
Deutschland wird nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel 2,3 Milliarden Euro bis einschließlich 2018 an Hilfe für Flüchtlinge in der Nahostregion zur Verfügung stellen. Davon sollten 1,1 Milliarden Euro bereits in diesem Jahr fließen, sagte Merkel am Donnerstag in London vor Beginn der Geberkonferenz für Syrien. Großbritannien und Norwegen hatten zuvor umgerechnet etwa 2,6 Milliarden Euro bis 2020 zugesagt.
Die drei Länder organisieren zusammen mit Kuwait die vierte Geberkonferenz, bei der ausreichend Geld für die Versorgung der geschätzten zehn Millionen Flüchtlinge in und um Syrien und den Irak gesammelt werden soll. Eine ausreichende Versorgung mit Nahrung, aber auch Schul- und Arbeitsangeboten für die syrischen und irakischen Flüchtlinge gilt als entscheidender Faktor, um eine weitere größere Fluchtbewegung Richtung EU zu verhindern. Es wird erwartet, dass internationale Hilfsorganisatoren Spenden von bis zu neun Milliarden Dollar anfordern.
Die Akteure im Syrien-Konflikt
Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber infolge der russischen Luftunterstützung seit September 2015 wieder Landgewinne verzeichnen. Machthaber Assad lehnt einen Rücktritt ab.
Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete, die allerdings meist nur spärlich besiedelt sind. Durch alliierte Luftschläge und kurdische Milizen mussten die Islamisten im Norden Syriens mehrere Niederlagen einstecken. Unter der Herrschaft der Miliz, die auch im Irak große Gebiete kontrolliert, verbleibt die inoffizielle Hauptstadt Raqqa, die bedeutende Versorgungsstrecke entlang des Euphrat und ein kleiner Grenzübergang zur Türkei. Offiziell lehnen alle lokalen und internationalen Akteure den IS ab.
Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten.
Die zu Beginn des Kriegs bedeutende Freie Syrische Armee (FSA) hat stark an Einfluss verloren. Sie kämpft vor allem gegen Diktator Assad.
In der „Islamischen Front“ haben sich islamistische Rebellengruppen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist der Sturz Assads und die Errichtung eines „Islamischen Staates“ – die gleichnamige Terrormiliz lehnen sie jedoch ab. Sie werden von Saudi-Arabien unterstützt und sind ideologisch mit al-Qaida zu vergleichen. Militärisch untersteht ihr auch die „Dschaisch al-Fatah“, die von der Türkei unterstützt wird. Teilweise kooperieren sie mit der al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationalkoalition in Istanbul. Diese wird von zahlreichen Staaten als legitim anerkannt, von vielen lokalen Akteuren wie al-Nusra oder der kurdischen PYD jedoch abgelehnt.
In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen, dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
Kurdische Streitkräfte kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei: Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dabei kämpfen sie teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft sind die „Volksverteidigungseinheiten“ YPG der Kurden-Partei PYD, inoffizieller Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese streben einen eigenen kurdischen Staat an – die Türkei lehnt das vehement ab.
Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte „Augsburg“, die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
Die Türkei setzt sich für den Sturz Assads ein und unterstützt seit langem Rebellengruppen wie die islamistische Dschaisch al-Fatah. Neben der Sicherung ihrer 900 Kilometer langen Grenze ist die Türkei seit August 2016 auch mit Bodentruppen in Syrien vertreten. Ziel ist neben der Vergeltung für Terroranschläge des IS auch, ein geeintes Kurdengebiet im Norden Syriens zu verhindern.
Der Abschuss eines russischen Flugzeugs über türkischem Luftraum im November 2015 führte zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei.
Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes: Rebellenorganisationen werden pauschal als „Terroristen“ bezeichnet und aus der Luft bekämpft. Der Kampf gegen islamistische Rebellen soll auch ein Zeichen an Separatisten im eigenen Land senden.
Geostrategisch möchte Russland seinen Zugriff auf den Mittelmeerhafen Tartus nicht verlieren.
Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes, auch aus konfessionellen Gründen. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Die von Teheran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah ist ebenfalls in Syrien im Einsatz. Sie fürchten die Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Falle eines Sieges sunnitischer Rebellen, aber auch den Verlust von regionalem Einfluss.
