Streit um Zollunion Britischer Außenminister Johnson spielt Irland-Grenzstreit mit bizarrem Vergleich herunter

Das Labour-Bekenntnis zur Zollunion sorgt für Unruhe: Der Handelsminister fürchtet einen „Ausverkauf nationaler Interessen“ und Johnson zieht einen bizarren Vergleich.

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London Es läuft gerade nicht rund für die britische Regierung. Am Montag musste sie sich ausgerechnet vom Arbeitgeberverband CBI anhören, dass der linke Oppositionsführer Jeremy Corbyn eine vernünftigere Brexit-Position vertrete als die Konservativen. Der Labour-Chef hatte erklärt, Großbritannien solle eine neue Zollunion mit der EU anstreben, und bekam für seinen Kurswechsel Beifall von der Unternehmenslobby.

Am Dienstag dann wurde Handelsminister Liam Fox von seinem früheren Staatssekretär Martin Donnelly vorgeführt. Wenn Großbritannien aus Binnenmarkt und Zollunion austrete, sei das so, als tausche man ein Dreigänge-Menü gegen „die Aussicht auf eine Packung Chips in der Zukunft“, sagte der Ex-Beamte der BBC. Kein Handelsdeal mit anderen Ländern könne den Verlust des EU-Zugangs ausgleichen.

Und dann war da noch Boris Johnsons London-Irland-Vergleich. In seiner Brexit-Rede vor wenigen Wochen hatte der britische Außenminister das Nachbarland gar nicht erwähnt. Am Dienstag nun erklärte er in der BBC, warum die irische Grenze kein großes Problem nach dem Brexit darstelle. Zwischen den Londoner Stadtbezirken Westminster und Camden gebe es schließlich auch keine Grenzkontrollen, und trotzdem sammele man jedes Jahr von Millionen Autofahrern die Gebühren für die „Congestion Charge“ ein, sagte Johnson.

Offenbar wollte er zum einen die Bedeutung des Themas herunterspielen und zum anderen unterstreichen, dass unsichtbare Grenzkontrollen technisch sehr wohl möglich seien. Der Vergleich der lokalen Bezirksgrenzen mit der künftigen EU-Außengrenze sorgte umgehend für Spott. Die EU hat mehrfach darauf hingewiesen, dass Grenzkontrollen unumgänglich seien, wenn Großbritannien die Zollunion verlasse.

Johnson verteidigte den Ausstieg aus der Zollunion vehement. Wenn Großbritannien drin bleibe oder in eine neue Zollunion eintrete, wie Corbyn vorschlage, genieße man künftig „Kolonie-Status“, sagte Johnson. Die EU-Kommission würde dann weiterhin die Handelspolitik Großbritanniens kontrollieren.

Das gleiche Argument brachte Handelsminister Fox später in seiner Brexit-Rede vor. In den vergangenen Wochen hatten Johnson und Brexit-Minister David Davis schon jeweils Aspekte des Brexit-Kurses der Regierung vorgestellt, Fox war nun als dritter Minister an der Reihe. Am Freitag dann will Premierministerin Theresa May selbst ihre dritte Grundsatzrede zum Brexit halten.

Ein Verbleib in der Zollunion wäre ein „Ausverkauf nationaler Interessen“, warnte Fox in der Londoner Zentrale des Finanzdienstes Bloomberg. Großbritannien müsste dann EU-Regeln befolgen, ohne mitreden zu können. „Wir wären in einer schlechteren Position als heute“. Auch wäre man als Mitglied einer Zollunion weniger attraktiv für neue Handelspartner, weil man sich an EU-Vorgaben halten müsse. Das globale Wachstum finde vor allem außerhalb Europas statt, sagte Fox. Um diese Märkte mit eigenen Handelsabkommen zu erschließen, brauche Großbritannien eine „vollkommen unabhängige Handelspolitik“.

Der robuste Gegenangriff zeigt, wie besorgt die Brexit-Hardliner nach dem Labour-Kurswechsel sind. Die Opposition könnte im Unterhaus gemeinsame Sache mit proeuropäischen Tory-Abgeordneten machen und einen Änderungsantrag zur Zollunion im EU-Ausstiegsgesetz durchsetzen. Schon wenige Abweichler der Regierungspartei würden ausreichen, um May eine empfindliche Schlappe zuzufügen.

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