Syrien Die schwierige Rückkehr nach Palmyra

Minen, Trümmerwüste, fehlendes Wasser und kein Strom: Wer aus Palmyra geflüchtet ist, kann vorerst nicht zurückkehren. Einige Syrer trauen sich für ein paar Stunden zurück, um in ihren Häusern nach dem Rechten zu sehen.

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Palmyra ist unbewohnbar. Frühere Bewohner kehren zurück, um von ihren Besitztümern etwas zu retten. Quelle: AP

Palmyra Als die Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat vor knapp einem Jahr die syrische Stadt Palmyra überrannten, flüchtete Maha Aberrasak wie Zehntausende andere verängstigte Bewohner nach Westen. Vielen blieb wenig mehr als die Kleidung, die sie am Leib trugen. In der vergangenen Woche zählte die 22-Jährige zu den einigen Hundert Geflüchteten, die nach der Vertreibung der Islamisten für kurze Zeit in ihre Heimatstadt zurückkehrten und nach ihren Wohnungen sahen.

Sie kamen, um einige Dinge ihres Hausrats wie Teppiche, Decken, einen Kühlschrank oder Erinnerungsstücke mitzunehmen. Es gibt in der Stadt weder Wasser noch Strom, und es wird Monate dauern, bis Bewohner dauerhaft in die Stadt zurückkehren können. Ihr Schicksal schlug sich in der internationalen Berichterstattung bislang kaum nieder, mehr Beachtung fanden die Zerstörungen, die die Extremisten an den antiken Stätten aus der Römerzeit angerichtet haben.

In der Ruinenstadt, einem Weltkulturerbe der Unesco vor den Toren der modernen Stadt Palmyra, hat die Terrormiliz einige der berühmtesten Bauten gesprengt, darunter den Triumphbogen und Teile des Baaltempels. Die Zerstörungen machten weltweit Schlagzeilen. „Ich verstehe das, die Ruinen sind überwältigend“, sagt Abderrasak und lächelt scheu. Einige ihrer Nachbarn zeigen weniger Verständnis. Sie finden, ihr Leid werde zu wenig beachtet von einer Welt, die nur auf Ruinen und Steine fixiert sei.

Die Oasenstadt wurde Ende März von syrischen Regierungstruppen mit Hilfe verbündeter Milizen und russischer Luftangriffe zurückerobert. Als sich der IS nach zehn Monaten zurückzog, hinterließ er Tausende Minen und Sprengfallen, sowohl in der Stadt als auch in der archäologischen Stätte. Der Zutritt zu den Ruinen ist derzeit gesperrt, ein Team der russischen Streitkräfte räumt dort weiterhin Minen. Regelmäßig sind Detonationen zu hören, die Straßen in der Nähe des Palmyra-Museums weisen von kontrollierten Sprengungen gerissene, große Krater auf.

Die Bewohner, die in Autos und Regierungsbussen aus dem 160 Kilometer entfernten Homs in den modernen Teil Palmyras anreisten, hatten am Donnerstag nur wenige Stunden Zeit, um nach ihren Häusern zu sehen. Eilig schafften sie Geschirr, Ventilatoren oder Fotoalben nach draußen, um alles in Koffer zu packen. Kinderwagen und Fahrräder, mit denen sie ihre Habseligkeiten zu den Bussen schafften, blieben zurück inmitten von Trümmern und Scherben von Schaufenstern, die vermutlich durch Druckwellen von Bomben oder Luftangriffen zu Bruch gegangen waren.


Wohngebiete nur noch Trümmerfelder

Im sechsten Jahr des Bürgerkriegs in Syriens ergeht es den Menschen in Palmyra wie vielen Bewohnern zuvor umkämpfter Gebiete: Wenn sie von dort zurückkehren, wo sie Zuflucht gesucht haben, finden sie eine Trümmerwüste vor. Hassan Ali sagt, vor dem Krieg hätten bis zu 100.000 Menschen in Palmyra gelebt. Die meisten hätten nur das retten können, was sie am Leib trugen. „Wir haben keine Möbel in Homs. Wir holen uns ein paar Sachen, bis wir zurückkehren können“, erklärt Ali. Seine Frau sagt, sie habe Babyfotos der heute achtjährigen Tochter mitgenommen.

Der 40-jährige Nasser Ahmad ist zum zweiten Mal innerhalb einer Woche zurückgekehrt, diesmal mit seiner Frau und den beiden kleinen Kindern. Ihre Wohnung ist weitgehend unbeschädigt, aus ihr nehmen sie unter anderem einen Gasherd mit nach Homs. Die Miete für ihre Wohnung dort kostet rund 20.000 syrische Pfund (80 Euro) - genau die Summe, die er mit seiner Stelle in der Landwirtschaft verdiene, sagt Ahmad.

Die 22-jährige Abderrasak erzählt, sie und ihre ältere Schwester seien in den ersten Tagen der IS-Herrschaft in Palmyra an einem Kontrollposten der Extremisten zwei Mal wieder zurückgeschickt worden, weil sie keinen männlichen Aufpasser dabei hatten und nicht verhüllt waren. Beim dritten Versuch durften sie nur passieren, weil ihr Onkel mitkam und sie den Wachleuten vom IS Geld gaben. Es sei ein unbeschreibliches Gefühl zu sehen, dass das Haus ihrer Familie noch stehe, sagt Abderrasak.

Von ihrem Viertel ist die majestätische Zitadelle Palmyras auf einem Hügel gut zu sehen. Sie wurde bei den Kämpfen schwer beschädigt, eine Seite stürzte teilweise ein. „Palmyra war wirklich ein Paradies“, sagt Abderrasak, und ihr versagt die Stimme.

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