Streit um Hackerangriffe Putin unterbindet die Liebesgrüße aus Moskau

Wie du mir, so ich dir: Russlands Außenminister Lawrow wollte die US-Sanktionen wegen der Hackerangriffe mit den gleichen Maßnahmen vergelten. Doch sofort rief ihn sein Chef zurück. Putin setzt auf die Zukunft mit Trump.

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Russland Präsident pfeift seinen Außenminister Lawrow (hinten) zurück. Quelle: AP

Moskau Das „Abschiedsgeschenk“ von Barack Obama – neue Sanktionen wegen „Russlands Cyberoperation gegen die US-Wahlen“ – hat in Moskau niemanden überrascht. Seit Tagen wurde bereits über mögliche Maßnahmen gemunkelt. Präsident Wladimir Putin hatte deshalb schon vor der Veröffentlichung des Strafenkatalogs erklärt, niemand könne „Russland Probleme bereiten, die das Land nicht lösen kann“.

Tatsächlich sind die neuen Sanktionen zwar scharf, ihre Wirkung aber allenfalls symbolisch: 35 russische Diplomaten, stationiert in Washington und San Francisco, werden als Spione des Landes verwiesen. Die russischen Geheimdienste GRU (Militärgeheimdienst) und FSB (Inlandsgeheimdienst) sowie drei in ihrem Auftrag tätige russische Internetfirmen werden sanktioniert. Vier Geheimdienstoffiziere und zwei russische Staatsbürger stehen künftig als Hacker auf der schwarzen Liste und zwei russische Immobilien in den USA werden dichtgemacht.

Unangenehm ist dies in erster Linie für die betroffenen Diplomaten. Laut Weisung müssen sie innerhalb von 72 Stunden die USA verlassen – doch kurz vor Neujahr sind in Washington alle Flugtickets nach Russland schon vergriffen. Sie müssen wohl zunächst nach New York, denn dort seien die Chancen deutlich besser, einen Flieger nach Moskau zu bekommen, sagte ein Botschaftsangehöriger. Silvester müssen die Diplomaten dann aber wohl im Flugzeug feiern.

Während die russische Botschaft in London auf die Sanktionen mit Spott reagierte, sich an den Kalten Krieg erinnert fühlte und den aus dem Amt scheidenden US-Präsidenten Barack Obama mit dem schmeichelhaften Begriff „lahme Ente“ belegte, fiel die Reaktion aus Moskau deutlich schärfer aus. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nannte die US-Administration eine „Gruppe von verbitterten und kurzsichtigen Losern“ und kündigte „eine offizielle Reaktion, Gegenmaßnahmen und vieles mehr“ an.


Obama ist längst abgeschrieben

Darüber, wie genau die richtige Antwort aussieht, gab es Russland allerdings keinen Konsens. Der russische Militärexperte und Generaloberst a.D. Leonid Iwaschow warnte vor einer Auge-Um-Auge-Geste – schließlich sei mit dem baldigen Amtsantritt von Donald Trump eine Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen möglich. Doch die offizielle Seite drohte Washington zunächst mit der Retourkutsche: Kremlsprecher Dmitri Peskow versprach „adäquate Sanktionen“, die „der amerikanischen Seite bedeutende Unannehmlichkeiten bereiten“.

Als erste Maßnahme bat das russische Außenministerium Putin am Freitag um die Ausweisung von 31 Angehörigen der US-Botschaft in Moskau und vier weiteren Mitarbeitern des Generalkonsulats in St. Petersburg. Darüber hinaus kündigte Minister Sergej Lawrow den USA ein Nutzungsverbot für zwei Objekte in Moskau an. Um welche Objekte es sich handelt, ließ Lawrow jedoch offen. Laut CNN meinte er unter anderem eine gemeinsam von den Botschaften der USA, Großbritanniens und Kanadas betriebenen Schule, auf der 1.250 Kinder aus 60 Ländern unterrichtet werden. Allerdings dementierte Sacharowa kurz darauf den Bericht als Lüge. „Das Weiße Haus hat völlig den Verstand verloren und denkt sich schon Sanktionen gegen die eigenen Kinder aus“, lästerte sie.

Und auch die geplante Ausweisung der Diplomaten war schon kurz darauf überraschend vom Tisch. Putin erklärte, Russland werde auf diesen Schritt verzichten. Stattdessen lud er als Geste des guten Willens sogar die Kinder der US-Diplomaten zur Neujahrs- und Weihnachtsfeier im Kreml ein. In den Neujahrsferien werde Russland den Familien der Botschafter nicht verbieten, sich zu erholen. Zudem dementierte er Berichte über die bevorstehende Schließung eines Erholungsheims der US-Botschaft.

Ein cleverer Schachzug: Der Kreml, der eine Einmischung in den US-Wahlkampf nach wie vor bestreitet, setzt darauf, dass sich die Beziehungen zum Weißen Haus schnell wieder bessern werden, nachdem Trump dort einzieht. Der Immobilien-Milliardär hatte die Bedeutung der Hackerangriffe für die Wahlkampagne stets heruntergespielt. Auch die neuen Sanktionen kritisierte Trump. Es sei Zeit, dass sich Amerika wichtigeren Dingen zuwende, sagte er.

Mit dem Verzicht auf das Prinzip „Auge um Auge“ will die russische Führung dem künftigen US-Präsidenten die Wiederbelebung der bilateralen Beziehungen erleichtern. Trotzdem ist keineswegs ausgemacht, dass dieser die Restriktionen wieder vollständig rückgängig machen kann, denn auch ein Teil der Republikaner steht hinter der Aktion. Obama hinterlässt seinem Nachfolger mit den amerikanisch-russischen-Beziehungen eine schwere Hypothek.

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