Strafzölle China wächst unbeeindruckt von Handelsstreit weiter

Mit einer Wirtschaftsreform verringert Peking die Abhängigkeit von den US-Exporten. Das Wachstum übertrifft die Erwartungen leicht – und große Investitionen stehen noch aus.

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Handelsstreit mit den USA: China wächst unbeeindruckt weiter Quelle: AP

Peking, Frankfurt Mit Strafzöllen versucht US-Präsident Donald Trump China zu Zugeständnissen in der Handelspolitik zu zwingen und das hohe US-Defizit im Handel mit China abzubauen. Doch China scheint sich nicht einschüchtern zu lassen und hat bisher jede Zollankündigung mit gleicher Münze beantwortet.

Das Selbstbewusstsein der chinesischen Führung kommt nicht von ungefähr. Die Wirtschaft ist im ersten Quartal etwas stärker gewachsen als von Experten vorhergesagt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März um 6,8 Prozent zu im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie aus den am Dienstag veröffentlichten amtlichen Daten hervorging. Analysten hatten mit einer Zunahme des Wirtschaftswachstums um 6,7 Prozent gerechnet. Im vergangenen Jahr hatte das Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik um 6,9 Prozent zugelegt.

China hat seine Abhängigkeit vom Export in den letzten 10 Jahren fast halbiert“, nennt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft des Ifo-Instituts den Grund. Der Anteil der Güter- und Dienstleistungsexporte am BIP betrug 2006 noch 37 Prozent.

Im Jahr 2017 dürfte er noch bei etwa 20 Prozent gelegen haben, was etwa dem Niveau der EU entspricht. Der Handelsüberschuss macht nur noch rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. „Man kann sagen: China hat seinen Beitrag zum Abbau globaler Handelsungleichgewichte geleistet, in krassem Unterschied zu Deutschland“, urteilt Felbermayr.

Dahinter steht eine bewusste Strategie. Sie besteht darin, die Binnennachfrage zu stärken, den heimischen Wertschöpfungsanteil deutlich zu erhöhen und durch die Seidenstraßeninitiative die regionale Integration in Eurasien voranzutreiben.

Investitionen in Infrastruktur

China investiert massiv in die heimische Infrastruktur, um dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft des Landes auf eine breitere Basis als einige große Exportzentren gestellt wird. Dafür wurde unter anderem ein 22.000 Kilometer langes Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetzwerk gebaut. In jedem der letzten zehn Jahre gab der Staat mehr als 44 Prozent der Wirtschaftsleistung für Investitionen aus, ein konkurrenzlos hoher Wert unter den großen Wirtschaftsnationen.

Auch die notorisch sparsamen Konsumenten ließen sich in den letzten Jahren zu größerer Ausgabenfreude bewegen. Der Anteil des privaten Konsums stieg zwischen 2013 und 2016 von 36,6 auf 39 Prozent. Damit einher ging eine starke Gewichtsverschiebung von der Industrie zu Dienstleistungen. Der Wertschöpfungsanteil der Industrie sank in nur zehn Jahren um sieben Prozentpunkte auf 40 Prozent, derjenige der Dienstleistungen stieg von 43 auf 52 Prozent.

Die chinesische Regierung hat großes Gewicht darauf gelegt, die Qualität der chinesischen Produkte zu verbessern und hat damit in den letzten Jahren große Erfolge erzielt. Mit ihrer 2015 gestarteten „Made in China“-Initiative will sie erreichen, dass dieses Label vom Makel zum Qualitätssiegel wird, so wie das mit „Made in Germany“ gelungen ist.

Marketingprofessor Ding Qingshan von der britischen Universität Huddersfield sieht in den großen Fortschritten, die China damit bereits erzielt hat, einen Grund für die aggressive Handelspolitik der US-Regierung gegenüber China. Er interpretiert dieses als Versuch, einen Konkurrenten im technologischen Wettbewerb auf Abstand zu halten. „Dass die offizielle Untersuchung der chinesischen Handelspraktiken durch den US-Handelsbeauftragten die Initiative Made in China 2025 mehr als 100 Mal erwähnt, legt nahe, dass dies der Fall ist“, schreibt Ding im Magazin „The Conversation“. So habe der chinesische

Chinesische Marken gewinnen an Bedeutung

Der Mobiltelefonanbieter Huawei hat sich von einer Billigmarke zur Premiummarke gemausert und sogar Apple beim Absatz hinter sich gelassen. Ifo-Experte Felbermayr sieht in einem Handelskrieg mit den USA durchaus eine Gefahr für diese Qualitätsoffensive: „China ist in gewissem Maße von Technologien aus den USA abhängig“, erläutert er, außerdem seien die USA für hochwertige Produkte ein sehr viel wichtigerer Absatzmarkt als für die qualitativ und technologisch weniger fortschrittlichen Produkte.

Schon in den letzten Jahren ist China bei der Diversifizierung seiner Absatzmärkte vorangekommen. Der Anteil von Südasien, Lateinamerika und Afrika in den chinesischen Exporten ist gestiegen, derjenige der USA auf zuletzt nur noch 18 Prozent gesunken. Vor allem der südostasiatische Markt wird von chinesischen Firmen als zukunftsträchtig angesehen. Chinas Export in die ASEAN-Länder wuchs vergangenes Jahr um 9 Prozent auf 279,1 Milliarden Dollar.

Die 640 Millionen Konsumenten sind den Chinesen kulturell ähnlicher und ihre Ansprüche liegen näher beieinander. „Daher ist China von US-Zöllen nicht allzu stark negativ betroffen“, urteilt Felbermayr. Die Verluste an Wirtschaftsleistung taxiert er auf den einstelligen Milliardenbereich. Das wäre fast vernachlässigbar.

Er bestätigt damit die Einschätzung von Wang Changlin, dem Vizepräsidenten vom Thinktank der chinesischen Wirtschaftsplanungsbehörde. Dessen selbstbewusst vorgetragenen Berechnungen zufolge würden die amerikanischen Zölle das heimische Wirtschaftswachstum bloß um 0,1 Prozentpunkte bremsen.

Transportwege nach Europa sollen verbessert werden

Durch das Seidenstraßenprojekt wird die Abhängigkeit von den USA noch weiter sinken, so der Ifo-Experte. Im Rahmen dieses Projekts finanziert China Infrastrukturmaßnahmen von potentiellen Handelspartnern in der Region. Diese sollen gemeinsam die Transportwege zwischen China, dem übrigen Asien und Europa verbessern.

Während zu Hause der Bauboom sich seinem Ende entgegen neigt, sollen die Überkapazitäten, zum Beispiel in der Stahl-, Zement- und Aluminiumproduktion, durch Projekte im Ausland abgefangen werden. Schon jetzt sei die Seidenstraße ein Wachstumsgeschäft für China, verkündete Premierminister Li Keqiang im März, zusammen mit der Mitteilung, dass der Handel entlang der Seidenstraße um 17,8 Prozent gewachsen sei.

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