zeitung El País.

Zudem dominiert die Erleichterung darüber, dass Deutschland nun eine Regierung hat und damit auch europäische Projekte wie die Bankenunion, die Harmonisierung des Asylrechts und der Haushalt nicht mehr weiter auf Eis liegen, sondern vorangetrieben werden können. „Merkel hat einmal mehr ein Beispiel ihrer Führungsqualitäten und Weitsicht gegeben. Deutschland gewinnt. Europa auch“, kommentiert die konservative Tageszeitung El Mundo.


Italienische Presse befürwortet die Personalie Scholz

Italien

In Italien schaut man mit Argusaugen auf die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen, denn mit großer Wahrscheinlichkeit wird es nach den Parlamentswahlen am 4. März ebenfalls langwierige Koalitionsverhandlungen geben, wenn keine Partei eine deutliche Mehrheit holt. Premier Paolo Gentiloni bezeichnete die Einigung als wichtig. In der kommenden Woche wird er Merkel treffen. Gentiloni sagte in seiner Rede, dass er sich wünsche, dass die anstehenden Wahlen in seinem Heimatland ein „an Stabilität orientiertes Ergebnis“ brächten.

Vor allem die Personalie des möglichen Finanzministers Olaf Scholz wird in der italienischen Presse hervorgehoben und positiv bewertet. „Ein Ende der Austeritätspolitik“, also der restriktiven Fiskalpolitik, sieht bereits das Wirtschaftsblatt „Il Sole-24ore“ nach der Zeit des „Falken“ Wolfgang Schäuble. Seit Jahren läuft der Streit zwischen auf Haushaltsdisziplin bedachten Nordlichtern und ausgabefreundlichen Südländern in Europa. Rom hatte mehr als einmal mehr Flexibilität und eine Abkehr vom rigorosen Sparkurs angemahnt, um das Wachstum in Europa nicht zu gefährden. Jetzt hofft man auf eine Neuverhandlung des Stabilitätspakts. Die Kanzlerin sei allerdings auf Kompromisse bedacht, denn das Wirtschaftsministerium werde bei der CDU bleiben. 

Auch ein Außenminister namens Martin Schulz kommt in Italien gut an: Mit ihm werde es kein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben, schreibt der Autor eines Leitartikels. Jetzt könne der ehemalige Präsident des Europa-Parlaments zusammen mit dem französischen Präsidenten Macron Europa weiter voranbringen.

Dass Deutschland mehr als vier Monate gebraucht hat, um eine Regierung zu bilden und dass deren endgültiges Zustandekommen noch von der Mitgliederbefragung der SPD-Basis abhängt, erstaunt die Italiener. Es habe zwar lange gedauert, aber der Weg dorthin sei interessant, meint der Kommentator Pierfrancesco De Robertis.

Portugal

Der Bericht der portugiesischen Zeitung Público begann mit den Worten: „Endlich, weißer Rauch“. Zu sehen auf dem Bild: SPD-Mann Olaf Scholz, der Wolfgang Schäuble als Finanzminister beerben soll. Wolfgang Schäuble war mit seiner Sparpolitik und seiner ursprünglichen Skepsis an der Wirtschaftserholung Portugals in dem Südland zuletzt nicht gerade beliebt. Die Zeitung beschreibt Olaf Scholz als „Liberalen unter den Sozialdemokraten, pragmatisch und flexibel in Verhandlungen mit anderen Parteien“. Seine Berufung könnte daraufhin deuten, dass Deutschland sich nun den Ideen für ein stärkeres Europa öffne.

Schweden

In Schweden sind die GroKo-Verhandlungen mit großem Interesse verfolgt worden. Im September stehen in dem Land ebenfalls Parlamentswahlen an, und nach derzeitigen Umfragen dürfte die Regierungsbildung auch in Schweden äußerst schwierig werden.

Die Sozialdemokraten, die das Land in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt haben und momentan zusammen mit den Grünen eine Minderheitsregierung bilden, erhalten nach allen Umfragen gerade einmal rund 30 Prozent der Stimmen. Da eine große Koalition wie in Deutschland aus zu großen ideologischen Differenzen ausgeschlossen ist, gleichzeitig die rechtspopulistischen Schwedendemokraten mittlerweile fast so groß sind wie die Konservativen, sagen Beobachter äußerst komplizierte Regierungsbildungsverhandlungen voraus.

Deshalb war das Interesse an den Jamaika-Sondierungen und zuletzt an den GroKo-Verhandlungen ungewöhnlich groß. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk informierte die Hörer am Mittwochvormittag mit einer Sondersendung. Live wurden deutsche Innenpolitik-Experten und die Berlin-Korrespondentin zugeschaltet. Niels Stöber, Analyst bei dem sozialdemokratischen Think Tank Katalys glaubt, dass die SPD droht gespalten zu werden. „Die Partei war lange Zeit zerrissen, aber der Riss ist jetzt noch deutlicher als zuvor zutage getreten“, sagte er im Radio. Offizielle Kommentare von schwedischen Politikern gab es nicht.

Ungarn

Eine schwarz-rote Koalition findet in den Reihen der ungarischen Regierung unter Premier und Fidesz-Chef Viktor Orbán keinen Applaus. Insbesondere Martin Schulz als designierter Außenminister ist für Budapest ein rotes Tuch. Schon als EU-Parlamentspräsident hatte er klare und deutliche Worte gegen die Verletzung der Demokratie in Ungarn gefunden und die Verstöße gegen EU-Recht scharf kritisiert. Budapest befürchtet, dass sich das ohnehin schon angespannte Verhältnis mit Deutschland in der jetzigen Konstellation verschlechtern könnte.

Im April stehen in Ungarn Parlamentswahlen an. Deutschland als größter Investor im Land der Magyaren spielt dabei indirekt auch eine Rolle. Laute Kritik am europapolitischen Verhalten der ungarischen Regierung aus Berlin kommt für die Regierungspartei Fidesz, die mit einer beinahe Zwei-Drittel-Mehrheit in Budapest Dank des letzten Zuschnitts der Wahlkreise regiert, daher höchst ungelegen.

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