Die Entscheidung wurde in Washington nur wenige Stunden vor Inkrafttreten der Zölle um Mitternacht bekannt gegeben: US-Präsident Donald Trump gewährt den EU-Staaten einen weiteren Aufschub bei den US-Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium bis 1. Juni. Gleiches gilt für die US-Nachbarn Mexiko und Kanada.
Die EU und andere Länder wurden bis zuletzt auf die Folter gespannt. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte noch am Montag mit US-Handelsminister Wilbur Ross telefoniert, um eine Verbesserung der Situation erreichen zu können.
Nun muss in den nächsten vier Wochen Bewegung in die Sache kommen, sonst sei es spätestens zum 1. Juni so weit und die Strafzölle würden kommen. Weitere Aufschübe soll es nämlich nicht geben, heißt es aus dem Weißen Haus. Trump unterzeichnete am Montag zwei entsprechende Proklamationen.
Die Bundesregierung reagierte verhalten auf die Ankündigung. Man habe die neue Schonfrist der USA „zur Kenntnis genommen“, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz in einer am Dienstagmorgen verbreiteten Erklärung mit. Grundsätzlich erwarte die Bundesregierung weiterhin eine dauerhafte Ausnahme. Nunmehr werde die Europäische Kommission mit den Mitgliedsstaaten das weitere Vorgehen beraten.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte die Verlängerung der Schonfrist für die EU. „Die verlängerte Atempause bietet die Chance, den Handelskonflikt zu entschärfen“, erklärt DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Die verlängerten Ausnahmen täuschten aber nicht darüber hinweg, dass sich die USA über globale Handelsregeln hinwegsetzten, die sie einst mit initiiert hätten. „Daher muss die EU jetzt enger zusammenrücken und ihre Interessen verteidigen, auch mit Blick auf weitere Maßnahmen, die die USA aus der protektionistischen Mottenkiste ziehen könnten.“ Es sei zudem wichtig, dass die Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks im Gespräch blieben.
Wie kann Europa auf die Strafzölle reagieren?
Die Europäische Union hat bereits am 16. April Beschwerde gegen die USA eingelegt. Damit sind die Europäer einen ähnlichen Weg gegangen wie China, das sich ebenfalls beschwert hat. In dem von der WTO veröffentlichen Dokument vermutet die EU, dass die USA die Zollerhöhungen nicht – wie offiziell behauptet – als Schutzmaßnahme („safeguard measure“) eingeführt haben, sondern um den Handel einzuschränken. Damit fordert Europa die Welthandelsorganisation dazu auf, ein offizielles Schlichtungsverfahren zu beginnen. Allerdings kann so ein Verfahren dauern. So sehen die Regeln der WTO allein für das Konsultationsverfahren einen Zeitraum von 60 Tagen vor. Dabei sollen die betroffen Länder miteinander reden und versuchen, den Disput von sich aus zu beheben. Insgesamt kann es bis zu 15 Monate dauern, bis der Streit beigelegt ist (Infos zu WTO-Beschwerdeverfahren gibt es hier). Voraussetzung für eine Lösung ist aber auch, dass alle Parteien die Autorität der WTO anerkennen. Trump lässt daran Zweifel erkennen. Die WTO sei eine „Katastrophe“ und „schrecklich“ für die USA, sagte er im Wahlkampf.
Auch wenn sich die WTO grundsätzlich für den freien Handel einsetzt, können die Mitglieder unter bestimmten Bedingungen auch eigene Wirtschaftszweige vor Importen schützen – etwa dann, wenn in die Exporte in einer bestimmten Branche unerwartet ansteigen. Auch die EU hat damit die Möglichkeit, das Leben der US-Firmen durch Vorschriften, Normen und Kennzeichnungspflichten das Leben schwer zu machen. Auch wenn die WTO solche nichttarifären Handelshemmnisse, also Maßnahmen, die zwar keine Zölle sind, den Handel aber dennoch einschränken, nicht gerne sieht.
