
Die Hoffnung auf eine politische Lösung im syrischen Bürgerkrieg schwindet wieder einmal: Zwölf wichtige syrische Rebellengruppen erklärten, wegen Verstöße gegen die Waffenruhe sämtliche Gespräche über geplante Friedensverhandlungen in der kasachischen Hauptstadt Astana einzufrieren. Syriens Regime und seine Verbündeten hätten die Feuerpause trotz anderslautender Garantien immer wieder gebrochen, hieß es in einer Erklärung der moderaten Freien Syrischen Armee (FSA). Die Milizen hätten sich hingegen an die landesweite Feuerpause gehalten.
Die Akteure im Syrien-Konflikt
Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber infolge der russischen Luftunterstützung seit September 2015 wieder Landgewinne verzeichnen. Machthaber Assad lehnt einen Rücktritt ab.
Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete, die allerdings meist nur spärlich besiedelt sind. Durch alliierte Luftschläge und kurdische Milizen mussten die Islamisten im Norden Syriens mehrere Niederlagen einstecken. Unter der Herrschaft der Miliz, die auch im Irak große Gebiete kontrolliert, verbleibt die inoffizielle Hauptstadt Raqqa, die bedeutende Versorgungsstrecke entlang des Euphrat und ein kleiner Grenzübergang zur Türkei. Offiziell lehnen alle lokalen und internationalen Akteure den IS ab.
Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten.
Die zu Beginn des Kriegs bedeutende Freie Syrische Armee (FSA) hat stark an Einfluss verloren. Sie kämpft vor allem gegen Diktator Assad.
In der „Islamischen Front“ haben sich islamistische Rebellengruppen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist der Sturz Assads und die Errichtung eines „Islamischen Staates“ – die gleichnamige Terrormiliz lehnen sie jedoch ab. Sie werden von Saudi-Arabien unterstützt und sind ideologisch mit al-Qaida zu vergleichen. Militärisch untersteht ihr auch die „Dschaisch al-Fatah“, die von der Türkei unterstützt wird. Teilweise kooperieren sie mit der al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationalkoalition in Istanbul. Diese wird von zahlreichen Staaten als legitim anerkannt, von vielen lokalen Akteuren wie al-Nusra oder der kurdischen PYD jedoch abgelehnt.
In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen, dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
Kurdische Streitkräfte kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei: Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dabei kämpfen sie teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft sind die „Volksverteidigungseinheiten“ YPG der Kurden-Partei PYD, inoffizieller Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese streben einen eigenen kurdischen Staat an – die Türkei lehnt das vehement ab.
Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte „Augsburg“, die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
Die Türkei setzt sich für den Sturz Assads ein und unterstützt seit langem Rebellengruppen wie die islamistische Dschaisch al-Fatah. Neben der Sicherung ihrer 900 Kilometer langen Grenze ist die Türkei seit August 2016 auch mit Bodentruppen in Syrien vertreten. Ziel ist neben der Vergeltung für Terroranschläge des IS auch, ein geeintes Kurdengebiet im Norden Syriens zu verhindern.
Der Abschuss eines russischen Flugzeugs über türkischem Luftraum im November 2015 führte zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei.
Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes: Rebellenorganisationen werden pauschal als „Terroristen“ bezeichnet und aus der Luft bekämpft. Der Kampf gegen islamistische Rebellen soll auch ein Zeichen an Separatisten im eigenen Land senden.
Geostrategisch möchte Russland seinen Zugriff auf den Mittelmeerhafen Tartus nicht verlieren.
Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes, auch aus konfessionellen Gründen. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Die von Teheran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah ist ebenfalls in Syrien im Einsatz. Sie fürchten die Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Falle eines Sieges sunnitischer Rebellen, aber auch den Verlust von regionalem Einfluss.
Riad ist ein wichtiger Unterstützer vornehmlich islamistischer Rebellen. Sie fordern, dass Assad abtritt. Saudi-Arabien geht es auch darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten.
Trotz religiöser Ähnlichkeiten zwischen IS und dem saudischen Wahabismus engagiert sich Saudi-Arabien im Kampf gegen den IS.
Die von Russland und der Türkei vermittelte Waffenruhe war am Freitag in Kraft getreten, nachdem regierungstreue Kräfte vor Weihnachten die vollständige Kontrolle über die lange umkämpfte nordsyrische Großstadt Aleppo übernommen hatten. Von der Feuerpause ausgenommen sind jedoch die Terrormiliz Islamischer Stadt (IS) und die Al-Kaida-nahe Miliz Fatah-al-Scham-Front (früher: Al-Nusra-Front). Letztere kämpft in mehreren Gebieten an der Seite moderaterer Rebellen.
