Südamerika Rechtspopulist verzeichnet Zugewinne: Chile steuert auf Stichwahlen zu

Der linksgerichtete Boric kommt bei den Präsidentschaftswahlen wohl auf ein Viertel der Stimmen, der Rechtspopulist Kast auf mehr als 28 Prozent. Stichwahlen im Dezember sind wahrscheinlich.

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Chile: José Antonio Kast - Der Aufsteiger unter den Rechtsaußen Quelle: dpa

Nach den Zugewinnen des Rechtspopulisten Jose Antonio Kast bei den Präsidentschaftswahlen steuert Chile auf Stichwahlen im Dezember zu. Kast konnte nach Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen 28,1 Prozent auf sich vereinen. Auf den linksgerichteten Gabriel Boric entfielen nach Angaben des Wahlamts 25,64 Prozent.

„Heute hat das chilenische Volk gesprochen“, sagte Kast in einer Rede vor seinen Anhängern nach der Bekanntgabe der Ergebnisse am späten Sonntagabend (Ortszeit). Wie schon während des gesamten Wahlkampfs thematisierte er Kriminalität und Gewalt und griff damit die Ängste vor Einwanderung und gewalttätigen Protesten auf. Die Abstimmung sei eine Wahl zwischen „Freiheit und Kommunismus“, sagte Kast, eine Anspielung auf Borics breites Linksbündnis, zu dem auch die Kommunistische Partei gehört.

Boric sprach in seiner Rede die Themen Kriminalität und Drogenhandel an, was er vor der Wahl nur selten getan hat. Er räumte ein, dass er seine Unterstützerbasis verbreitern müsse. „Der Leitgedanke ist, dass die Hoffnung über die Angst siegt“, sagte er.

Da keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen erhielt, kommt es nun am 19. Dezember zu einer Stichwahl zwischen Kast und Boric.

Die Wahlen fanden nach zwei Jahren teils gewalttätiger Proteste für mehr soziale Gerechtigkeit statt. Die Demonstrationen trugen dazu bei, dass die Verfassung aus der Ära des Diktators Pinochet derzeit überarbeitet wird und beflügelten die Kandidatur von Boric, der über weite Strecken einen komfortablen Vorsprung hatte.

Doch die zunehmende Kriminalität und politische Gewalt hatte Kast Auftrieb gegeben. „Er wird den Drogenhandel bekämpfen, der unserem Land so viel Schaden zufügt“, sagte ein 66-jähriger Witwer aus dem gehobenen Santiago-Viertel Las Condes, über den rechten Kandidaten. „Er wird auch die Einwanderung kontrollieren, denn es gibt viele Einwanderer, die kommen, um Chile zu schaden“.

Augusto Pinochet stürzte 1973 demokratische Regierung

„Für mich ist das Wichtigste, dass wir ein Land schaffen, in dem die Menschen Rechte haben“, sagte der 54-jährige Rechtsanwalt Romario Deluca vor seiner Stimmabgabe für Boric vor einem Wahllokal im Zentrum Santiagos. Es gehe ihm um „Persönlichkeitsrechte, Wohnung, Gesundheitsversorgung, unabhängig vom Einkommen“.

Der Militärgeneral Augusto Pinochet stürzte 1973 durch einen blutigen Staatsstreich die demokratisch gewählte Regierung des südamerikanischen Landes. Während seiner 17-jährigen Herrschaft wurden mehr als 3000 Menschen getötet oder verschwanden, Zehntausende wurden gefoltert.

Kast, ein 55-jähriger Katholik und Vater von neun Kindern, hatte das neoliberale „wirtschaftliche Erbe“ des ehemaligen Diktators gelobt. Seine offenen Worte, sein pauschaler Konservatismus und seine manchmal eigenwilligen politischen Ideen, wie das Ausheben eines Grabens zur Eindämmung der illegalen Einwanderung, haben häufig Vergleiche mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro aufkommen lassen.

Ebenfalls zur Wahl standen alle 155 Sitze im chilenischen Unterhaus sowie 27 der 50 Sitze im Oberhaus.

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