Syrien Bettelarm trotz Öl

In Syrien spitzt sich die Lage immer weiter zu. Rebellen kontrollieren mittlerweile die Bohrtürme, das Regime die Raffinerien: Auch die Erdölindustrie funktioniert nicht mehr.

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Das vom Krieg gezeichnete Syrien ist trotz großer Ölvorkommen bettelarm Quelle: dpa

Mit kaum mehr als einem Tuch vor dem Gesicht stapfen sie durch dichte Rauchschwaden, steigen mit nackten Füßen durch Ölpfützen, die Hitze ist unerträglich. Hier im Osten Syriens liegen die meisten Ölreserven des Landes, aber die Menschen sind von jeher arm. Pipelines führten das Erdöl vor dem Krieg in die dem Regime bis heute verbundene Küstenregion, und in den Häfen Baniyas und Tartus wurde es auf Tanker verladen. Jetzt tobt der schreckliche Bürgerkrieg, die Rebellen halten die Ölfelder und die Getreuen von Präsident Baschar al-Assad die Verarbeitungsanlagen und Ölhäfen.

In ihrer Not haben in den Ostprovinzen Dair az-Zur und al-Hasaka viele Menschen begonnen, in ihren Dörfern kleine Raffinerien zu errichten, nicht mehr als in den Boden eingelassene Gräben und einige metallene Bottiche. Es gibt viel zu wenig Benzin im Land. Wenige Meter von den kargen Feldern entfernt, verkochen die Leute schweres Rohöl zu Benzin. Aus verbeulten Fässern verkaufen sie es dann in der Nachbarschaft. Ganze Familien überleben nur, weil sie es auf sich nehmen, tagtäglich die giftigen Dämpfe einzuatmen.

Das ausgeplünderte Volk

Regionale Player im Syrien-Konflikt

„Wir haben das ganze Öl, und doch sind die Menschen arm“, klagt Abu Dschihad, Oberst der Freien Syrischen Armee in der Ortschaft al-Schedadeh nahe der Grenze zum Irak. Er deutet in die Ferne, wo die Rauchsäulen brennender Ölquellen aufsteigen. „Assad hat das Volk ausgeplündert, seine Familie auf Kosten des Landes bereichert.“ Vor der Revolution verdiente er als Lehrer umgerechnet etwa 120 Euro im Monat; Leute wie er verdienten kaum mehr als Brotkrumen, verglichen mit dem Reichtum der Elite, sagt der Bürgerkrieger.

Vier Milliarden Dollar im Jahr machte vor Kriegsausbruch das syrische Ölgeschäft aus, rund ein Drittel des Staatshaushalts. Die westlichen Unternehmen Shell, Total und Petro-Canada waren an Förderkonzessionen beteiligt, stets als Partner der staatlichen Ölgesellschaft Syriens. Die größten Investitionen kamen aber aus dem Iran, den Golfstaaten und Russland. Auf 2,5 Milliarden Barrel werden die syrischen Ölreserven geschätzt, doch seit einem Jahrzehnt sinkt die Fördermenge fast von Jahr zu Jahr. 2011, vor der Eskalation des Bürgerkriegs, hat das Land nach den Zahlen des BP Energy Report täglich ungefähr 332.000 Barrel gefördert, ungefähr so viel wie Thailand. Für den Weltmarkt spielte das keine Rolle.

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