
Nach einer überraschenden Niederlage der britischen Regierung im Parlament sollen die Streitkräfte des Landes nicht an einem etwaigen Syrien-Angriff teilnehmen. Premierminister David Cameron verlor am späten Donnerstagabend eine Grundsatz-Abstimmung über den Einsatz. Verteidigungsminister Philip Hammond sagte anschließend, man werde "sich nicht beteiligen".
Cameron verlor die eigentlich symbolische Abstimmung mit 285 zu 272 Stimmen. Er erklärte anschließend, es sei deutlich geworden, dass die Abgeordneten und das britische Volk gegen einen Militärschlag seien. "Das habe ich verstanden und die Regierung wird entsprechend handeln." Umfragen vom Donnerstag zufolge lehnen mehr als die Hälfte der Briten einen Angriff ab. "Das britische Parlament, dass die Ansichten des britischen Volkes widerspiegelt, will keine britische Militäraktion sehen“, sagte Cameron. Er glaube nach wie vor an eine harte Antwort auf den Einsatz von Chemiewaffen, aber er respektiere auch den Willen des Unterhauses.
Fragen und Antworten zum giftigen Sarin-Gas
Das Nervengas Sarin zählt zu den giftigsten Kampfstoffen, die je hergestellt wurden. Die Phosphorverbindung wird durch Einatmen und über die Haut aufgenommen.
Schon ein Milligramm Sarin kann in Minuten zu Atemlähmung und Herzstillstand führen.
Das Gas wurde Ende der 1930er Jahre von deutschen Chemikern als Insektenvernichtungsmittel entwickelt und im Zweiten Weltkrieg als Kampfstoff produziert, aber nicht eingesetzt. Der Einsatz von Giftgas bei bewaffneten Konflikten gilt nach allen internationalen Konventionen als Kriegsverbrechen.
Das Institut für Strategische Studien in London geht davon aus, dass Syrien seit den 1970er Jahren große Mengen Chemiewaffen produziert hat, darunter auch Sarin. Sein Arsenal gilt als das größte der Region und das viertgrößte weltweit. Sicherheitsexperten befürchten, dass das Giftgas von dort in die Hände von Terroristen gelangen könnte.
Bereits 1995 war Sarin bei einem Anschlag eingesetzt worden. Die Aum-Sekte tötete damals mit dem Gas in Tokios U-Bahn zwölf Menschen, Tausende wurden verletzt.
Cameron hatte zuvor selbst vor dem Parlament eingeräumt, dass es immer noch einen Hauch von Unsicherheit darüber gebe, ob tatsächlich die Regierung Assad hinter dem tödlichen Chemiewaffenangriff von vergangener Woche stecke. Während der Debatte wurde immer wieder der Irak-Krieg angesprochen. Der damalige Regierungschef Tony Blair hatte den Einmarsch 2003 mit der - später widerlegten - Behauptung begründet, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen. Die "Episode im Irak" habe die öffentliche Meinung vergiftet, sagte Cameron. Man müsse die Zweifel der Bevölkerung verstehen.
Britische Kommentatoren sprachen in ersten Analysen in der Nacht von einer schweren Niederlage für Cameron. Es sei das erste Mal seit 1782, dass ein Premier eine Abstimmung zu einem Krieg verloren habe. Auch Camerons Hoffnungen auf eine Wiederwahl 2015 hätten gelitten. Hammond erklärte, die USA dürften über die Entscheidung des Verbündeten enttäuscht sein: "Es wird unsere besondere Beziehung mit Sicherheit belasten." Vermutlich werde es jedoch auch ohne Großbritannien zu einem Angriff kommen.
Unterdessen ging erneut eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates zu Syrien ohne Einigung zu Ende. Die UN-Botschafter Russlands, der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Chinas brachen das Treffen am Donnerstag nach etwas mehr als einer Stunde ab. Keiner der Diplomaten gab im Anschluss einen Kommentar ab. Russland und China, die durch ihre Vetomacht im Sicherheitsrat seit Beginn des Aufstandes gegen Präsident Assad scharfe Sanktionen gegen Syrien verhindert haben, stellen sich gegen ein Eingreifen.