Terror-Bekämpfung Europas schwieriger Anti-Terror-Kampf

Die Europäer spähen sich gegenseitig aus, den Geheimdiensten fehlt es an Ressourcen. Das macht den Kampf gegen den Terror nicht gerade einfacher. Abhilfe könnte Europol schaffen – doch auch dort hakt es.

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Auch der Bundesnachrichtendienst hat ausländische Regierungsstellen und EU-Institutionen bespitzelt. Quelle: dpa

Brüssel Beim gemeinsamen Antiterror-Kampf tun sich die EU-Staaten schwer, das haben die Brüsseler Anschläge mit 32 Todesopfern erneut ins Gedächtnis gerufen. Doch wie ginge es anders? „Müsste James Bond all seine Geheimnisse mit jedem seiner rumänischen, schwedischen oder portugiesischen Kollegen teilen?“, fragte die belgische Zeitung „Le Soir“ jüngst. Schwer vorstellbar.

Es beginnt schon damit, dass die Europäer einander ausspähen – auch der Bundesnachrichtendienst, der ausländische Regierungsstellen und EU-Institutionen bespitzelte. Und natürlich bietet Zusammenarbeit nicht immer und in allen Bereichen Vorteile. „Die EU-Mitgliedstaaten werden es – zumindest in einigen Fällen – nicht als in ihrem Interesse sehen, an gemeinsamer Geheimdienstarbeit teilzunehmen“, schreibt der Politikwissenschaftler Björn Fägersten in einer aktuellen Analyse.

Dabei hat die Politik das fehlende Vertrauen unter den Sicherheitsbehörden der EU-Staaten längst erkannt. „Manchmal gibt es einen Mangel an politischem Willen, einen Mangel an Koordinierung und, was am wichtigsten ist, manchmal einen Mangel an Vertrauen“, bilanziert EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) empörte sich in der Tageszeitung „Bild“: „Dass der eine Staat weiß, wer Terrorverdächtiger ist, der Nachbarstaat, in dem der Verdächtige sein Unwesen treibt, aber im Dunkeln tappt, ist wirklich ein Skandal.“

Der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht teilt die Kritik – im Prinzip. „Heute ist ein bisschen jeder in seinem eigenen Sumpf“, stellt er fest. Dennoch hält er Verbesserungen für möglich – wenn die nationalen Polizeiapparate besser zusammenarbeiten würden.

Die heikle Zusammenarbeit nationaler Geheimdienste ist für ihn nicht entscheidend – zumal die nationale Sicherheit in den EU-Verträgen ganz klar in der „alleinigen Verantwortung“ der Staaten angesiedelt ist. „Dass die Nachrichtendienste sich direkt miteinander austauschen, ist nicht so wichtig, solange die Polizei in den EU-Staaten auf die relevanten Informationen zurückgreifen kann“, meint Albrecht. Die wichtigsten Informationen beim Anti-Terror-Kampf würden auf heimischem Terrain gewonnen, nicht im außereuropäischen Ausland.

Strukturen dafür könnte die europäische Polizeibehörde Europol in Den Haag bieten. Seit diesem Jahr versucht ein dort angesiedeltes Anti-Terror-Zentrum mit etwa vierzig Mitarbeitern, die Arbeit der nationalen Behörden besser zu verzahnen. Europol müsse viel zugänglicher für nationale Ermittler werden, die Informationen weitergeben wollen, fordert Albrecht.


Oft fehlen die nötigen Ressourcen

Die Behörde unterstützt auch grenzübergreifende Ermittlerteams, wie sie Belgien und Frankreich nach den Paris-Anschlägen vom November einsetzten. Politiker loben diese Art der Zusammenarbeit. Denn es stellte sich heraus, dass es zwischen den Terrorzellen von Paris und Brüssel enge Verbindungen gab.

Doch zentral sind für Albrecht am Ende Investitionen in den Sicherheitsapparat. Allzu oft mangele es an Ressourcen, um Informationen auszuwerten und womöglich weiterzureichen – wenn dafür Zeit aufgewendet werde, fehle sie an anderer Stelle. Der Abgeordnete fürchtet, dass die Behörden statt auf Personal zu stark auf Computerprogramme setzen, die etwa Passagierdaten auf bestimmte Merkmale durchkämmen – aber keine komplexen Verbindungen herstellen können, die ein erfahrener Fahnder erkennen könne. „Die Analyse durch Beamte ist in den meisten Fällen konkreter und führt viel öfter zum Erfolg“, so seine Überzeugung.

Rasche Fortschritte fordern Frankreich, Deutschland und andere EU-Staaten derzeit lautstark beim europäischen Austausch von Fluggastdaten. Die entsprechende EU-Richtlinie „muss im April 2016 angenommen und dringend umgesetzt werden“, unterstrichen sie bei ihrem Sondertreffen zwei Tage nach den Brüsseler Anschlägen vom Dienstag vergangener Woche. Ähnliche Vereinbarungen gibt es bisher mit den USA oder Australien, aber nicht zwischen den EU-Staaten.

Eigentlich ist die Sache längst zwischen Unterhändlern von EU-Staaten und Europaparlament vereinbart, es fehlt aber noch die formelle Annahme durch das Europaparlament. Vorgesehen ist, dass persönliche Daten von Fluggästen wie Name, Kreditkartennummer und Essenswünsche künftig auf Vorrat gespeichert werden. Das Parlament verlangt allerdings zunächst die formelle Annahme der ebenfalls schon dem Prinzip nach vereinbarten EU-Datenschutzreform durch die EU-Staaten.

Grünen-Politiker Albrecht versteht den Wirbel nicht: „Zwei Monate machen den Kohl nicht fett“, meint er. „Wer sagt, dass das ab morgen mehr Sicherheit schafft, gaukelt den Leuten etwas vor.“ Wenn die EU-Richtlinie in Kraft tritt, haben die EU-Staaten noch zwei Jahre Zeit für die Umsetzung - und auch dann bleiben nationale Stellen im Besitz der Daten und geben sie nur in bestimmten Fällen weiter.

Der Informationsaustausch über die europäischen Polizeibehörde Europol oder über die europäische Justizbehörde Eurojust habe sich „erheblich verbessert“, resümiert der Anti-Terror-Koordinator der EU, Gilles de Kerchove, jüngst in einem Bericht. „Dennoch spiegelt der Informationsaustausch immer noch nicht die Bedrohung wider.“

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