Türkisch-russische Pläne sehen vor, dass sich Vertreter des Regimes von Präsident Baschar al-Assad und der Opposition Mitte Januar in Astana zu neuen Gesprächen über ein Ende des fast sechs Jahre dauernden Bürgerkriegs treffen. Diese sollen ein wichtiger Schritt vor den ab dem 8. Februar in Genf geplanten Gesprächen unter UN-Vermittlung sein. Die Türkei unterstützt in Syrien sunnitische Rebellen, Russland dagegen die Assad-Regierung.
5 Jahre Bürgerkrieg in Syrien: Eine Chronologie der wichtigsten Etappen
Eine Demonstration in der Hauptstadt Damaskus setzt eine Protestwelle gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad in Gang. Die Regierung reagiert mit Waffengewalt.
Mehr als 1400 Menschen sterben durch Chemiewaffen. Der UN-Sicherheitsrat fordert Damaskus zur Vernichtung der Waffen auf. Syrien beginnt danach mit der Zerstörung seiner Produktionsstätten.
Die USA und Verbündete bombardieren erstmals Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Nordostsyrien.
Nach monatelangen Gefechten mit der Terrormiliz haben kurdische Kämpfer die nordsyrische Stadt Kobane befreit. Es folgen weitere Niederlagen des IS gegen Kurden im Nordosten Syriens.
Assads Verbündeter Russland beginnt Luftangriffe in Syrien: nach russischen Angaben auf IS-Stellungen, nach westlicher Darstellung auf gemäßigte Rebellengruppen.
In Wien einigen sich die Teilnehmer einer Syrien-Konferenz, darunter der Iran und Russland, auf einen Friedensfahrplan, der eine Übergangsregierung vorsieht.
Nach den Anschlägen in Paris bombardiert Frankreich IS-Stellungen in Syrien. Deutschland schickt zur Unterstützung unter anderem Aufklärungs-Tornados. Rund 60 Staaten haben sich bisher zu einem Bündnis gegen den IS zusammengeschlossen.
In Genf beginnen Friedensgespräche. UN-Sondervermittler Staffan de Mistura verhandelt mit den Delegationen getrennt, direkte Gespräche lehnen beide Seiten ab. Sie werden nach der dritten Runde im April auf Eis gelegt.
Die USA, Russland und wichtige Regionalmächte handeln in München eine Waffenruhe für Syrien aus, die jedoch vor allem in der nordsyrischen Großstadt Aleppo immer wieder gebrochen wird. Regierungstruppen kappen die wichtigste Nachschubroute der Rebellen aus der Türkei. Zehntausende Menschen fliehen vor den schweren Gefechten in der Region.
Russlands Präsident Wladimir Putin befiehlt einen Teilabzug der russischen Soldaten aus Syrien. Syrische Regimetruppen erobern die historische Oasenstadt Palmyra vom IS zurück.
Regierungstruppen kappen die letzte Versorgungsroute in die von Rebellen gehaltenen Stadtviertel von Aleppo und schneiden bis zu 300.000 Menschen von der Außenwelt ab. Rebellen durchbrechen drei Wochen später die Belagerung. Die humanitäre Situation in der umkämpften Stadt wird immer dramatischer. Auch in anderen Kampfgebieten des Landes spitzt sich die Lage zu.
Kurdisch geführte Truppen erobern nach wochenlangen Kämpfen gegen den IS die Stadt Manbidsch im Norden Syriens. Mit Panzern und Kampfflugzeugen greift die Türkei in den Bürgerkrieg ein. Zusammen mit Rebellenkämpfern vertreiben die Türken den IS aus dem Grenzort Dscharablus und greifen auch ein von der Kurdenmiliz YPG angeführten Bündnis an. Nach vier Jahren Belagerung übernimmt die syrische Armee die einstige Rebellenhochburg Daraja am Rande der Hauptstadt Damaskus.
Die USA und Russland einigen sich erneut auf einen Plan zur Durchsetzung der Waffenruhe sowie für eine politische Lösung des Konflikts. Zudem wollen sie in Syrien militärisch gegen die als Terroristen eingestuften Islamistengruppen kooperieren.
Nach Angaben von Aktivisten hatte die Waffenruhe in den vergangenen Tagen größtenteils gehalten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete jedoch Brüche der Feuerpause in vereinzelten Gebieten.
In ihrer Erklärung werfen die Rebellengruppen der Armee und ihren Verbündeten Verstöße gegen die Waffenruhe insbesondere in der Region Wadi Barada nordwestlich der Hauptstadt Damaskus vor. Dort war es in den vergangenen Tagen immer wieder zu heftigen Kämpfen gekommen. Regimegegner hatten im Dezember in Wadi Barada die Kontrolle über Wasserquellen übernommen, durch die mehrere Millionen Bewohner in Damaskus mit Frischwasser versorgt werden.
Unter den Rebellengruppen sind nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle auch Kämpfer der radikalen Fatah-al-Scham-Front. Die oppositionellen Milizen in Wadi Barada erklärten hingegen, unter ihnen seien keine Extremisten, weder vom IS noch von der Fatah-al-Scham-Front.