Texas Das Bayern Amerikas

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Schnell, schneller, Texas

Zu den Investoren gehört Thomas Bond, dessen silberner Geländewagen in Katy vor den Toren Houstons faustgroße Steine durch den Schutt schiebt. Der Manager des Mannheimer Familienunternehmens Pepperl+Fuchs will schon im Sommer hier ein neues Lieferzentrum eröffnen, 25 Millionen Dollar teuer. Seinen US-Hauptsitz hat das Unternehmen in Ohio, Texas aber wird immer wichtiger. Pepperl+Fuchs stellt Bauteile für die Automobilindustrie her, aber auch Komponenten für Chemieanlagen und Bohrinseln. Billiges Bauland, viele qualifizierte Mitarbeiter und schnelle Genehmigungsverfahren machten die Entscheidung pro Katy schließlich einfach.

Bis zu 110 Jobs wollen die Deutschen auf ihrem neuen Gelände schaffen. Die nötigen Leute zu finden werde – anders als in weiten Teilen der USA – kein Problem, wissen die Verantwortlichen aus Erfahrung. Zwei Tage nach Veröffentlichung einer Stellenanzeigen haben sie zehn Bewerbungen auf dem Tisch liegen.

Von den acht US-Städten mit dem größten Bevölkerungswachstum liegen gleich fünf in Texas. „Die Menschen ziehen dahin, wo sie die größten Chancen sehen. Das ist Texas“, sagt Jeremi Suri, Geschichtsprofessor an der University of Texas in Austin. Und schon mit ordentlicher Qualifikation und einem geregelten, durchschnittlichen Einkommen lassen sich hier – dank niedriger Abgabenlast und günstigen Grundstückspreisen – Haus und Garten kaufen, deren Größe jeden US-Großstädter vor Neid erblassen lässt. So kostet ein Eigenheim in den Metropolen Houston oder Dallas im Schnitt 340.000 bis 370.000 US-Dollar. In Boston, New York oder Los Angeles liegt der Preis schon einmal doppelt so hoch. „In Texas lebt der amerikanische Traum noch“, unterstreicht Geschichtsprofessor Suri.

von Silke Fredrich, Nora Jakob, Katharina Matheis, Nico Hornig, Jana Reiblein

Das sehen auch die US-Republikaner so. Für sie ist Texas der Beweis, dass ihre Politik funktioniert. Seit 1993 wird das Bundesland ununterbrochen republikanisch regiert. Kein Wunder, dass Senator Ted Cruz sagt: „Amerika würde es besser gehen, wenn sich Washington mehr von Texas abschauen würde.“

Bei allen wirtschaftlichen Erfolgen, in gesellschaftspolitischen Fragen hängt Texas noch hinterher. So ist es etwa völlig legal, offen eine Waffe zu tragen. Und: Der Staat vollstreckt mit Abstand die meisten Todesurteile in den USA, genau 91 seit 2010. Doch durch die Zuwanderung von außen könnte sich Texas modernisieren. „Städte wie Austin oder San Antonio sind liberale und kulturelle Hochburgen. Von dort geht auch der Wunsch nach gesellschaftlichen Veränderungen aus“, beobachtet Professor Suri. Es dauere vielleicht noch zehn Jahre, dann gäbe es auch in Texas keine Mehrheit mehr für ein Verbot von Abtreibungen oder Voten gegen die Homo-Ehe – ganz zu schweigen von der Ablehnung der Todesstrafe. „Texas“, sagt Suri, „wird von Jahr zu Jahr progressiver.“

Auf nach Texas: Einwohnerwachstum in US-Städten. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Schon bei dieser Wahl fällt auf, wie wenig öffentliche Zustimmung Donald Trump hier erfährt. Werbeaufsteller des Republikaners sind in den Vorgärten eine Ausnahme; stattdessen fahren Trucks mit Hillary-Clinton-Stickern auf Highways herum. Der Eindruck täuscht nicht: Laut einer Umfrage liegt Trump nur vier Prozentpunkte vor Clinton. Vor vier Jahren gewann der Republikaner Mitt Romney hier noch mit fast 16 Prozentpunkten Vorsprung vor Barack Obama.

Gründer Robert Wise wundert das nicht. „Trump ist weder republikanisch, noch hat er Konzepte für die Zukunft.“ Seine Energiepolitik etwa sei „ein schlechter Witz“. Auch bei politischen Fragen gilt: Was andere denken, interessiert einen texanischen Vordenker wenig.

von Simon Book, Jacqueline Goebel, Tim Rahmann, Christian Schlesiger, Gregor Peter Schmitz
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