Südamerika Argentiniens Regierung ruiniert das chancenreiche Land

In Argentiniens Wirtschaft herrscht der Pessimismus – das liegt vor allem an der Regierung. Sie ist verantwortlich für den fortschreitenden Abstieg des eigentlich reichen Landes.

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Demonstrant in Buenos Aires Quelle: AP

Miguel Angel Broda ist der Magier unter den argentinischen Ökonomen. Wenn der 67-jährige Wirtschaftsforscher einmal im Monat seine Analysen präsentiert, dann hängt ihm die versammelte Wirtschaftselite von Buenos Aires an den Lippen: Das Mikrofon direkt am Mund, zerlegt Broda – mal dramatisch flüsternd, mal empört aufschreiend – kunstvoll all die zweifelhaften Tatsachenbehauptungen, mit denen die argentinische Regierung belegen will, dass es dem Land und seiner Wirtschaft blendend geht. „Argentinien macht Pause“, urteilt der von den Wirtschaftsliberalen an der University of Chicago ausgebildete Broda lakonisch, „die Regierung hat kein Projekt. Die Unternehmer investieren nicht. Und die Konsumenten wollen keine Kredite. Alle warten ab.“

Das überrascht. Denn eigentlich hätte Argentinien die besten Voraussetzungen, um derzeit einer der attraktivsten aufstrebenden Volkswirtschaften weltweit zu sein. Die argentinischen Arbeitskräfte sind in der Regel gut ausgebildet, nirgendwo in Lateinamerika findet sich eine so breite Mittelschicht wie hier. Das Land hat eine moderne Infrastruktur und könnte sich problemlos selbst mit Energie versorgen. Die Landwirtschaft des achtgrößten Flächenstaates der Erde produziert weltweit wettbewerbsfähig Soja, Weizen und Mais. Die Nachfrage danach und die Preise der Agrarrohstoffe sind auch während der Weltwirtschaftskrise kaum gesunken. So hat die Krise Argentinien nur wenig zugesetzt: Rund drei Prozent wird die Wirtschaft dieses Jahr schrumpfen. 2010 soll sie bereits wieder um drei Prozent wachsen.

Manipulierte Statistik

Argentiniens Quelle: dpa

Die Regierung spricht daher von der schnellsten wirtschaftlichen Erholung der letzten 30 Jahre. Doch wie fast alle hier misstraut der Wirtschaftsguru Broda diesen Verlautbarungen: „Niemand weiß, was stimmt. Wir müssen die Wahrheit mit der Kristallkugel suchen.“ Es ist allgemein bekannt, dass die Regierung ihre Statistiker dazu bringt, Zahlen über Inflation und Wachstum zu manipulieren. Regierungsnahe Banker kommen ins Stottern, wenn man sie fragt, auf welche Rate sie die gegenwärtige Inflation schätzen. Die amtlichen, niedrigen Zahlen nimmt ihnen keiner ab. Reden sie aber von den allgemein vermuteten 15 Prozent, droht ihnen ein Rüffel aus dem Präsidentenpalast.

Entsprechend groß ist die Entfremdung zwischen Wirtschaftselite und Staatsspitze, in Südamerika allenfalls in Venezuela übertroffen, wo Präsident Hugo Chávez seinen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ ausprobiert. Der hat wenigstens Milliardensummen aus dem Erdölexport zum Verschwenden. Seine Verbündete in Buenos Aires, Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, hat nach zwei Amtsjahre nichts als eine katastrophale Bilanz vorzuweisen.

Dabei waren ihre Ausgangsbedingungen gar nicht schlecht. Ihr Gatte und Vorgänger Néstor Kirchner hatte das Land nach dem Staatsbankrott 2001 wieder stabilisiert. Unter seiner Präsidentschaft erlebte das Land vier Jahre lang Wachstumsraten von mehr als sieben Prozent jährlich. Das aber war ein künstlicher Boom, ermöglicht durch einen niedrigen Wechselkurs der Landeswährung. Der billige Peso schützte die einheimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz.

Immerhin sank durch diese Politik die Arbeitslosigkeit, und Argentinien erlebte einen Bauboom. Doch Néstor Kirchner isolierte das zuvor bis zur Zahlungsunfähigkeit heruntergewirtschaftete Land noch weiter auf den internationalen Finanzmärkten. Vor vier Jahren mutete er den Gläubigern einen Forderungsverzicht von zwei Dritteln zu. Ein Drittel der Gläubiger weltweit wollte das nicht schlucken – und verhindert seitdem, dass der argentinische Staat oder die Unternehmen des Landes neue Kredite im Ausland aufnehmen können.

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