Thailands Kanal Mega-Projekt soll Welthandel verändern

Ein Kanal durch Thailand könnte den Seeweg zwischen Europa und Ostasien verkürzen. Die europäische Wirtschaft würde sich freuen, in China stößt das Projekt auf Begeisterung. Die Frage ist: Was will Thailands König?

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Der Hafen von Bangkok Quelle: dpa

Der Österreicher Harald Wagner hat in seinem Leben schon einige Großprojekte hinter sich. Der Tunnelbau-Ingenieur half seinen Kunden dabei, sich in China unter dem Gelben Fluss hindurch zu graben und er entwarf den längsten Autobahntunnel Südamerikas. „Ich habe bereits Millionen Tonnen Erde bewegt“, sagt der 76-Jährige. Doch das Vorhaben seiner aktuellen Kunden ist auch für den Direktor des internationalen Programms für Infrastrukturprojekte der Bangkoker König Mongkut Universität eine neue Dimension: Es geht um nicht weniger als die Verbindung zweier Ozeane.

Wagner ist technischer Berater einer Initiative von Geschäftsmännern, Professoren und Generälen, die mit Hilfe eines Megaprojekts Thailands zu einem Knotenpunkt des globalen Handels machen wollen. Dank intensiver Unterstützung aus China sieht die Gruppe die Zeit für ein Projekt gekommen, über das schon seit mehr als zwei Jahrhunderten diskutiert wird: den Thai-Kanal. „Die Rahmenbedingungen sind perfekt“, sagte Prongthep Thespratheep, Vorsitzende der Kanal-Initiative auf einer Konferenz in Bangkok.

Sollte das Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden, hätte es das Potenzial den Welthandel zu verändern: Der Thai-Kanal soll die Landenge im Süden Thailands durchschneiden und so eine neue Verbindung zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean schaffen. Die Abkürzung mitten durch Thailand würde den kürzesten Seeweg zwischen Europa und Ostasien um 1200 Kilometer verringern. Frachtschiffe könnten so bis zu drei Tagen Reisezeit einsparen.

Thai Canal: Erhoffte Zeitersparnisse durch den Kanal für die Schifffahrt. Quelle: Handelsblatt

Die Dimensionen des Vorhabens können es mit Megaprojekten wie dem Suez- oder Panamakanal aufnehmen. Der Kanal soll mehr als 100 Kilometer lang, 25 Meter tief und 400 Meter breit sein. Kosten: Schätzungsweise rund 30 Milliarden US-Dollar.

Vor allem wegen Chinas Seidenstraße-Initiative sind die Befürworter des Kanals optimistisch. Die Volksrepublik hat üppige Fördertöpfe bereitgestellt, um die Verkehrswege zwischen Asien und Europa auszubauen. Allein in Pakistan investieren die Chinesen bereits mehr als 50 Milliarden US-Dollar. Tatsächlich ist auf chinesischer Seite das Interesse groß: „Geld ist kein Problem bei diesem Projekt“, sagt Zhao Gang, Vize-Direktor der staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform in China. „Es ist eine politische Entscheidung der Thailänder, sie müssen es wirklich wollen.“

Mögliche Varianten des Thai-KanalsQuelle: Wikipedia Commons / CIA World Factbook Quelle: Handelsblatt

Für China hätte der Kanal erhebliche strategische Vorteile. Eine weitere Route zwischen Ostasien und Europa würde die Volksrepublik deutlich unabhängiger von der Straße von Malakka machen, durch die derzeit mehr als 80 Prozent der Öl- und Gasimporte des Landes transportiert werden. Die Meerenge zwischen Malaysia und der indonesischen Insel Sumatra ist nicht nur eine Achillesferse für die Energieversorgung des Landes, sondern auch zunehmend verstopft.

Mehr als 80.000 Schiffe durchfahren malaysischen Behörden zufolge jedes Jahr die Meerenge. Doch weil die Straße an ihrer engsten Stelle gerade einmal rund 2,7 Kilometer breit ist, ist sie schon jetzt extrem ausgelastet. Der norwegische Schiffsversicherer Skuld nennt die heikle Stelle auch „die am meisten verstopfte Passage der Welt.“ Die große Anzahl an Schiffen bedeute auch ein höheres Risiko für Kollisionen, warnt der Versicherer.

Auch Europa hat Gefallen an dem Vorhaben gefunden

Nicht nur China hat deswegen großes Interesse daran, dass der Kanal gebaut wird. Auch die europäische Wirtschaft hat Gefallen an dem Vorhaben gefunden. „Der Kanal bietet fantastische Möglichkeiten für den Handel zwischen Asien und Europa“, sagt Rolf-Dieter Daniel, Präsident der europäischen Handelsorganisation EABC in Thailand. „Wir werden uns bei der Regierung dafür stark machen.“ Er hält das Projekt für realistisch und profitabel. Dennoch rechnet er noch mit erheblichen Verzögerungen bei der Implementierung.

Denn Thailands Politik ist kompliziert: Im Süden des Landes kämpfen islamistische Separatisten seit mehr als einem Jahrzehnt für ein Kalifat. Kritiker befürchten, dass die physische Trennung durch den Kanal das Land noch weiter spalten könnte oder dass das Infrastrukturprojekt ein Ziel für die Terrorgruppen werden könnte. Gleichzeitig dürfte man wirtschaftlichen Nordosten Thailands kaum verstehen, warum ausgerechnet im reicheren Süden des Landes nun weitere Milliarden investiert werden sollen.

