„Tag des Zorns“ nach Jerusalem-Entscheid Trump ist als Vermittler unten durch

Die radikal-islamische Hamas hat den Freitag nach Trumps Jerusalem-Entscheid zum „Tag des Zorns“ erklärt. Doch die israelischen Sicherheitsbehörden waren auf Zusammenstöße vorbereitet. Die USA sind ihre Vermittlerrolle los.

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Tel Aviv Tausende Muslime protestierten weltweit gegen den Entscheid von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Nach den Freitagsgebeten kam es nicht nur in Jerusalem, in Gaza und im Westjordanland zu Ausschreitungen, sondern auch in muslimischen Ländern wie Jordanien, Ägypten, Tunesien, Malaysia oder Indonesien. In der Türkei demonstrierten ebenfalls Tausende gegen Trumps Entscheidung.

In Teheran rief ein ultra-konservativer Ajatollah und prominenter Freitagsprediger zu einer Intifada auf: Nur ein palästinensischer Aufstand könne „für das zionistische Regime den Tag in eine Nacht verwandeln“, sagte er. Die vom Iran unterstützte libanesische Terrorgruppe Hisbollah, die das Geschehen im Libanon weitgehend bestimmt und große Teile des Libanons kontrolliert, forderte islamische Staaten auf, die Intifada „finanziell, politisch und militärisch“ zu unterstützen sowie Jerusalem zur „ewigen Hauptstadt Palästinas“ zu erklären.

In den palästinensischen Gebieten wurde dem Ruf der radikal-islamischen Hamas, die den Freitag zum „Tag des Zorns“ erklärt und zu einer dritten Intifada aufgerufen hatte, allerdings nicht so intensiv gefolgt, wie sie sich das erhofft hatte. Bei Demonstrationen wurden zwar mindestens ein Palästinenser in Gaza getötet und mindestens 760 weitere verletzt, meistens durch den Einsatz von Tränengas. Doch trotz der zahlreichen Demonstrationen ist die Zahl der Opfer im Vergleich zu früheren Ausschreitungen bescheiden geblieben.

Das liege auch am Tagesbefehl der Armeeführung an Offiziere und Soldaten, auf unnötige Provokationen zu verzichten und sich zurückzuhalten, meint der Arabien-Spezialist des Armeesenders, Jackie Hugie. Den Palästinensern hatte Generalmajor Yoav Mordechai, der seit 2014 für die besetzten Gebiete zuständig ist, vor dem Freitagsgebet zudem versprochen, dass Trumps Entscheid nichts am Status quo ändere. Palästinenser würden wie bisher Zugang zu ihren heiligen Stätten in Jerusalem haben, sicherte er ihnen zu. Mordechai forderte die Palästinenser auf, nicht auf ihre Radikalen zu hören.

Die israelische Polizei hatte sich auf die absehbaren Zusammenstöße mit Palästinensern vorbereitet und das Aufgebot an Sicherheitskräften erhöht. In Abweichung zu ihrer früheren Politik, in spannungsgeladenen Zeiten jüngeren Palästinensern den Besuch auf dem Tempelberg zu verbieten, sah sie dieses Mal davon ab und erließ keine Altersbeschränkung.

Spätestens seit Trumps Jerusalem-Rede habe Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verinnerlicht, dass er vom Weißen Haus nichts erwarten könne, meint ein europäischer Diplomat in Ramallah. Abbas habe Trump als Friedensvermittler praktisch „gefeuert“ und sei bereits auf der Suche nach Alternativen, so der Diplomat. So liebäugelt er derzeit mit der im Juni 2016 lancierten Friedensinitiative Frankreichs, die unter anderem Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas vorsieht.

Da die Palästinenser politisch und wirtschaftlich von den Amerikanern abhängig sind, konzentriert Abbas seine Kampagne gegen die Person Trump, ohne sich von den USA zu lösen. So ist US-Vizepräsident Mike Pence, der in diesem Monat im Nahen Osten erwartet wird, von der palästinensischen Regierung zur „Persona non grata“ erklärt worden. Das für den 19. Dezember vorgesehene Treffen mit Pence werde es nicht geben, sagte ein enger Vertrauter von Abbas. Der Vizepräsident wolle sich aber laut einer Mitteilung aus dem Weißen Haus den Termin mit Abbas frei halten, weil es „kontraproduktiv“ wäre, die Besprechung abzusagen.

Aufgrund der umstrittenen Jerusalem-Erklärung kühlt sich auch das Verhältnis Amerikas zu seinen Verbündeten ab. So verlangten zwei Nato-Verbündete der USA, Frankreich und Großbritannien, am Freitag die Einberufung einer Dringlichkeitssitzung des US-Weltsicherheitsrates zur Jerusalem-Frage. In der nächsten Woche will der türkische Präsident und Nato-Partner Erdogan mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin nicht nur die Lage in Syrien besprechen, sondern auch die Probleme, die sich durch Trumps Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt ergeben.

Inzwischen sorgt der Problemfall Jerusalem auch in Prag für Zoff. Nachdem Tschechiens Präsident Milos Zeman Trumps Jerusalem-Entscheid gelobt und vorgeschlagen hatte, dass sein Land dem Vorbild der USA folgen sollte, sieht das Premierminister Andrej Babis ganz anders. Er hält die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels für eine „schlechte Idee“. Man sehe ja, wozu das führt.

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