Syrien Kampf um Aleppo

Syriens Machthaber Assad ist dabei, Aleppo zurückzuerobern. Gelänge ihm dies, wäre es sein wichtigster Sieg seit Ausbruch des Bürgerkriegs. Freilich feiert Assad nur dank seines Verbündeten militärische Erfolge.

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Die humanitäre Situation in der syrischen Stadt ist nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern verheerend. Quelle: AFP

Tel Aviv/Damaskus/Genf Syriens Herrscher Baschar al-Assad steht in Aleppo vor einem wichtigen Sieg. Seine Armee hat offenbar sämtliche Zufahrtsstraßen unter Kontrolle und riegelt die Stadt jetzt vollständig ab. Um Assad die Rückeroberung Aleppos zu erleichtern, bietet sein Verbündeter in Moskau der Bevölkerung Fluchtwege aus Aleppo an. Für die von der Umwelt abgeschnittene Zivilbevölkerung wurden drei Korridore eröffnet. Ein vierter Korridor ist für Rebellen bestimmt, falls sie die Waffen ablegen. Zudem hat Assad den Rebellen eine Amnestie angeboten, falls sie sich in den nächsten drei Monaten ergeben. Wohin die Menschen fliehen sollen, ist allerdings unklar.

Wie Aktivisten in der nordsyrischen Metropole bestätigten, warfen Hubschrauber am Donnerstag Flugblätter über den Rebellenvierteln ab. Darauf waren die Routen verzeichnet, über die Bewohner die Stadt verlassen könnten. Zudem seien in einigen Vierteln Lebensmittel und Windeln abgeworfen worden.

Es handele sich um eine humanitäre Operation, kündigte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu an. Wer die Stadt durch die Korridore verlasse, erhalte Essen und medizinische Hilfe, sagte er Nachrichtenagenturen zufolge. Die Bewohner der umkämpften Stadt seien jedoch skeptisch und derzeit noch zurückhaltend, berichtet der syrische Aktivist Mahmud al-Schami aus Aleppo. „Sie wollen, dass wir die Viertel verlassen und dann werden wir verhaftet“, befürchtet er. Der Aktivist hält die Aktion der Russen und des syrischen Regimes für reine Propaganda. Demzufolge sollen einige Viertel weiterhin unter Beschuss stehen.

Die humanitäre Situation in der Stadt ist nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern verheerend. Es gebe kaum noch Brot, Milch, Obst und Gemüse, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit. Auch Treibstoff sei knapp. Die Preise seien in den vergangenen Tagen noch einmal drastisch gestiegen. Große Teile der Stadt liegen in Trümmern. Die Vereinten Nationen schätzen, dass zwischen 200.000 und 300.000 Menschen in den Rebellenvierteln eingeschlossen sind.

Der Uno-Sondergesandte für Syrien, Staffan di Mistura, sucht einen Weg, um dem Leiden der Bevölkerung ein Ende zu setzen. Sein Einfluss scheint hingegen beschränkt. So war der russische Vorschlag nicht ihm koordiniert worden. Bei einer Pressekonferenz gab sich di Mistura denn auch nicht allzu optimistisch.
Demnächst wollen russische Militärexperten „vielleicht mit amerikanischen Fachleuten“ in Genf über humanitäre Hilfe und Wege zur Reduktion der Gewalt beraten, sagte di Mistura. Er wolle in Teheran dafür sorgen, dass der in der in Moskau vorbesprochene russisch-amerikanische Plan zur Beendung der Kämpfe auch von Iran unterstützt wird. Der Iran ist neben Moskau der wichtigste Verbündete Assads.

Die prekäre humanitäre Lage in Aleppo und vielen anderen Städten zeigt allerdings, wie wenig die Waffenstillstandsgespräche bisher gebracht haben. Trotz internationaler Appelle wurden die Kämpfe noch intensiver und brutaler. Die russische Luftwaffe, die Assad unterstützt, griff wiederholt Städte an, in denen Assads-Gegner herrschen. Assad-nahe Truppen sollen laut einem Bericht von Human Rights Watch auch Streubomben einsetzen.
Solange Assad militärische Erfolge verbuchen kann, zeigt er kein Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts, die auch das Ende seiner Herrschaft bedeuten könnte. Damit liegt der Poker für ein Ende der Kämpfe in Moskau.

Solange die russische Luftwaffe weiterhin auf Seiten Assads Einsätze gegen die Rebellen fliegt, hat der syrische Despot kein Interesse an einer Waffenruhe. So hatte Assad bei den bisher letzten Gesprächen im Februar weder Eile noch Kompromissbereitschaft gezeigt, um den Bürgerkrieg zu beenden, was zu einem schnellen Abbruch der Verhandlungen führte.


Die Krise in Aleppo spitzte sich zu, nachdem im Juli syrische Truppen die letzte Zufahrtsstraße in die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Seither erreichen weder Nahrungsmittel noch Medikamente die Stadt. Bis Mitte August würden die Nahrungsmittelvorräte in der Stadt aufgebracht sein, hatte am Montag die Uno gewarnt. Vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs hatten in der Stadt mehr als zwei Millionen Menschen gelebt. Seit vor vier Jahren Rebellen einen Teil der Stadt erobert haben, ist Aleppo geteilt. Sollte Assad Aleppo wieder ganz unter seine Kontrolle bringen, wäre es sein wichtigster Sieg seit Ausbruch der Bürgerkriegs. Ohne die Unterstützung der russischen Luftwaffe wäre ihm der Erfolg allerdings nicht gelungen.

mit dpa

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