Auch außenpolitisch birgt das Projekt Sprengstoff. Mit dem Kanal würde Thailand in Rivalität zu Singapur geraten, das von seiner Lage am Eingang zur Malakka-Straße profitiert. Die Befürworter des Kanals rechnen damit, dass rund ein Drittel des Verkehrs der Malakka-Straße künftig die Abkürzung des Kanals nehmen könnte. Der Hafen Singapurs dürfte so erhebliche Einbußen erleiden. Wohl auch deswegen hält sich die thailändische Militärregierung mit Aussagen zu dem Projekt noch zurück.

Die größten Reedereien der Welt
Platz 10Mit einer einer Transportkapazität von knapp 600.000 TEU und einem Marktanteil von 2,8 Prozent hat es die taiwanesische Yang Ming Marine Transport Corp. in die Top 10 der weltweit größten Reedereien geschafft. Yang Ming ist mit 172 Niederlassungen in 73 Ländern vertreten und gehört damit zu den größten Transportunternehmen weltweit.Quelle: Alphaliner, Stand: Juni 2016 Quelle: dpa
Platz 10Die Orient Overseas Container Line, kurz OOCL, kann mehr als 570.000 Standardcontainer transportieren, ergibt eine Auswertung des Branchendienstes Alphaliner von Februar 2016. Das sind drei Prozent Weltmarktanteil. Damit landet das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Hongkong auf dem zehnten Platz der größten Reedereien der Welt.Quelle: Alphaliner, Stand: Februar 2016 Quelle: dpa
Platz 8Mit einem Transportvolumen von rund 625.000 geht die Reederei Hanjin Shipping auf dem achten Platz vor Anker. Das Unternehmen sitzt in Seoul und gehört mit weiteren Unternehmen wie der Fluggesellschaft Korean Air zur Hanjin Group. Die Schiffe von Hanjin fahren hauptsächlich zwischen Ostasien, Europa und der Westküste der USA. Mittlerweile ist Hanjin Shipping pleite. Quelle: AP
Platz 8Auf Rang Acht landet die Deutsche Reederei Hamburg Süd mit einer Kapazität von knapp 650.000 Standardcontainern. Das Unternehmen wurde 1871 von elf Hamburger Handelshäusern gegründet. Heute ist es im Besitz der Oetker-Gruppe. Quelle: dpa
Platz 5Auf Position fünf des Rankings: Die Reederei Hapag-Lloyd mit Sitz in Hamburg besitzt am 22. Februar 2016 dem Branchendienst Alphaliner zufolge eine Kapazität von 920.559 Standardcontainern. Das sind fast sechs Prozent Weltmarktanteil. Die tief gefallenen Ölpreise sorgten auch bei der größten Reederei Deutschlands für Probleme: Eine Gewinnwarnung des Weltmarktführers Møller-Maersk hatte im vergangenen Jahr den Börsengang erschwert. Die Hamburger mussten ihre Aktien billiger anbieten, um Investoren zu finden. Darunter litten auch die Großaktionäre - Tui, die Stadt Hamburg, und der Großspediteur Klaus Michael-Kühne. Quelle: AP
Platz 4Mit 927.428 Containern Kapazität schafft es Evergreen Line aus China auf Position vier. Damit hat Evergreen Hapag-Lloyd eingeholt. Die Schiffe der Flotte tragen übrigens alle auch den Zusatz „Ever“ im Namen. Quelle: REUTERS
Platz 4Durch die Fusion der China Ocean Shipping Company (COSCO) mit der China Shipping Container Lines (CSCL) ist Anfang des Jahres der Anbieter mit der weltweit größten hauseigenen Flotte im Reich der Mitte entstanden. Mit einem Transportvolumen von 1.573.498 und einem Marktanteil von 7,6% hat sich der neue chinesische Container-Riese auf Platz vier katapultiert. Quelle: dpa

Die Kanal-Lobbyisten setzen allerdings ohnehin auf ihre guten Kontakte zum Palast. Vorsitzender Prongthep ist ein enger Vertrauter von Prem Tinsulanonda, dem Vorsitzenden des mächtigen Kronrates. „Wenn dieses Projekt gelingen soll, dann muss es ein Projekt des Königs werden“, sagt der ehemalige Oberbefehlshaber der thailändischen Streitkräfte, Saiyud Kerdphol. „Die Entscheidung kann nicht auf der Ebene der Regierung getroffen werden, da es zu viele politische Probleme gibt.“

So äußern viele Kanal-Unterstützer die Hoffnung, dass der Kanal ein Prestige-Projekt des neuen Königs Vajiralongkorn werden könnte. Der hat erst vergangenes Jahr den Thron bestiegen und soll im Herbst offiziell gekrönt werden. Gleich zu Beginn seiner Regentschaft könnte er sich mit dem Kanal ein Denkmal setzen – so wie sein Vater König Bhumibol zahlreicher Infrastrukturprojekte initiiert hatte. Hinter vorgehaltener Hand heißt, dass der neue Regent wohl großes Interesse habe. Doch der Palast in Bangkok ist letztendlich eine Blackbox. Die Machtverhältnisse sind schwer zu durchschauen.

Die politischen Hürden dürften deswegen deutlich höher sein, als die technischen Herausforderungen. Die seien durchaus zu bewältigen, sagen Experten. „Vor 150 Jahren wurde der Suez-Kanal innerhalb von zehn Jahren gebaut”, sagt Ingenieur und Berater Wagner. „Der Thai-Kanal könnte schneller fertig werden. Am 12. September 2027 will ich bei der Einweihung mit einem Passagierschiff durchfahren.“

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