Strafzölle Drohender Abschwung könnte China und Peking zur Einigung im Handelsstreit bringen

US-Unterhändler reisen kommende Woche nach China, um Lösungen im festgefahrenen Handelsstreit zu finden. Die weltweite wirtschaftliche Abkühlung erhöht den Druck – auf beiden Seiten.

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Die Wirtschaft von China und den USA leidet zusehends unter den Machtspielen der beiden Wirtschaftsmächten. Quelle: dpa

Washington Seit Monaten wird im Handelsstreit zwischen den USA und China gepokert – mit globalen Folgen. Je länger die beiden wichtigsten Wirtschaftsmächte ihre Muskeln spielen lassen, desto länger müssen Unternehmen und Konsumenten leiden. Die neuen Zölle treiben die Kosten in die Höhe – in China, in den USA und indirekt auch im Rest der Welt. Die Finanzmärkte werden zunehmend nervös. Genau das könnte laut Experten nun aber dazu beitragen, dass sich die Kontrahenten wieder an einen Tisch setzen.

„Die USA und China haben ein großes gemeinsames Interesse, eine Einigung zu erzielen. Denn nur so können sie den für beide schädlichen Negativtrend in der Wirtschaft und beim Anlegervertrauen stoppen“, sagt der Handelsexperte Eswar Prasad von der Cornell University im US-Staat New York. Die ökonomischen Risiken „könnten eine Verhandlungslösung begünstigen“ und die Chinesen zu marktwirtschaftlichen Reformen bewegen, sagt auch Wang Yong von der Universität Peking.

Trotzdem dürfte es keineswegs einfach werden, die Differenzen zu überbrücken. Denn US-Präsident Donald Trump fordert nicht nur einen besseren Zugang zum chinesischen Markt für US-Produkte – und damit letztlich eine ausgewogene Handelsbilanz zwischen den beiden Staaten. Er und viele andere werfen China auch vor, den Wettbewerb mit unlauteren Methoden zum eigenen Vorteil zu verzerren, etwa indem es Geschäftsgeheimnisse von ausländischen Unternehmen an sich reiße.

Für die kommende Woche wird immerhin eine Wiederaufnahme der Gespräche erwartet. Gao Feng, ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, sagte vor wenigen Tagen, beide Seiten stünden in telefonischem Kontakt und hätten „spezielle Vorbereitungen für persönliche Treffen“ getroffen. Weitere Details nannte Gao jedoch nicht. Das Amt des US-Handelsbeauftragten wollte auf Anfrage nicht bestätigen, dass es konkrete Pläne für neue Gespräche gebe.

Sehr viel hängt davon ab, wie es weitergeht. China und die USA seien die „Hauptmotoren der globalen Wirtschaft“, sagt Song Lifang von der Pekinger Volksuniversität. Daher sei der aktuelle Streit „nicht nur eine Angelegenheit dieser beiden Länder, sondern eine der gesamten Welt“. Der Konflikt sei als „maßgeblicher Faktor“ für das schwächelnde Wachstum verantwortlich, betont der Wirtschaftsexperte. Entsprechend würde eine Lösung „helfen, die Talfahrt in beiden Ländern und auch weltweit zu beenden“.

Das Handelsdefizit der USA mit China ist enorm. 2017 belief sich der Unterschied zwischen dem, was Amerikaner an China verkauften und was sie einkauften, auf etwa 336 Milliarden Dollar (295 Milliarden Euro). Für 2018 wird ein noch höherer Wert erwartet.

Gleichzeitig werden die Beschwerden über aggressive Praktiken Pekings immer lauter. In einem Bericht des US-Handelsbeauftragten hieß es im März, China „hacke“ die Netzwerke von US-Unternehmen, um deren Daten zu stehlen und gewähre ihnen nur dann Zugang zum chinesischen Markt, wenn sie sensible Technologien preisgäben.

Um den Druck auf China zu erhöhen, hat Washington Sonderzölle auf Warenimporte im Wert von 250 Milliarden Dollar erhoben. Im Gegenzug hat Peking US-Waren im Wert von 110 Milliarden Dollar mit eigenen Zusatzabgaben belegt. Ursprünglich sollten entscheidende Strafmaßnahmen zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping einigten sich aber noch auf eine Frist von 90 Tagen, um eine Lösung am Verhandlungstisch zu ermöglichen.

„Die Forderungen der USA sind einfach zu hoch“

Die wirtschaftlichen Aussichten der beiden Länder sind derweil weiter zurückgegangen. Der amerikanische Dow-Jones-Index verzeichnete 2018 ein Minus von fast sechs Prozent - so viel, wie zuletzt im Krisenjahr 2008. Der wichtigste Aktienindex in China, der Shanghai Composite Index, verlor sogar fast 25 Prozent. Viele Investoren fürchten, dass der Handelsstreit den Abwärtstrend in den kommenden Monaten noch verschärfen wird. In den USA könnte dies zu steigenden Zinsen und neuen Problemen auf den Immobilienmärkten führen.

Die chinesische Wirtschaft ist 2018 nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds nur um 6,6 Prozent gewachsen. Im Vorjahr waren es noch 6,9 Prozent gewesen. Massive Investitionen der Regierung verschleiern dabei allerdings die tatsächliche Schwäche des Privatsektors. Die Industrie-Leistung ist im Dezember zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren geschrumpft. Die Verkäufe im wichtigen Automobilsektor gingen im November gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent zurück.

Ob sich China deswegen dem amerikanischen Druck beugen wird, bleibt dennoch abzuwarten. Denn es geht um nicht weniger als die Zukunft der globalen Wirtschaft - und Peking gibt sich entschlossen, diese zu dominieren. „Eine sofortige Lösung des Handelsstreits wird schwierig. Die Forderungen der USA sind einfach zu hoch“, sagt der Experte Song von der Volksuniversität. „Vor allem die Forderung nach einer grundlegenden Veränderung des Wirtschafts- und Sozialsystems kann China kaum akzeptieren.“

Dass Trump plötzlich klein beigebe, sei allerdings ebenfalls kaum zu erwarten, sagt Wendy Cutler, der früher selbst in Handelsfragen für die US-Regierung verhandelte und heute Vize-Präsident des amerikanischen Asia Society Policy Institute ist.

Natürlich gebe es auf beiden Seiten gute Gründe, endlich eine Einigung anzustreben. Aber ohne einen überzeugenden Deal, der auch die strukturellen Fragen angehe, geriete Trump schnell in Erklärungsnot. „Kritiker würden sagen: 'Dafür hast du uns in einen Handelskrieg verwickelt?'“

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