Eine deutlich spürbare Reaktion sind Gegenzölle auf US-Waren. Bereits kurz nach der Ankündigung Trumps, die EU mit Strafzöllen zu belegen, kursierte eine Liste der EU-Kommission. Dort sind haarklein die Waren aufgeführt, die die EU ihrerseits mit höheren Abgaben belegen könnte, darunter etwa Bourbon-Whiskey, Haarspray, Tabak und Zuckermais.
Die Entscheidung der Trump-Regierung einen weiteren Aufschub zu gewähren, überrascht viele Beobachter nicht. Damit soll das eigentliche Ziel der Amerikaner in Europa durchgedrückt werden. Die Anerkennung bestimmter Obergrenzen etwa. Diese, wie auch jede andere Bedingung der USA, hatte die EU allerdings bis zuletzt grundsätzlich abgelehnt. Erst müsse eine vorbehaltlose Ausnahme für die EU bezüglich der Zölle erwirkt werden, hatte Malmström klar gemacht. Dann könne grundsätzlich über gegenseitige Handelsschranken gesprochen werden. Zahlreiche Politiker in Europa machten auch deutlich, dass vieles von dem, was Trump nun fordert, Gegenstand des von ihm selbst abgelehnten Freihandelsabkommens TTIP gewesen wäre.
Dennoch sind Zugeständnisse der Europäer nicht ausgeschlossen. Trump hat immer wieder und zuletzt am vergangenen Samstag bei einer Kundgebung in Michigan deutlich gemacht, dass die USA Zölle auf Einfuhren von Personenwagen von 2,5 Prozent erheben, die Europäer aber zehn Prozent auf US-Fahrzeuge. Ferner geht es auch um Handelserleichterungen für US-Agrarprodukte.
Handelsgesetze aus den 1960er Jahren
Für die Erhebung von Strafzöllen auf Stahl- und Aluminium nutzt Trump ein Handelsgesetz aus dem Jahr 1962, um die heimische Stahl- und Alubranche zu schützen. Er hat die Zölle mit der nationalen Sicherheit begründet, was die EU für vorgeschoben hält. Die 28 Staaten exportieren jährlich insgesamt für 6,4 Milliarden Euro Stahl und Alu in die USA. Dies ist angesichts des gesamten Ausfuhrvolumens von 375 Milliarden Euro wenig. Dennoch gibt es die Befürchtung, dass sich der Streit immer weiter hochschaukelt. Viele Unternehmer auf beiden Seiten des Atlantiks befürchten einen Handelskrieg, falls die Zölle doch noch erhoben werden.
Die EU hat Gegenmaßnahmen angedroht und zuletzt auch vorbereitet, für den Fall, dass die Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahleinfuhren und zehn Prozent auf Aluminium in Kraft treten sollten. So sind bei der EU zusätzliche Zölle auf Produkte wie Jeanshosen, Erdnussbutter, Whiskey oder Motorräder im Gespräch. Die betroffenen Produkte haben ein Volumen von 2,8 Milliarden Euro.
Trump hatte im März Zölle von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium erlassen und zielt damit vor allem auf China. Der Volksrepublik wird immer wieder vorgeworfen, zu große Mengen der beiden Rohstoffe auf den Weltmarkt zu bringen. Seit Wochen verhandeln immer wieder europäische und amerikanische Politiker, um den drohenden Handelskrieg zwischen den beiden wichtigsten Wirtschaftsräumen der Welt noch zu verhindern.
Mit Argentinien, Australien und Brasilien sind den Angaben zufolge die Verhandlungen zufolge weiter fortgeschritten. Hier gibt es dem Präsidialamt zufolge Grundsatzeinigungen, deren Einzelheiten im Laufe des Monats geklärt werden sollen. Südkorea hat sich bereits verpflichtet, seine Stahlexporte in die USA um 30 Prozent zu senken und wird dafür dauerhaft von den Zöllen ausgenommen. „In all diese Verhandlungen konzentriert sich die Administration auf die Einführung von Quoten, die die Importe begrenzen, Transitlieferungen aus Drittländern verhindern und die Nationale Sicherheit der USA gewährleisten“, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses.
Mit Material von AP, dpa und Reuters