Verantwortlich für das Debakel ist nämlich vor allem der lange Schatten des Irak-Krieges. Seit sich die vom britischen Ex-Premier Tony Blair vorgelegten Beweise über die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak als falsch erwiesen, herrscht in Großbritannien eine tiefsitzende Skepsis was die Rechtsgrundlage von Militärschlägen im Ausland angeht. Blair wurde den politischen Makel, er sei eigentlich nur "Bushs Pudel" nie los. Ihm wird noch heute vorgeworfen, er sei dem damaligen US-Präsident George W. Bush zu bereitwillig in den Krieg gefolgt. Desillusioniert sind die Briten zudem mit den politischen Folgen der Irak- und Afghanistan-Kriege.
Auch die Bevölkerung ist gegen einen militärischen Einsatz
Eigentlich hätte Cameron das Parlament gar nicht abstimmen lassen müssen, verfassungsrechtlich war dies jedenfalls nicht notwendig, denn aufgrund des "Royal Prerogative" kann ein britischer Regierungschef auch ohne die Zustimmung des Parlamentes militärische Einsätze befehlen. Insofern war hatte die Entscheidung nur symbolische Bedeutung, aber politisch machte sie insofern Sinn, als die britische Öffentlichkeit vom Trauma des Irak-Krieges gezeichnet eine wachsende Skepsis gegen einen Militärschlag in Syrien demonstrierte. Umfragen zeigen, dass bis zu Dreiviertel der Bevölkerung dagegen sind. Politiker, Kommentatoren und sogar das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche fragten immer lauter nach der Rechtfertigung, den Zielen und Folgen einer möglichen Militäroperation. Es war daher nur folgerichtig, dass Cameron nach der Abstimmungsniederlage erklärte: "Mir ist klar, dass das britische Volk keine britische Militäraktion will. Ich habe das verstanden und werde mich entsprechend verhalten."
Labour-Chef Ed Miliband kann als politischer Gewinner der verfahrenen Lage gelten. Nachdem er zunächst den Eindruck erweckt hatte, er werde - ganz staatsmännisch - im Hinblick auf die Syrien-Frage Seite an Seite mit der Regierung stehen, begann er zurück zu rudern und dann Bedingungen für die Unterstützung der Opposition zu stellen. So verlangte er plötzlich "zwingende Beweise" für eine Verantwortung des Assad-Regimes für den Giftgaseinsatz und forderte dann unter anderem, erst wenn der Bericht der UN-Experten vorliege, solle endgültig über einen Militäreinsatz abgestimmt werden. Cameron knickte ein: So kam es dazu, dass das britische Unterhaus am Donnerstagabend zunächst ein militärisches Eingreifen lediglich prinzipiell absegnen und den konkreten Befehl zum Einsatz erst nächste Woche gesondert sanktionieren sollte. Das ist nun obsolet. Auf Regierungsseite allerdings wird man Labour nun einen Teil der Schuld zuweisen, wenn Präsident Assad neue Gräueltaten gegen seine eigenen Landsleute verüben sollte.
Besonders tragisch ist, dass die BBC noch am Donnerstagabend einen Bericht über einen weiteren Angriff gegen syrische Zivilisten ausstrahlte, bei dem offenbar eine Napalm ähnliche Waffe auf einen Schulhof voller Teenager abgefeuert worden war. Die Bilder der Opfer mit ihren schweren Verbrennungen folgten unmittelbar auf die Nachricht auf die Blockade des britischen Militärschlages durch das Unterhaus.