Streit um Nord Stream 2 Transatlantisches Tauwetter – jetzt ist Berlin am Zug

US-Präsident Joe Biden hat gegen die vorherrschende Meinung der Abgeordneten im Kongress die Sanktionen gegen Nord Stream 2 nicht eingesetzt. Quelle: AP

US-Präsident Joe Biden verzichtet vorerst auf die Sanktionen gegen die umstrittene Gaspipeline. Das Eis zu brechen ist für ihn innenpolitisch riskant. Jetzt muss auch die Bundesregierung den Mut haben, auf ihn zuzugehen. Ein Kommentar.

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Es ist ein Schritt, der dem US-Präsidenten viel Ärger einbringen könnte. Schließlich ist der Widerstand gegen die russische Gaspipeline eines der wenigen Themen, bei dem sich selbst im tief gespaltenen politischen Washington Demokraten und Republikaner einig sind. Auch Biden und sein Kabinett lehnen das Projekt ab. Außenminister Antony Blinken hat öffentlich betont, alles tun zu wollen, um die Fertigstellung zu verhindern. Trotzdem sendet das Weiße Haus nun erneute Entspannungssignale nach Deutschland.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Biden um Schadensbegrenzung bemüht. Schließlich nahm er auch die von seinem Vorgänger Donald Trump verordnete Reduktion amerikanischer Truppen in Deutschland zurück – ein Schritt, um das arg belastete transatlantische Verhältnis nach schwierigen Jahren wieder auf eine stabilere Grundlage zu stellen. Eine Gegenleistung verlangte der US-Präsident damals nicht. Kein Wunder: Schließlich ist der Standort Deutschland für das Militär der Vereinigten Staaten logistisch und strategisch wichtig, also auch im amerikanischen Eigeninteresse.



Im Fall Nord Stream 2 lässt sich das nicht behaupten. Die Pipeline wird von den USA rundheraus abgelehnt – teils aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch aus sicherheitspolitischen Erwägungen. Innenpolitisch hat Biden deshalb durch die Aussetzung der Sanktionen nichts zu gewinnen. Sie ist stattdessen ein Signal dafür, dass es dem Präsidenten mit der Wiederannäherung an Deutschland, den wichtigsten Verbündeten auf dem europäischen Kontinent, ernst ist.

Damit bietet sich auch Berlin eine Chance, an einer Verbesserung der transatlantischen Beziehungen zu arbeiten. Bisher kommen in Washington jedoch kaum Signale an, dass die Bundesregierung von ihrer Seite viel dafür tun würde, die Dinge ebenfalls zu verbessern. Abgesehen von freundlichen Telefonaten zwischen Kanzleramt und Weißem Haus und einer angeblich besseren Kooperation auf der Arbeitsebene hört man in der amerikanischen Hauptstadt derzeit herzlich wenig aus Deutschland.

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Und dass, obwohl die Liste der Probleme zwischen den Partnern nach wie vor lang ist. Der Handelskonflikt zwischen Europa und den USA etwa mag derzeit eingefroren sein, gelöst ist er noch lange nicht. Und auch die Frage des Umgangs mit China ist weiter offen. Es ist also höchste Zeit, dass auch die Bundesregierung dem neuen Präsidenten zeigt, dass ihr wieder an besseren Beziehungen gelegen ist. Ansonsten könnte das transatlantische Tauwetter schnell beendet sein.

Mehr zum Thema: Ein Stopp der Gaspipeline wäre weder politisch noch ökonomisch sinnvoll. Auf einen Politikwechsel in Russland drängt man besser anders.

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