Riad ist ein wichtiger Unterstützer vornehmlich islamistischer Rebellen. Sie fordern, dass Assad abtritt. Saudi-Arabien geht es auch darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten.
Trotz religiöser Ähnlichkeiten zwischen IS und dem saudischen Wahabismus engagiert sich Saudi-Arabien im Kampf gegen den IS.
Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Bürgerkriegs erlitten am Vorabend einen Rückschlag: Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura vertagte die Friedensgespräche in Genf auf den 25. Februar. Zugleich betonte er: „Das ist nicht das Ende, und es ist nicht das Scheitern der Gespräche.“
Schon der Start der Genfer Verhandlungen am Montag verlief holprig. Die syrische Opposition erklärte, die Führung in Damaskus solle erst die Bombardements von Zivilisten einstellen, Hilfslieferungen in die belagerten Rebellengebiete lassen und Tausende Gefangene freilassen. Später teilte Delegationschef Riad Hadschib mit, die Assad-Führung habe die Forderungen aber nicht erfüllt. Daher werde die Vertretung der Opposition am Donnerstag aus Genf abreisen und erst zurückkehren, bis „wir positive Schritte bei humanitären Fragen sehen“, erklärte er.
Der Chef der Delegation der syrischen Regierung, Baschar Dschaafari, warf der Opposition hingegen vor, „Befehlen ihrer Meister zu folgen, die Gespräche zu ruinieren“. Zudem sprach er von einem Scheitern der Gespräche, für das er Saudi-Arabien, die Türkei und Katar verantwortlich machte.
Die Opposition kritisiert vor allem eine parallel zu den Gesprächen gestartete Großoffensive der syrischen Regierungstruppen gegen Rebellen in der Provinz Aleppo. Laut dem Staatsfernsehen haben sich die Assad-Truppen inzwischen in zwei Dörfer durchgekämpft, die die Aufständischen seit drei Jahren belagert hatten. Noch bevor De Mistura die „vorübergehende Pause“ ankündigte, sagte die oppositionelle Unterhändlerin Basma Kodmani, dies sende die Botschaft aus: „Es gibt nichts zu verhandeln. Geht einfach nach Hause.“
Die beiden Dörfer Nubl und Sahra liegen inmitten des Rebellengebiets in der Provinz Aleppo, wo die Truppen von Präsident Baschar al-Assad in den vergangenen Tagen einiges an Terrain gewonnen hatten. Sollte sich bestätigen, dass der Belagerungsring der Rebellen um die Orte durchbrochen wurde, wäre das ein wichtiger Erfolg für die Regierung. Mit ihrer Offensive nördlich der Provinzhauptstadt Aleppo konnten die Regierungstruppen bereits eine wichtige Versorgungsroute für Rebellenkämpfer in die Türkei kappen.
US-Außenminister John Kerry warf der syrischen Regierung vor, nach einer militärischen Lösung des Konflikts zu streben. Davon zeugten die Attacken syrischer Truppen auf von den Rebellen gehaltene Gebiete. Zudem rief Kerry die Assad-Regierung zu einem Stopp der Bombardements auf, insbesondere in Aleppo.
Als positives Signal wurde hingegen am Mittwoch eine Hilfslieferung in den von Regierungstruppen belagerten Ort Muadamija etwa zehn Kilometer südwestlich der Hauptstadt Damaskus gewertet. Tags zuvor habe ein Konvoi mit 14 Lastwagen zudem den nahe gelegenen Ort Al-Tal erreicht, sagte ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Pawel Krzysiek.
Der Bürgerkrieg in Syrien hat seit seinem Beginn 2011 mehr als 250 000 Menschen das Leben gekostet, Städte und Dörfer verwüstet und Millionen Menschen in die Flucht getrieben.
Die Geberkonferenz wird von Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Kuwait und den UN ausgerichtet. Vorangegangene Veranstaltungen blieben durchgehend hinter den Erwartungen zurück. Der Chef der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Guy Ryder, sagte bei einem Besuch von Flüchtlingslagern in Jordanien, er denke, dass die „europäische Erfahrung“ - der Flüchtlingsandrang in wohlhabende EU-Staaten wie Deutschland, Schweden und Österreich - eine Verhaltensänderung bewirken könnte.