Syrien Berlin zeigt Verständnis für Luftangriffe

Ein Leuchtstreif ist nach einem Luftangriff in der Nacht zum Samstag am Himmel über Damaskus zu sehen. Quelle: dpa

Die USA, Großbritannien und Frankreich haben Ziele in Syrien angegriffen. Die Bundesregierung signalisiert Verständnis, Kanzlerin Merkel nannte den Militärschlag „erforderlich und angemessen“. Russland droht mit Konsequenzen.

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Nach den Luftangriffen der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf Ziele in Syrien stehen die Zeichen zwischen dem Westen und Russland auf Konfrontation. Kremlchef Wladimir Putin - dessen Land mit dem syrischen Regime verbündet ist - verurteilte die Militärschläge am Samstag aufs Schärfste und verlangte umgehend eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Er sprach von einem Bruch des Völkerrechts und einer neuen Eskalation, die die humanitäre Katastrophe in Syrien weiter verschlimmern werde. Die Bundesregierung nannte die Luftschläge angemessen und gerechtfertigt.

Aus Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in der syrischen Stadt Duma eine Woche zuvor hatten die USA, Frankreich und Großbritannien in der Nacht zum Samstag mehr als 100 Geschosse auf mindestens drei Ziele - mutmaßliche Chemiewaffenlager und eine Forschungseinrichtung - abgefeuert. Nach russischen Angaben gab es keine Todesopfer, einige Menschen seien leicht verletzt worden.

US-Präsident Donald Trump sagte, die Angriffe seien die Antwort auf den Einsatz chemischer Waffen durch die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad gegen das eigene Volk. „Dies sind nicht die Taten eines Menschen. Es sind die Verbrechen eines Monsters“, befand Trump. US-Verteidigungsminister James Mattis sprach von einer begrenzten, einmaligen Aktion. Weitere Schläge seien nicht geplant. Der Einsatz richtete sich demnach gegen die Infrastruktur der chemischen Waffenproduktion in dem Land. An den Militärschlägen waren Schiffe und Flugzeuge der Alliierten beteiligt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte: „Die rote Linie ist überschritten.“ Sein Außenminister Jean-Yves Le Drian drohte für den Fall eines neuen Einsatzes von Chemiewaffen eine weitere Intervention an. Er fügte hinzu: „Aber ich denke, dass die Lektion verstanden wird.“ Frankreich feuerte nach Angaben aus Diplomatenkreisen zwölf Marschflugkörper von Kampfflugzeugen und einer Fregatte ab.

Die britische Premierministerin Theresa May bezeichnete das Vorgehen des Westens als alternativlos - und sprach zugleich von einer Warnung an Russland. „Wir können nicht erlauben, dass der Gebrauch chemischer Waffen normal wird: innerhalb Syriens, auf den Straßen Großbritanniens oder irgendwo sonst in unserer Welt“, sagte sie in Anspielung auf das Attentat auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in England. Auf britischer Seite waren vier Flugzeuge der Royal Air Force beteiligt.

OPCW-Experten wollen mutmaßlichen Giftgasangriff weiter untersuchen

Nach russischen Angaben wurde ein Großteil der Geschosse abgefangen. Die syrische Luftabwehr habe 71 der 103 Geschosse abgeschossen, teilte Generaloberst Sergej Rudskoj vom Verteidigungsministerium in Moskau mit. Nach seiner Einschätzung haben die USA kein Interesse an einer objektiven Aufklärung des mutmaßlichen Giftgasangriffes durch die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW). „Sie wollen nur den Friedensprozess in Syrien zum Scheitern bringen und die Situation im Nahen Osten destabilisieren“, sagte er der Agentur Tass zufolge.

Ungeachtet der nächtlichen Luftangriffe setzten die OPCW-Experten ihren Einsatz zur Untersuchung des mutmaßlichen Giftgasangriffs im Osten der syrischen Hauptstadt Damaskus fort. Die Ermittler sollen herausfinden, ob in Duma Giftgas eingesetzt wurde. Am 7. April sollen in der Region Ost-Ghuta nach Angaben der syrischen Hilfsorganisation Weißhelme mindestens 42 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt worden sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte nach den Luftschlägen: „Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen.“ Ähnlich äußerte sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Außenminister Heiko Maas (SPD) rechtfertigte die Angriffe auch mit der schwierigen Situation im UN-Sicherheitsrat, der in der Syrienfrage „durch das Agieren Russlands schon seit Monaten blockiert“ sei. Immer wieder habe das Assad-Regime in Syrien Kriegsverbrechen begangen und dabei Chemiewaffen gegen Teile der eigenen Bevölkerung eingesetzt, sagte Maas.

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg unterstützte das Vorgehen: „Das wird die Fähigkeiten der Führung einschränken, weiter die Menschen in Syrien mit chemischen Waffen anzugreifen.“ Die Europäische Union steht nach Aussage von EU-Ratspräsident Donald Tusk ebenfalls hinter seinen Verbündeten. „Die Angriffe der USA, Frankreichs und Großbritanniens machen deutlich, dass das syrische Regime zusammen mit Russland und dem Iran nicht mit dieser menschlichen Tragödie fortfahren kann, zumindest nicht ohne Folgen“, twitterte Tusk. „Die EU wird mit ihren Verbündeten auf der Seite der Gerechtigkeit stehen.“

Nach US-Angaben gab es keine Verluste bei den Angriffen auf ein Forschungszentrum wohl nordöstlich der Hauptstadt Damaskus, eine mutmaßliche Lagerstätte für chemische Waffe sowie eine Kommandoeinrichtung bei Homs. US-Verteidigungsminister Mattis sagte, der Schlag sei härter gewesen als der im Vorjahr. Es seien etwa doppelt so viele Waffen eingesetzt worden wie beim Angriff 2017. Zum zweiten Mal griffen die USA unter Trump die Assad-Regierung direkt an. Das US-Militär hatte vor einem Jahr die Luftwaffenbasis Schairat beschossen - als Reaktion auf den Giftgasangriff mit Dutzenden Toten auf die Stadt Chan Scheichun, für den UN-Experten die Regierung Assads verantwortlich machten.

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